Am 15. Oktober ging die letzte Fahrt ins Winterlager. Wie auch schon im Jahr zuvor darf die Santanita in einer Halle am Anfang des Nord-Ostsee-Kanals die kalte Jahreszeit verbringen. Für die Überführung dorthin mussten wir sehr früh aufstehen, da für die Durchfahrt der Schleusen ein ordentlicher Puffer zu kalkulieren ist.
Die Fahrt in die Morgendämmerung war schön - wenig Wind, moderate Temperatur, kein Seegang. Am Wochenende zuvor waren schon die Segel und der Baum abgeriggt worden und so waren es nachher unter dem Kran nur noch wenige Handgriffe um den Mast zu ziehen. Routinierte Dienstleister erledigten das innerhalb von Minuten - ebenso das Aufpallen des Schiffes auf einen Bock.
Einen Tag stand die Santanita noch draußen und konnte gut geputzt werden, bevor sie auf ein prima Plätzchen in der Ecke der Halle verbracht wurde. Dort beginnt jetzt die Winterarbeit. im Verlauf der Saison ist eine Liste entstanden mit Dingen, die verändert, verbessert oder ersetzt werden sollen, außerdem stehen natürlich die üblichen Tätigkeiten an, Polieren, Antifouling-Streichen, usw....
Wir finden, dass unsere Santanita selbst aufgebockt eine schnittige Figur abgibt!
Die letzten beiden Tage vor diesem sehnlich erwarteten Termin waren anstrengend: Die Kieler Woche haben wir weitestgehend links liegen lassen (das Programm ist ohnehin nicht überwältigend attraktiv, wir sind offensichtlich der Zielgruppe entwachsen), aber zwei Veranstaltungen in Hamburg und Timmendorfer Strand wollten besucht werden: Am Donnerstag fand das lang aufgeschobene Zucchero-Konzert statt und am Freitag wurde spät die Dance-Night der JazzBaltica mit den Dirty Loops gefeiert. Dennoch haben wir es fertig gebracht, die Wohnung für unsere Rückkehr in einen vernünftigen Zustand zu versetzen und die Santanita mit Urlaubsutensil zu bepacken. Nach fünf Stunden Schlaf hält es uns nicht mehr - es geht endlich los. Noch ein klitzekleiner Einkauf und dann die Busfahrt nach Schilksee - dann werden wir, natürlich begleitet von der Windjammerparade, den Heimathafen verlassen!
Im Kielwasser der Goch Fock und vieler anderer Großsegler, die die Windjammerparade der Kieler Woche formiert haben, laufen wir aus der Kieler Förde.
Das Wetter meint es gut mit uns. Ein kleiner Holeschlag lässt uns Bülk passieren und wir legen Kurs Nordwest auf das Sperrgebiet Schönhagen. Eine Freundin der Bordfrau sei eventuell in Damp zur Reha und bis zur Klärung dieser Situation planen wir kein Ziel. Erst als von dort eine Absage kommt, entscheiden wir uns für Hoerup - da sind wir gerne, und ein relativ umfangreicher Einkauf von Proviant steht auch noch aus. Die Sonne glüht und der schwache Nordost hat kaum Welle aufgebaut - schöne Segelei. Mehrfach sichten wir auf dem glatten Wasser Schweinswale, allerdings nie in einer Gruppe. Wir wissen nichts von den Gewohnheiten der kleinen Säuger, vermuten aber, dass sie typisch in Familien leben. Somit beschleicht uns die Sorge, das trotz der häufigen Sichtungen die Bedingungen für die Tiere eher schwer sind. Gerade einige Tage zuvor hat eine TV-Doku von dem Zustand der Dorschbestände in der Ostsee berichtet: Es gibt fast keinen Dorsch mehr. Wir verdrängen die traurigen Gedanken....
Der Wetterbericht ist unser ständiger Begleiter. Über dem Festland soll eine Zelle mit starkem Regen entstehen, die im Verlauf gen Norden zieht. Da wollen wir eigentlich hin. Also ändern wir den Plan und halten uns ein wenig östlich - neues Ziel: Mommark. Dort können wir zwar voraussichtlich nicht einkaufen, aber zwecks Vermeidung von Dreckswetter verzichten wir darauf gerne.
Wenig später schläft der Wind vollständig ein - der Diesel muss es leisten. Gute 90 Minuten später erreichen wir bei totaler Windstille den kleinen Hafen Mommark, den wir noch nicht kennen. Alle Plätze sind belegt, einige Päckchen haben sich schon gebildet. Ein Folkebootsegler bietet uns seinen Platz an, mit der Option, dann längsseits bei uns anzulegen. Wir freuen uns über diese Sportkameradschaft, lehnen aber dankend ab und gehen selbst ins Päckchen an einem großen, unbewohnten Motorboot - auch gut.
Obwohl es bereits nach 21:00 Uhr ist, hat der Hafenkiosk noch geöffnet. Wir bezahlen das Hafengeld, bekommen jeweils noch zwei HotDogs (echt lecker!) und können sogar Brötchen bestellen! Wir sitzen am Wasserrand, beobachten eine dänische Hochzeitsgesellschaft, lassen die Sonne untergehen und ziehen uns später auf unser schwimmendes Reich zurück.
Was für ein toller erster Tag: Schöne Segelei ohne Aufwand, schon die Gastlandsflagge oben, Sonne satt - das lässt die Anstrengungen der vergangenen Tage und Wochen sofort vergessen und Aussicht auf herrliche drei Wochen keimen! Wie versteinert schlafen wir ein.
26.6.2022 - Tag 2
Der Skipper und Autor dieser Zeilen zweifelt an seinem Vorhaben, den gesamten Urlaub zu bloggen. Die Sitzungen an der Konsole verfehlen den Abstand zum Alltag, trotzdem macht es Spaß, und es gab auch erstaunlich viele positive Rückmeldungen auf den Reisebericht 2021. Naja. Mal sehen, wie gut er durchhält!? Die Morgensonne weckt uns. Der Hafen ist noch absolut ruhig, bevor auch auf anderen Booten das Leben erwacht. Am Vorabend hat der Skpper einer X-Jacht die gesamten Hafenlieger über sein Vorhaben informiert, "noch einen Jackie" zu trinken - und noch einen - und noch einen. Der letzte "Jackie" hat ihn dann endlich auch nach hinten kippen lassen, auf jeden Fall war irgendwann Ruhe. Umgekehrt geht ausgerechnet von diesem Schiff am Morgen kein Muks aus - Jackie's Rache. Das Brötchenholen misslingt. Unter den bereitgestellten, mit Bootsnamen beschrifteten Tüten, fehlt die Santanita-Tüte. Karsten, der nicht der Hafenmeister sein will, sich aber um alles kümmert (bis zur Flaggenparade mit Hornruf am Abend zuvor) klärt auf: "Immer die gleiche Seiße, da hat wieder irgendeine Seiße gebaut!". Seine gute Laune ist ansteckend. Er besteht darauf, das Geld zurückzugeben, gibt uns aber trotzdem ein paar Brötchen von gestern mit. Klasse, unser Frühstück im Cockpit kann stattfinden! Die Brötchen sind typisch dänisch weich und sogar aus irgendeinem Grund bereits aufgeschnitten. Positiv: Das reduziert die Krümelei! Das Wetter ist wie am Vortag schwachwindig und sonnig. Wir laufen aus, mit unbestimmtem Ziel. Als Punkt der weiteren Planung wählen wir einen Ort vor der Durchfahrt zwischen Bagö und Arö, zwei Inseln inmitten des kleinen Belts. Im ersten Teil der Fahrt haben wir den Wind direkt von hinten und segeln entgegen der Konstruktionsidee unseres Bootes mit Butterflykonfiguration. So erreichen wir gut fünf Knoten. Die Vorhersage zeigt eine massive Veränderung der Windrichtung gegen 14:00 Uhr an. Dann soll der Wind von Süd-Südost auf West drehen und ordentlich zunehmen. Bis dahin lohnt es sich kaum, den Genacker zu setzen - vielleicht sind wir auch einfach ein bisschen faul. Es läuft ja! Wir strecken die Füße aus dem offenen Heck ins Wasser und relaxen während der ruhigen Fahrt - so geht Urlaub!
Unglaublich präzise vollzieht sich die Ankündigung. Wir erwischen den perfekten Moment für die Halse und nehmen mit dem zunehmenden Wind Fahrt auf. Bis zu zwanzig Knoten Wind werden wir messen, etwas mehr als für die Bordfrau entspannt erträglich. Der Skipper freut sich über die Fahrt über acht Knoten (das GPS verkündet einmal sogar 10,8 Knoten, wahrscheinlich ein günstiger Rundungsfehler!). Das Kielwasser sprudelt wild und die Santanita hebt ihr Luvruder aus dem Wasser. Den besagten Punkt der Entscheidung erreichen wir so sehr schnell. Dort müssten wir hoch an den Wind, wenn wir weiter gen Norden wollten oder können abfallen, wenn wir es für diesen Tag genug sein lassen wollen und in Assens halt machen wollen. Wir entscheiden uns für die seichtere Variante. Unser Urlaub soll kein Segelstress werden und die Signale der Bordfrau waren eindeutig. Also laufen wir den Hafen an, der nicht als romantischster Ort in der dänischen Südsee gilt. Für uns soll's in Ordnung sein. Wir können hier den ausgelassenen Einkauf nachholen und das für den folgenden Tag prognostizierte Regenwetter aussitzen. Assens präsentiert sich gnädiger als befürchtet. Auf der Werft an der Hafeneinfahrt ist Ruhe, denn es ist Sonntag. Im Hafen ist es gut geschützt und es gibt eine Menge freier Liegeplätze. Wir machen fest neben einem Paar mit einem älteren Segler, die sich direkt als "Profis" vorstellen, während sie unsere Leinen annehmen. Manchmal könnte man auf Hilfe verzichten, denkt die Bordfrau.... Am Abend holen wir nach, was seit fast einem Jahr aufgeschoben wurde: Im August '21 bekam der Skipper einen dieser hochmodernen, runden Grills geschenkt, die innerhalb weniger Minuten einsatzbereit sind und außen nicht heiß werden.Theoretisch könnte man damit an Bord grillen - das tun wir aber nicht. Der Grillplatz ist schön gelegen zwischen Hafen und Strand. Dort wird der Grill eingeweiht. Wieder eilt ein Paar vom Nachbartisch zur Hilfe, als das Anzünden nicht auf Anhieb glückt. Wir tauschen uns ein wenig aus über die Vor- und Nachteile dieses Grills, über unsere weitere Vorhaben bezüglich der Reise und über die Segelei insgesamt. Seemannsgarn?
27.6.2022 - Tag 3
An diesem Morgen weckt uns der Regen. Sofort sind wir zufrieden: Alles richtig gemacht, inklusive der Vorbereitung auf dieses Wetter: Alle Schotten und Luken sind dicht, die Handtücher am gestrigen Abend noch von der Reling in die Kajüte geholt worden. Wir können uns einfach in der Koje umdrehen und die Gemütlichkeit des an Deck prasselnden Regens genießen. Erst der Appetit treibt uns raus. Eine Regenpause nutzen wir für einen Ausflug in den Ort, frühstücken dort und ergänzen endlich den fehlenden Proviant. Nach der Rückkehr berichtet der "Profi"-Nachbar von einem Defekt an seiner Frischwasseranlage, für die er nun nach einem Ersatzteil fahndet. Er habe sich bewusst für die Beibehaltung der manuellen Pumpe entschieden. Das ganze elektrische Zeugs führe nur in die Abhängigkeit. Der Santanita-Skipper entgegnet, dass moderne Ausstattung auch den Komfort steigere; dass die eigene Frischwasseranlage funktioniert - im Gegensatz zu der vermeintlich bewährteren Installation, denkt er sich nur. Den ganzen Tag regnet es - mit kurzen Pausen. Unter Deck staut die Bordfrau Klamotten und Proviant an geeignete Orte, während der Skipper diesen Bericht verfasst.
Bei der Durchsicht unserer Ausrüstung kommt es zu einer erschreckenden Erkenntnis - es scheint ein Fluch über uns zu liegen, der zeitgleich auch das wirtschaftspolitische Geschehen widerspiegelt: Schon während des letztem Sommersegelurlaubs litten wir unter Gasmangel! Kurz rekapituliert: Während des 3-Wochen-Törns 2021 war die aktuell angeschlossene Gasflasche leer und die Ersatzflasche war ebenfalls leer! Dieses Jahr ist die Situation nur in Nuancen anders: Die aktuell angeschlossene Flasche ist nicht leer, aber in unbekanntem Füllzustand und die Ersatzflasche ist NICHT DA!! Der Skipper ist sich absolut sicher, nach der Rückkehr 2021 zwei neue Flaschen angeschafft zu haben. Aber wo ist die zweite? Alle Überlegung hilft nichts - sie ist nicht da, wo wir sie uns wünschen würden. Im Hafen gibt es einen Bootsausrüster und nebenan einen Campingplatz. Wir schöpfen Hoffnung für den kommenden Tag....
28.6.2022 - Tag 4
Der Regen ist durch. Unsere Gemütssituation ist unbetroffen von dem lichtarmen Tag. Schlimmer wiegt die Lage um den Kocher. Nach einem weiteren erfolglosen Versuch, eine passende Gasflasche zu bekommen, geben wir auf - zumindest für diesen Tag. Die Strategie heißt: HotDog, Pizza, Räucherfisch, Ernährung vom Dienstleister, wann immer möglich. Oder Grillen. So wollen wir Gas sparen für die Tage, denen wir entgegen sehnen: Ankerbucht, einsamer Hafen an der einsamen Insel.... Um diese Sehnsuchtsziele zu erreichen, müssen wir zunächst aus Assens weg. Zwar ist der Hafen seinem Ruf glücklicherweise nicht gerecht geworden, aber wir weinen auch nicht zum Abschied. Der schwach angesagte Nordost verleitet uns dazu, kurz nach der Hafenausfahrt den Genacker zu setzen. Leider werden wir durch die Küstenlinie und die Berufsschifffahrt auf einen zu spitzen Kurs gezwungen und der Wind ist doch stärker als angenommen, so beenden wir das Experiment Gleitfahrt kurz darauf wieder. Immerhin waren wir kurzzeitig ziemlich fix unterwegs und sowohl das Setzen als auch das Bergen des großen Segels haben gut geklappt. Zwei währenddessen eingeholte Segler, eine holländische, moderne 39-Fuß Yacht und eine X-332 'matchen' sich mit uns im nun wieder abnehmenden Wind. Zeitweise schläft er ganz ein, so dass wir mit dem Holländer sogar ein paar Worte wechseln können. Hinter einer Landspitze können wir abfallen und den Turbo erneut aktivieren. Das tut auch der Holländer. Erstaunlicherweise füllt sich sein pinkfarbener Genacker 80 Meter links von uns etwa zwei Minuten früher - das Windfeld hat ihn einfach zuerst erreicht - und er nimmt uns bestimmt 500 Meter ab. Dann aber nimmt auch die Santanita rasche Fahrt auf und der Abstand bleibt ziemlich konstant. An der Einfahrt in das Geschlängel südlich von Middelfart birgt 'der Gegner' das farbige Segel und wir schließen wieder auf. Als wir am gleichen Ort auch unseren Genacker bergen, sind wir einige Zeit mit dem Manöver beschäftigt und der Holländer ist um irgendeine Ecke entschwunden und wir haben ihn aus den Augen verloren. Heftiger Gegenstrom und schwacher Wind machen in den Kurven vor Middelfart den Einsatz der Maschine unumgänglich. Trotz des Störgeräusches sichten wir in der Meerenge einige Schweinswale - immer wieder schön. Der Skipper muss sich arg disziplinieren, um nicht erneut viele, viele Fotos von der wunderschönen Uferlandschaft und den Brücken zu machen. Er lächelt ein bisschen nach innen, als dieses Mal die Bordfrau dieser Verlockung nachkommt.
Auf der Suche nach Ruhe passieren wir die Häfen von Middelfart und laufen in Strib ein. Hier waren wir vor einigen Jahren schon einmal und haben eine erfreulich gute Pizzeria entdeckt. Das passt prima gut zu unserem Gas-Desaster und der daraus entwickelten Vorgehensweise! Der Hafen ist weitestgehend voll. Für unsere Santanita gibt es nur ein Plätzchen: Mittendrin, am Kopf eines verkürzten Steges, machen wir längsseits fest. Unsere Schöne dominiert das Hafenbild.
Die Pizzeria ist schnell wieder gefunden und erfüllt unsere Erwartungen. Es handelt sich eher um die Manufaktur eines Lieferservices, aber es gibt auch fünf Tische dort. Auf unsere Frage bekommen wir die Erlaubnis, hinter dem Haus an einem Gartentisch im Schatten sitzen zu dürfen. Offensichtlich sind wir im privaten Garten der Betreiber(-familie?) eingefallen. Die Pizza wird dort liebevoll mit der Hand zubereitet und ist wirklich klasse. In dem Garten blühen wunderschöne Blumen und die Bordfrau ist beeindruckt. Nach dem Essen erscheint aus der Hintertür der Küche ein freundlicher Mann und begutachtet seine Pflanzen. Schnell entsteht eine gemeinsame Schwärmerei über die Schönheit der Blüten, wobei die sprachliche Schnittmenge zwischen dem Dänen mit italienischen Wurzeln, der es englisch versucht, und uns, die wir außer Deutsch und Englisch leider gar nichts auf der Zunge haben, auf einer Metaebene stattfindet - Gesten, Lächeln, Augenzwinkern, Strahlen - Sympathie und Leidenschaft geht auch ohne Worte! Wir freuen uns über dieses zufällige Treffen und bedanken uns herzlich für den Zugang in die Privatsphäre.
Von unserem Premiumliegeplatz haben wir ganz zufällig auch noch den perfekten Blick auf den Sonnenuntergang, den wir mit einem Abendgetränk genießen - schön!
29.6.2022 - Tag 5 Der Hafen von Strib ist sehr ruhig. An irgendeiner Störung liegt es also nicht, dass wir früh aufwachen. Eher ist es der Wunsch, vor dem für den frühen Nachmittag zu erwartenden Regen im nächsten Hafen angekommen zu sein. Also fix ein Brötchen im Stehen und Leinen los. Später werden wir erkennen, dass diese Eile unangebracht war, denn der Regen bleibt aus - im Gegenteil: Wir erleben einen prima Segeltag. Dem etwas stärker aufkommenden Wind, gegen den wir kreuzen müssen, begegnen wir mit einem Reff im Großsegel, so dass die Fahrt absolut unangestrengt verläuft. Am frühen Nachmittag laufen wir in Juelsminde ein. Der Osthafen liegt völlig ungeschützt im inzwischen knackigen Nordost, aber es findet sich ein Liegeplatz im alten Hafen. Dort ist viel Betrieb - zu viel, um zur Ruhe zu kommen. Alle halbe Stunde kommt ein offener LKW mit einer Partyhorde auf der Ladefläche und ohrenbetäubender Beschallung durch den Hafen gefahren. Wir beschließen ohne zu zögern, dass wir am nächsten Tag weiter wollen - Ruhe ist das Ziel. Im Hafen gibt es mehrere Restaurants, ein Fischgeschäft und einen Eisladen. Letzterer ist offensichtlich ein gern aufgesuchtes Ausflugsziel für Motorradgruppen. Immer im halben Dutzend erscheinen Biker, die ihre Chromboliden in der Reihe zur Schau stellen, um eine Viertelstunde später mit gleichem Getöse wieder aufzubrechen. Wir starten einen Spaziergang durch den Ort Der kleine Yachtausrüster hat tatsächlich eine passende Gasflasche - leider leer. Das Fischgeschäft suggeriert den Verkauf regionaler Waren. Ostsee-Thunfisch? Trotzdem kaufen wir ein Stück Räucherlachs und später etwas Salat und ein Brot im Supermarkt - zusammen als Abendessen im sonnigen Cockpit angerichtet, haben wir eine leckere Sättigung und sparen Gas.
30.6.2022 - Tag 6
Der Skipper wird deutlich vor sechs Uhr von einer Überraschungsaktion der Bordfrau geweckt: Sie will ein morgendliches Ostseebad nehmen. So kommt es, dass wir um halb sieben in das kühle Nass steigen und natürlich augenblicklich hellwach sind - deutlich bevor Juelsminde in den Entertainmentmodus wechseln kann. Noch in der Ruhe der frühen Stunde haben wir geduscht und als das allgemeine Leben beginnt, machen wir das Schiff schon klar zum Auslaufen. Ein leichter Wind weht - natürlich genau aus der Richtung, in die wir wollen, aber unser Ziel ist nicht weit: Wir steuern nach Endelave, eine kleine Insel südlich von Samsoe. Dort, so hoffen wir, muss die Ruhe zu finden sein. Auf der Fahrt machen wir eine seltene Begegnung mit einem Seehund. Neugierig steckt er den Kopf aus dem Wasser und begutachtet uns mit seinen kugelrunden Augen. Als er genug gesehen hat, verschwindet er wieder in sein Reich unter der Oberfläche. Als wir gegen ein Uhr in den Hafen fahren, finden wir auf den ca. 50 Liegeplätzen nur rund zehn Boote vor, später werden es nur wenige mehr sein.
In der vorgelagerten Bucht liegen noch zwei Schiffe vor Anker.
Aus der Heimat werden wir mit dem AIS verfolgt. Ein befreundeter Skipper freut sich über unseren Aufenthalt auf Endelave. Er informiert uns darüber, dass der Hafen hier das schönste Klohäuschen von ganz Dänemark haben solle. Den Eindruck teilen wir nicht, wenngleich die Geschmäcker diesbezüglich natürlich sehr verschieden sein können, die Vielzahl der Parameter nahezu unüberschaubar ist und wir keinen vollständigen Vergleich haben. Erlaubt ist jedoch der Widerspruchsbeweis: Wir bevorzugen nach ausführlicher Diskussion das Häuschen in der Dyvig. Trotzdem ist das hiesige Örtchen weit vorne....
1.7.2022 - Tag 7
Schon eine Woche vergangen? Oder erst? Auf jeden Fall ist sie Geschichte. Apropos Geschichte: Diverse Daheimgebliebene verlangen ein Update unseres Reiseberichtes.... Der Tag präsentiert sich grau. Wir sind damit nicht unzufrieden, denn die vielen Sonnenstunden des Vortages haben uns ziemlich ausgelaugt. Etwas Pause davon kommt gerade recht. Am Nachmittag soll es regnen - Zeit, den Bericht zu aktualisieren. Zunächst aber erkunden wir die Insel vormittags mit einem kleinen Rundgang. Diese Abgeschiedenheit haben wir gesucht. Es vergeht eine geraume Zeit, bis wir überhaupt andere Menschen sehen. Die Flächen sind zwar bewirtschaftet, aber es gibt große wilde Wiesen und eine belassene Küstenlinie.
Der kleine Ort hinter dem Hafen hat eine Kirche und einen Höker, das war's. Auf der Insel leben 154 Menschen. Sicherlich kennen die sich alle untereinander. Bewohnt wird die Insel auch von einer Unzahl von Kaninchen. Wir sehen nur eine Handvoll, aber die meisten sind zu flink für Skipper's Fotoapparat, nur eines entwischt der Linse nicht. Scheinbar sind auch andere Tiere hier heimisch.
Als der Regen kommt, ziehen wir uns unter Deck zurück. Bei einem Gläschen erörtern wir die Reiseoptionen für den nächsten Tag. Bei einem weiteren Gläschen beschließen wir, an diesem Abend nichts mehr zu beschließen. Ein letztes Gläschen besiegelt diesen Beschluss - ab in die Koje.
2.7.2022 - Tag 8
Ein kräftiger Westwind hat die Nacht etwas unruhig verlaufen lassen. Zwar haben wir das Boot am gestrigen Nachmittag noch im Liegeplatz gedreht, so dass die Santanita den Wind auf die Nase bekommt und wir im Cockpit geschützt sitzen, aber die Vorleinen haben mit jeder Böe arg auf den Klampen geknartscht, und die Bordfrau hat dadurch nicht in den Schlaf gefunden. Skipper's Träume wurden nicht gestört, wahrscheinlich nicht zuletzt wegen der ausreichenden Beschlussgläschen. Aber der Wind, der am Morgen nicht nachlässt, hat natürlich auch noch eine zweite Konsequenz: Wir verlassen den Hafen heute nicht, haben einfach keine Lust auf Rock'n Roll auf dem Wasser. Und Endelave ist schön. Also machen wir einen weiteren Spaziergang, finden den Campingplatz, besser das Campingplätzchen: Eine Wiese, so groß wie ein halbes Fußballfeld, und nicht ein einziges Zelt steht da. Aber der Rasen ist frisch gemäht und die Saison ist vorbereitet - wir sind ja ziemlich früh im Jahr unterwegs. Auch das Café am Heilkräutergarten, das wir gestern besucht haben, war erst einen Tag geöffnet, und bei der Zubereitung unserer Getränke gab es merklich Anlaufschwierigkeiten, die aber sympathisch weggelächelt wurden.
Auf unserem Ausflug schauen wir in eine dieser Holzbuden, die einige Erzeuger von Obst und Gemüse am Weg aufgestellt haben. In dieser Bude sollte es Kartoffeln, Zwiebeln und Salat geben, aber just der Salat war bereits abverkauft. Der Inselbewohner bemerkte uns und erntete uns einen riesigen Kopfsalat, den wir uns am Abend schmecken lassen sollten. An diesem Samstag wird der Hafen deutlich gefüllt. Wir haben beiderseits Nachbarn, und nur noch wenige Plätze sind frei. Trotzdem bleibt diese ruhige Stimmung, die uns echte Entspannung verschafft. Erst am Abend hört der Wind auf zu heulen - endlich. Zeitgleich geht auch schon die Sonne unter - mit einem tollen Lichterspiel, das viele Hafengäste auf den Badesteg lockt, um massenhaft Fotos zu machen. Während die Bordfrau versucht Schlaf nachzuholen, sitzt der Skipper noch in der Plicht, verfasst diese Zeilen und verliert sich in Gedanken und Träumerei vom ewigen Reisen auf der See....
3.7. - Tag 9
Heute soll es weiter gehen. Die Wetteraussichten prognostizieren für den Vormittag Regen, danach einen moderaten Ostwind, den wir nutzen wollen. Und tatsächlich regnet es tüchtig bis 11 Uhr. Den Aufbruch planen nicht nur wir. Viele dänische Hafengäste waren über das Wochenende hergekommen, vermutlich aus Aarhus, Horsens oder anderen größeren Städten, um hier Ruhe zu schöpfen - die Stege waren dadurch relativ dicht belegt Wir machen nach dem Frühstück ein Ergänzungsnickerchen und laufen dann gegen 11 Uhr aus. Wir nehmen noch etwas von dem abklingenden Regen mit, können dann aber das leichte Ölzeug ablegen und die Sonne kommt raus. Der Seehund, der uns bei Anlaufen von Endelave begrüßt hat, verabschiedet uns wieder. Mit der sanften Brise laufen wir durch die Rinne zunächst gen Norden, um dann auf Westkurs gemächlich gen Jütland zu fahren. In der Einfahrt zum Horsensfjord gibt es die kleine Insel Hjarnö. An der engsten Stelle zum Festland liegen beiderseits kleine Häfen, die mit einer Fähre verbunden sind. Wir entscheiden uns für den Hafen auf dem Festland, weil der Inselhafen laut Beschreibung nur bei ruhigem Wetter komfortabel sein soll. Genau das wird aber nicht vorhergesagt - im Gegenteil. Wir stellen uns darauf ein, am kommenden Liegeplatz eine West-Starkwindphase von einigen Tagen abzuwettern. Der gewählte Hafen ist klein. Der erste angesteuerte Liegeplatz ist nur für 24 Stunden frei, daher verlassen wir ihn gleich wieder. Das nächste Anlegemanöver längsseits am 'Cafésteg' versemmelt der Skipper und wir touchieren ungewollt den Holzsteg - nicht schlimm, aber eigentlich sind wir lieber Konsumenten von Hafenkino als Darsteller. Nachdem wir fest sind, sehen wir erst den idealen Platz. Ein kompliziertes Manöver mit vielen langen Seilen dreht das Boot im Hafen um und lässt uns schließlich in der Wunschbox ankommen. Snaptun ist ein kleiner Fischer- und Fährhafen. Das Becken für Sportboote ist noch relativ neu, ebenso das Clubhaus des örtlichen Segelclubs. In diesem Vereinshaus ist ein kleiner Kiosk, der von einer asiatischen Familie betrieben wird. Aus dem Angebot wählen wir die Pommes-Variante - endlich! Die dänischen Pommes sind uns seit einem Schlüsselerlebnis in Soby als die besten Pommes der Welt in Erinnerung. Der Skipper konnte es also kaum erwarten, an die knusprigen Stäbchen zu kommen. Nach dem Essen überkommt uns schnell eine gesunde Müdigkeit. Wir sparen uns weitere Erkundungen für die kommenden Tage auf, denn absehbar werden wir uns hier einwehen lassen.
4.7. - Tag 10
Das Wetter gestaltet sich wie vorhergesagt. Ein böiger, kräftiger Nordwest hat sich etabliert. Wir sind sehr froh über unseren guten Liegeplatz und erforschen unsere Umgebung. Zwei Fähren haben hier ihr Terminal: Die kleine Fähre über den Horsensfjord nach Hjarnö und das etwas größere Schiff, das wir kennen, das nach Endelave fährt. Den Motor der kleinen Fähre erkennen wir bald, denn sie fährt immer hin und her, ungefähr 35 Mal am Tag. Sie stört uns nicht. Die große Fähre produziert erheblich mehr Unruhe, dafür fährt sie nur dreimal am Tag.
Der Hafen habe einen Minishop, hieß es im Hafenhandbuch. Nach einigen Suchen finden wir ihn - in Form eines Regals und eines Kühlschrankes in dem Imbiss, gefüllt mit allerlei Nascherei, Grundnahrungsmittel gibt es keine. Auch auf die Frage nach Brot oder Brötchen zum Frühstück bekommen wir keine positive Auskunft. Der nächste Supermarkt sei 5 Kilometer entfernt, erfahren wir.
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Das Vereinshaus ist eine Perle. Im Obergeschoss gibt es eine vollständige Küche, die von den Hafengästen genutzt werden kann. Alles ist modern und geschmackvoll eingerichtet. Zum Hafen hin gibt es eine Terasse, die einen hübschen Ausblick über die Liegeplätze, den Horsensfjord und die vorgelagerte Insel gibt. Hier kann man sich gepflegt niederlassen.
Der Verein bietet ein paar Fahrräder an, die kostenfrei genutzt werden können. Wir benutzen dennoch den Bus, um in das 5 Kilometer entfernte Glud zu fahren, um dort durch einen umfangreicheren Einkauf unseren Proviant zu ergänzen. Die Schlepperei wollen wir uns nicht auf dem Rad antun. Der Tag vergeht erstaunlich schnell. Kaum sind wir mit dem Bus zurück und die Dinge sind verstaut, da meldet sich das Hüngerchen und die Gemeinschaftsküche wird genutzt. Wir lernen dort eine charmante, ältere Seglerin kennen, die Mitglied im Snaptun Sejlklub ist und die uns die Nutzung aller möglichen Utensilien geradezu aufdrängt. Wir wundern uns, wie unterschiedlich Gastfreundschaft ausgeprägt sein kann. Wir fühlen uns sehr willkommen. Am Liegeplatz hören wir die ganze Zeit ein Geräusch wie ein Schluchzen oder Heulen. Es dauert einige Zeit, bis wir die geringe Bewegung der Ringe am Steg, durch die unsere Vorleinen gezogen sind, für diese klagenden Laute verantwortlich ausgemacht haben. Gegen die Geräuschbildung unternehmen wir nichts, ist die Ursache doch nun geklärt. Vorn am Steg beobachten wir eine Truppe Chartergäste eines historischen Großseglers, die wichtig von der Vernahme von Lauten von Robben sprechen und erfolglos nach den Tieren Ausschau halten. Wir haben die Ringe zwischenzeitlich "Wimmerringe" getauft und amüsieren uns.
5.7. - Tag 11
Es sind Details, die diesen Ort schnell liebenswert für uns erscheinen lassen: Das vermeintliche Oberhaupt der asiatischen Familie, die den Hafenkiosk betreibt, ist vom Segelverein offensichtlich auch zum Hafenmeister ernannt worden. Allabendlich geht der kleine, hagere Mann den Hafen ab, nimmt den Danebrog vom Mast und inspiziert die Liegeplätze. Wie zum Zeichen seiner Amtswürde trägt er hierbei eine Dienstkappe, die er vermutlich von seinem 1,90 Meter großen Vorgänger geerbt hat. Das sieht schon putzig aus.... Der Tag verläuft wettermäßig wie der Tag vorher: Stark windig, wechselnd sonnig und dicht bewölkt, mit gelegentlichen Schauern. Zum Segeln ist das nichts (zumindest nichts für uns), aber einen Ausflug auf die kleine Insel wollen wir auf jeden Fall machen. Die Fährüberfahrt dauert nur wenige Minuten, schon sind wir drüben.
Ein paar Schritte neben dem Hafen steht Dänemark's zweitkleinste Kirche.
Wir machen einen ausgiebigen Spaziergang an der Küste entlang und finden auch die Steinschiffe, die wohl ein Grab eines oder mehrerer Nordmenschen darstellen.
Viel eindrucksvoller ist die Rauheit der Natur, die Kargheit der Landschaft.
Beim Einsetzen eines Regenschauers suchen wir Schutz in einer Baumgruppe, um festzustellen, dass in dieser Baumgruppe ein liebevoll gepflegtes kleines Anwesen steht, mit einer Sitzbank unter einem Balkon. Wir nehmen diese Einladung dankbar an und verweilen, bis der Himmel wieder aufgeklart ist.
Rund um den Fähranleger stehen ein paar Häuschen, vor einem ein Zeltpavillion, darin ein Zapfhahn. Wie durch eine Wünschelrute geführt, hat der Skipper das 'Bryghuset' gefunden.
Eine Brauerei? Genau ermitteln konnten wir das nicht, aber eine Flasche Hjarno-Porter-Öl haben wir mitgenommen. Außergewöhnlich lecker ist das Gebräu, also lecker und außergewöhnlich. Und einen außergewöhnlich hohen geistigen Anteil hat es auch. Außerdem bringen wir von der Insel auch ein paar Erbsenschoten mit, deren süßen Inhalt man einfach so wegnaschen kann.
Wir haben schöne Eindrücke gesammelt. Die Welt scheint hier wirklich in Ordnung zu sein.
6.7. - Tag 12 Der Wind bleibt. Schade einerseits, weil wir segeln und andere Ziele erkunden wollen, andererseits ist die Situation so wunderbar, dass uns der Zwangsaufenthalt nicht schmerzt. Heute machen wir einen Busausflug ins ca. 15 Kilometer entfernte Horsens. Die Stadt hat ein kleines Zentrum mit Läden, Restaurants und Cafés, aber wir sind nicht in Shopping-Laune. Also erledigen wir unsere Einkäufe, auch Dinge, die in kleinen, grundversorgenden Supermärkten nicht zu haben sind, können wir hier bekommen, zum Beispiel diese Grill-'Stones' für den neuen HighTech-Grill, den wir weiter ausprobieren wollen. Die Bordfrau wird von einem Ohrenschmerz geplagt, vermutlich hat sie zu viel im Wind gesessen. Die Tage waren ungemütlich, auch die Temperaturen waren nicht besonders hoch. Selbst der Skipper hat lange Hosen anziehen müssen. Neben dem Stadtzentrum hat Horsens auch eine relativ große Marina. Darum herum entsteht eine große Siedlung, bestehend aus zeitgemäßer Architektur und künstlich angelegten Wasserwegen, ähnlich wie wir das im vergangenen Jahr in Aarhus vorgefunden haben. Schade, dass da keine eigenen Ideen umgesetzt werden. Auch Städtebau unterliegt offensichtlich Trends, denen dann alle Städte folgen. Aber immerhin entsteht Neues und die Baracken des einstigen Industriehafens weichen Wohnanlagen für die Menschen.
7.7. - Tag 13 Heute könnte eine Chance für die Weiterfahrt aus der Windvorhersage entstehen. Er soll etwas abnehmen und nach Nordwest drehen. Das wäre ein Halbwindkurs zurück in den Kleinen Belt. Angesichts der Ungewissheit dieser Vorhersage und der gesundheitlichen Angeschlagenheit der Bordfrau entschließen wir uns gegen die Abfahrt und bleiben. Minuten nach diesem Entschluss bestätigt sich die Richtigkeit dieser Entscheidung: Der Hafenmeister erscheint in Begleitung von Erik, der der Platzzuweiser des Vereins ist. Man erklärt uns in einem unsortierbaren Sprachkauderwelsch, dass am Wochenende 2000 Menschen für das große, traditionelle Muschelfest erwartet werden, einer davon Inhaber des Liegeplatzes sei, den wir morgen spätestens dafür räumen müssten. Wir könnten aber vier Plätze weiter liegen. 2000 Menschen sollen hier übermorgen auflaufen? Kaum zu glauben, aber eine Internetrecherche bestätigt dies: Miesmuschelfest in Snaptun
Wir zweifeln dennoch. Es sind keinerlei Vorbereitungen zu erkennen - und ob es hier überhaupt so viele Menschen gibt? Auf jeden Fall wollen wir das erleben! Es soll Musik geben und 2,5 Tonnen (!!) Muscheln sollen zubereitet werden! Auf jeden Fall hat dieser Tag eine versöhnliche Wende mit dem Wetter gezeigt: Es hat nicht geregnet und das Thermometer hat die 20°C-Marke wieder überschritten. Das darf gerne so bleiben. Spät am Abend finden wir auf dem Parkplatz einen Treckeranhänger mit 14 gefüllten Sandsäcken beladen, solche Säcke, mit denen man auf Großveranstaltungen Zelte vor dem Wegfliegen bewahrt. Ein erster Hinweis?
8.7. - Tag 14 Am Morgen hält es den Skipper nicht lange im Bett. Direkt nach der Dusche spioniert er auf dem Fischereigelände. Und tatsächlich: Ein großes Zelt wird errichtet, das Gerücht wird wahr! Aber bis zur Eröffnung des Festes ist noch Zeit und danach wollen wir endlich weiter - bzw. wir wollen dann den Rückweg angehen. Es soll auch durch den Kleinen Belt zurück gehen, und dort wollen wir möglichst einige Tage autonom sein, evtl. irgendwo ankern oder in kleinen Häfen unterkommen, die vielleicht keine Versorgung bieten können. Ergo heißt es noch einmal den Proviant aufzustocken. Diesmal nehmen wir dankbar die Fahrräder des Segelvereins und radeln nach Glud zu dem uns bereits bekannten Supermarkt.
Nach der Rückkehr berichtet die Bordfrau von ihrer Erkundung der Küstenlinie östlich des Hafens. Nun will sie ihre Erfahrungen teilen, und wir gehen die Strecke noch einmal. Es gibt einen Aussichtsturm, der um einen Baum herum gebaut unter dessen Krone führt.
Es offenbart sich ein großartiger Blick über den Fjord und die Insel gegenüber.
Ein bisschen weiter gibt es eine Einführung in die strategische Wichtigkeit dieses Ortes im Verlauf vergangener Auseinandersetzungen. Von der Anhöhe wurde der Zugang zum Hinterland mit Kanonen kontrolliert. An der Spitze der Küste sieht man, wie das Meer am Land nagt.
Als wir zurückkehren ist das aufgebaute Zelt voll belebt. Uns kommt ein freundlich angetüdelter Däne entgegen und motiviert uns glücklich grinsend zur Teilnahme an der Happy Hour - "Halve Pris!". Dem können wir nicht widerstehen und setzen uns dazu. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung - nur lächelnde Gesichter um uns herum. Worum es hier wirklich geht und was gefeiert wird, erschließt sich uns nicht. Wir vermuten, dass es sich um eine Art Probe für den morgigen Tag handelt.
9.7. - Tag 15 Und so muss es wohl auch gewesen sein. Heute wird der gesamte Platz mit Tischen und Bänken bestückt, ein zweites Zelt mit großen Gasbrennern unter noch größeren Töpfen wird aufgebaut und daneben stehen fünf Paletten mit Muscheln. Am Kopf des Geländes steht ein LKW-Auflieger, der mit Bühnentechnik ausgestattet wird. Hier wird nicht gekleckert! Doch bevor die Party steigt, hat der Skipper noch eine Pflicht zu erledigen. Weil er die Flasche mit dem gemeinsam genutzten Duschgel hat stehen lassen, will er für Ersatz sorgen und radelt allein noch einmal zum Supermarkt. Heute ist der (Gegen-)Wind heftiger und das geliehene Rad läuft nicht gut. Es wird später Vormittag, bis wir das Frühstück zu uns genommen haben. Kaum ist alles wieder verstaut, ruft das Muschelfest. Wie aus dem Nichts ist der Platz plötzlich rappelvoll und es gibt zwei irrsinnig lange Schlangen vor dem Muschelküchenzelt. Stapelweise werden Schüsseln mit den gekochten Schalentieren zu den Tischen getragen.
Auch wir reihen uns ein und bekommen unsere Portion.
Eigentlich ist der Skipper kein großer Freund von Muscheln, aber dieses spezielle Ambiente steigert den Genuss! Eine Band spielt offensichtlich bekannte Songs, erkennbar daran, dass viele Besucher mitsingen. Wir kennen die Songs nicht, dänischer Country-Rock, gekonnt und locker vorgetragen - das macht Spaß.
Überhaupt sind wieder ausschließlich lächelnde Gesichter zu sehen. Wir erinnern uns an die These, dass die Dänen das glücklichste Volk der Welt seien - alles sieht so aus, als wäre das wirklich so! Der Wind pfeift weiter aus Nordwest, stärker noch als gestern. Und es ist wieder eher bewölkt - kein T-Shirt-Wetter. Langsam machen wir uns Gedanken über unsere Heimfahrt. Wir haben einfach keine Lust auf 20 Knoten Wind und mehr. Erst am Sonntagnachmittag soll der Wind runter gehen. Na gut. Dann ist das eben so. Gegenwärtig ziehen Böen mit über 24 Knoten über den Hafen, draußen werden es 30 Knoten sein. Die Santanita zappelt in der Box und zerrt an den Leinen. Die für das Hafenfest gesetzten Flaggen werden einem Qualitätstest unterzogen.
10.7. - Tag 16
Der Wind lässt ein bisschen nach und dreht ein wenig auf Nordwest. Wenn wir heute nicht fahren, feiern wir Weihnachten in Snaptun. Nicht, dass das keine lustige Idee wäre, aber das echte Leben zwingt uns zu langweiligeren Realitäten. Eben diese Wahrheit zwingt uns, den Blick nach vorne zu richten und festzustellen, dass in der nun anbrechenden letzten Urlaubswoche wieder mit viel Starkwind zu rechnen ist und wir deshalb die komfortabel zu segelnden Wetterfenster nutzen sollten. Wir verabschieden uns mit einem weinenden Auge von der Entdeckung des Urlaubs und lassen uns von der kräftigen Brise gen Süden schubsen. Somit ist es klar: Der nördlichste Ort unserer diesjährigen Reise liegt hinter uns. Unser Ziel heißt Skaerbaek, ein kleiner Hafen inmitten der flussähnlichen Landschaft rund um Middelfart. Es gibt einige Empfehlungen aus Hafenhandbüchern und von einer benachbarten Damencrew. Mit dem weiterhin üppigen Wind in den Segeln rauscht die Santanita vorbei an dem bereits besuchten Hafen Juelsminde und am Vejlefjord hinein in die Meerenge vor Fredericia. Dort verlieren wir ein 'Match' gegen eine beeindruckend schnelle X-332 mit rabenschwarzen Segeln - das demütigt uns nicht. Die letzten Meilen fahren wir unter Maschine gegen den Strom. Auch heute sichten wir einige Schweinswale. Der Hafen von Skaerbaek überwältigt uns nicht mit Charme. Alles ist etwas steril, aber gepflegt und technisch in Ordnung. Das ist OK für uns, denn wir wollen ja nur übernachten und am nächsten Morgen weiter. Es gibt ein Restaurant am Hafen und eine Pizzeria, die uns einlädt, den Abend nicht mit Getüdel in der Kombüse zu verbringen. Also besuchen wir zwar den lokalen Supermarkt, aber eher, um nach Souvenirs und Mitbringseln zu spähen. Später gibt's dann dänisches Fastfood und ein belgisches Fassbier bei besagtem Hafenkiosk.
11.7. - Tag 17
An diesem Tag wird uns sicher klar, dass wir den Klimawandel erleben - wir sind Teil dessen, sind Täter und Opfer zugleich. Nach dem Ablegen aus Skaerbaek können wir zunächst einige Zeit segeln, dann schläft der Wind vollständig ein. Das ergänzt unseren Eindruck von der allgemeinen Wettersituation, und auch andere Seeleute bestätigen uns das: Entweder gibt es viel Wind, so wie gestern, oder gar keinen. Dir moderaten Phasen, die man (bzw. wir) als Segler eigentlich sucht, sind rar. Es bleibt keine andere Wahl, als die Maschine anzuschmeißen und somit in die Mitverursacherrolle zu geraten.
Das fühlt sich nur sehr mittelmäßig an - um uns herum zig motorende Yachten, von den Booten, die ohnehin auf Vortrieb durch Verbrennungdsmotoren setzen, einmal ganz abgesehen. Als wollte er sich beschweren, taucht bei der Ausfahrt in den kleinen Belt noch ein Sehund auf und begafft uns.
Während der Flautenfahrt fängt unser Rigg hunderte oder tausende Spinnenfäden ein, die - es kann nicht anders sein - über dem Meer durch die Luft schweben, mit deren Herstellerinnen, nämlich klitzekleinen Spinnen, die unser Boot besetzen. Das sich aus der Ansammlung der Fäden ergebende Bild wirkt gespenstisch - ein Beitrag zur Endzeitstimmung zum Thema Klimawandel.
Wir 'jockeln' bis zur Ausfahrt des Aarösunds. Dahinter setzt ein sanfter Südostwind ein, der uns zumindest derart in Fahrt bringt, dass der Maschineneinsatz nicht mehr notwendig ist. Aber nach gut zwei Stunden Segelei - wir haben so die Bucht mit der zentral gelegenen Insel Barsoe passiert - schläft auch dieses Windchen wieder ein und wir motoren in den Alsfjord und in die Dyvig. Die Bordfrau ist ein bisschen traurig, dass wir so viele Orte links (und rechts) liegen gelassen haben, die wir gerne noch erkundet hätten. Aber wir sind inzwischen für den Folgetag in Hörup verabredet, und das Wetterfenster hat uns die Vorgaben gemacht, zumindest empfinden wir das so. Und in der Dyvig ist es ja auch wunderschön. Dort angekommen sind wir überrascht, problemlos einen Liegeplatz zu bekommen. Es ist 18:00 Uhr und wir haben mit überfüllten Stegen gerechnet - aber besser ist es natürlich so! Wir haben Hunger. Weil wir uns dort gut auskennen, wissen wir, wann der Hafenmeister Erling den Grill anzündet. Alles passt perfekt zusammen, und so sitzen wir quasi direkt nach dem Anlegen am Tisch. Während der vergangenen Zeit hat die Bordfrau mehrfach Hinweise auf eine Tournee einer Musikgruppe gelesen, die in verschiedenen Häfen gastiert. Und als wollte sich eine Vorhersage erfüllen, steigen von einem größeren Segelboot direkt am Hafenzentrum ein paar Menschen mit Instrumentenkoffern und bauen ihr Equipment vor dem Grill-, Ess- und Treffplatz auf.
Das folgende kleine Konzert ist liebevoll menschennah und es entfaltet sich eine empathische Stimmung. Die Menschen singen die Lieder mit, die mit kleinem Instrumentenbesteck handgemacht dargeboten werden. Leider verstehen wir fast kein Wort, aber es müssen auch ein paar kritische Statements transportiert worden sein, denn es geht an einer Stelle wohl auch um die Ukraine und der Name Putin wird erwähnt. Wir hatten diese weltpolitische Misere weitgehend verdrängen können, aber natürlich ist sie nicht ausgestanden. Trotzdem bleibt die Veranstaltung am Ende fröhlich und wir ziehen uns mit einem angenehmen Wohlgefühl zurück.
12.7. - Tag 18
Es kann wieder gesegelt werden. Zwar ist der Wind schwach, aber wir kommen voran. Wir haben keinen großen Trip vor - nach Hörup soll es gehen. Im Alssund kommt der Wind dann unerwartet spitz von vorne, so dass wir drei Holeschläge machen müssen, aber der Anspruch, den Sund unter Segeln zu durchfahren, wird durch die stundenlange Jockelei des Vortages verstärkt. Also nehmen wir die Tücher nur kurz für die Klappbrücke runter und danach gleich wieder hoch und segeln in einen unserer liebsten Häfen. Wir sind mit dem befreundeten Seglerpaar von der Hedda verabredet, und die sind auch schon da. Nach etwas Unsicherheit hinsichtlich der richtigen Platzwahl sind wir fest in einer Box an der Westmole an einem neuen Steg, mit Blick auf die Bucht und mit dem Bug im Wind, der schon am Nachmittag wieder ordentlich aufdrehen soll. Genau aus diesem Grund sind wir verhältnismäßig früh gestartet. Wir grillen, sitzen abends lange beisammen und teilen unsere Erlebnisse. Die beiden haben sich die Möglichkeit geschaffen, weitgehend zeitlich ungebunden dem Leben auf See nachgehen zu können - das wollen wir irgendwann auch. Wir leeren die Pfützen in ein paar Flaschen und verkrümeln uns irgendwann in die Koje.
13.7. - Tag 19
Die Hedda verlässt uns nach einem gemeinsamen Frühstück, das wir zu sechst mit einem freundlichen Entenpaar eingenommen haben.
Der Tag ist windig, aber warm. Wir nehmen ein Bad, erledigen den Einkauf und freuen uns über einen vollständig pflichtbefreiten Verlauf. Unser Bordleben ist inzwischen so routiniert, dass wir damit eigentlich nicht mehr aufhören wollen, schon gar nicht in wenigen Tagen. Die Bordfrau schaut aber deutlich in die nahe Zukunft und ermittelt für die bereits angebrochene und für die kommenden Tage dauerhaft angesagte Starkwindphase ein Zeitfenster für die Abreise aus Hörup Richtung Kiel: Gleich morgen früh soll es losgehen. Wir reffen noch an diesem Abend im Hafen das Großsegel stark ein und bereiten unser Schiffchen auf eine raue Fahrt vor - in die Schlei oder nach Damp soll es gehen.
14.7. - Tag 20 Die Kaltfront ist nicht so kalt wie befürchtet, aber der Wind pfeift ordentlich. Knackige 5 Beaufort wurden uns angekündigt, in den Spitzen ist es das obere Ende von 6 Beaufort. Auch kommt der Wind nur zu Beginn raumschots, südlich der Schlei müssen wir ziemlich anluven und so sind es an Deck sicher 30 Knoten Wind. Aber die gute Einstellung auf die Sache, das zweite Reff im Großsegel und der Umstand, dass wir nicht noch zusätzlich große Wellen abreiten müssen, macht die Fahrt erträglich. Wir entscheiden uns für Damp, weil wir dann nicht gegen den Wind in die Schlei motoren müssen und weil es aus Damp kürzer nach Kiel ist. Bei dem vielen Wind ist die Fahrt natürlich rasant, wir haben dauerhafte Phasen von um die 9 Knoten auf der Logge, einmal sind es 9,4. So viel Wind hatten wir mit der neuen Santanita noch nicht - eine wichtige Erfahrung.
15.7. - Tag 21
Hier endet der Reisebericht, weil zwei Tage Resturlaub in Damp nicht weiter erwähnenswert sind. Auch die noch bevorstehende Querung der Eckernförder Bucht wird keine besonderen Ereignisse mehr mit sich bringen. Wir hatten eine gute Zeit. Vermutlich haben wir nicht den Höhepunkt des Sommers erwischt, aber nächstes Jahr haben wir eine neue Chance!
16.7. - Tag 22
OK, die Bordfrau reklamiert die Unvollständigkeit des Berichts, und schon sitzt der Skipper wieder an der Konsole. Also: More to come....
Tatsächlich gibt es noch zwei Erfahrungen, über die ein paar Zeilen zu verlieren sind: Im Hafen von Damp nistet ein Schwanenpaar. Die Küken sind vor einigen Tagen geschlüpft und die Eltern führen ihren Nachwuchs aus dem Nest in die Welt hinaus. Was wir noch nie beobachtet haben, ist, dass die Küken dazu unter den Flügeln der Alten Platz finden und quasi Huckepack durch den Hafen gepaddelt werden - äußerst komfortabel und natürlich maximal geschützt vor den offensiven Seemöwen, die in Damp einen üblen Ruf haben. Sie bringen durch hinterlistige Luftangriffe Menschen um ihre Brötchen und Pommes, und es wurde auch bereits ein Entenjunges verputzt - gut vorstellbar, dass die auch vor einem Schwanenküken kein Halt machen.
Und dann war da noch die Innovation des Jahrtausends - kurzer Rückblick: Als der Skipper noch kein Skipper war, war er in den 70er Jahren zu Besuch in Damp, damals "Damp 2000", um die Vision der Zukunft in der Namensgebung zu implizieren. Jetzt endlich, rund 50 Jahre später, findet die Zukunft in Damp tatsächlich statt: Hier klicken!
Und zum Schluss erklärt auch noch Skipper's Büx die Reise für beendet. Ein Krabbelmanöver in der Vorratskajüte hat das Textil über die Grenze seiner Belastbarkeit gezwungen - und natürlich die 10 Jahre vorher, in denen der feine Zwirn zur Lieblingshose aufgestiegen ist. Unüberwindbare Wiederbeschaffungsprobleme zeichnen sich ab.
17.7. - Tag 23
Heimfahrt. Dazu gibt es wirklich nichts zu schreiben.....
Es wurde allerhöchste Zeit: Eine ganze Saison und den Beginn der laufenden ist die Santanita ungeweiht über die Meere geschippert - die umgehende Seuche hat eine gebührliche Veranstaltung unmöglich gemacht. Nun aber war die Zeit gekommen: Durch Lotte's Hand hat unser schönes Schiffchen Rasmus' Segen erhalten! Die Santanita präsentierte sich zu diesem Anlass auf Hochglanz geputzt und über die Toppen geschmückt. Eine stattliche Zahl befreundeter Sportkameraden und Landratten nahm an der Zeremonie teil und wurde angemessen getränkt und genährt. Die Feier wurde auch durch den Schauer gegen Mitternacht nicht abgebrochen. Bis kurz vor der Morgendämmerung wurde weinselig unter Deck dem großen Moment gehuldigt. Dank noch einmal von dieser Stelle für all die lieben Wünsche und Geschenke!
Der sachkundige Leser wird diesem Bild eine Botschaft entnehmen können:
Die Botschaft lautet: Noch ist die Santanita fest vertäut an ihrem Liegeplatz, aber alles ist vorbereitet: Bald machen wir den Platz frei für Gäste und kommen erst in drei Wochen wieder zurück. Wir freuen uns sehr auf unseren Sommersegelurlaub!
In unregelmäßigen Abständen wollen wir an dieser Stelle von unseren Erlebnissen berichten - für Daheimgebliebene, Landratten, Freunde.....
19.7.2021 Der Tag hätte einen grauenhaften Verlauf nehmen können, nur Billy Joel konnte es vermeiden.... Nachdem wir am Vorabend unsere drei-Wochen-Heimat bezogen und am Abend beim Italiener in Schilksee eine Urlaubsbeginn-Pizza nebst Lambrusco zu uns genommen haben, sind wir hundemüde, aber voller Vorfreude in den Schlaf gefallen.
Am Morgen schlugen wir die Augen auf und haben uns gefreut über die gut verbrachte Nacht. Dann hat die Brodfrau begonnen, von den jüngsten Erfahrungen bei ihrer neuen Tätigkeit zu berichten. Dabei erwähnte sie den Schlager 'Du kannst nicht immer 17 sein' (Chris Roberts, 1974), der sich augenblicklich in das Gehör des Skippers einbrannte und als extrem lästiger Ohrwurm den Tag zu versauen drohte. Erst gezielte Beschallung durch US-amerikanische Singer/Songwriter-Kultur (Piano-Man, Italian Restaurant usw.) von oben genanntem Megastar konnte den Schmerz verdrängen.
Gegen 11:00 Uhr machten wir die Leinen los. Kurz vorher verließ die X-95 zweier Vereinskameraden mit demselben Ziel den Hafen. Wir gewährten ihnen den Vorsprung, empfanden aber sofort den herausfordernden Drang, die X einzuholen. Der frische Nordost ließ unsere Santanita gute Fahrt machen, allerdings stand eine alte Welle gegenan, so dass wir einige Male hart aufschlugen und massiv gebremst wurden. Mit etwas höherem Kurs holten wir auf und konnten nach zwei Dritteln der Strecke abfallend an der X vorbeiziehen.
Dann fuhren wir jedoch in die Landabdeckung durch die Insel Aeroe und Welle und Wind ließen deutlich nach. Mit den geänderten Bedingungen kam die X wieder auf und wir liefen ungefähr zeitgleich in die Rinne von Marstal. Zu einer ausführlichen Nachbereitung der 'Regatta' mit gemeinsamem Erfrischungsgetränk kam es am Abend leider nicht, weil die beiden X-Segler an Marstal vorbei fuhren, um einen entfernteren Hafen anzusteuern.
Die Marina von Marstal war total überfüllt, ein regulärer Liegeplatz war nicht zu finden. Der Sportskamerad von der SY Lucille schlug einen rustikalen Liegplatz quer hinter zwei Boxen vor. Als wir den schließlich kunstvoll vertäut hatten, bot der Skipper der Yacht, die wir 'eingeparkt' hatten, an, seinen Liegplatz aufzugeben. Dankbar haben wir den angenommen und in einer zweiten Geschicklichkeitsübung deren Platz eingenommen - endlich waren wir wirklich angekommen.
Erfreulicherweise gibt es im Hafen eine "Burger-Perle", die ihrem Namen alle Ehre machte und uns leckere, ungesunde Nahrung bereitete. Die dänischen Pommes suchen ihresgleichen, absolute Referenzfritten! Nach einer Dusche kamen wir zur Ruhe und ließen den Abend ausklingen bei Rotwein vom Vereinskameraden, der uns spontan besuchte. Ein sehr schöner erster Urlaubstag - dank Billy Joel!
20.7.2021 Nach dem Erwachen aus dem komaartigen Schlaf schmiedeten wir den Plan für den Tag. Knackger Nordost und die Perspektive auf Beruhigung am kommenden Tag ließ uns den Entschluss zu einem Hafentag fassen. Wir machen es uns gemütlich und kaufen ein bisschen ein, um ggfs. ein oder zwei Tage ohne Landgang auf dem Boot leben zu können. Marstal ist ordentlich belebt. Man merkt die Coronaseuche an keiner Stelle. Schade ist, dass der kleine Bäcker im Ort seinen Laden aufgegeben hat. So gibt es Backwaren nur noch im Supermarkt - ziemlich unromantisch. Für gutes Hafenkino sorgt unser Liegeplatz: wir liegen mit dem Heck an der Rinne, durch die alle Boote zu den Stegen fahren. Auf Höhe einer roten Tonne ist die Rinne ordentlich versandet, so dass fast jedes dritte Boot einmal 'nickt' oder ganz stecken bleibt. Alle Schlickrutscher kommen wieder frei, aber überraschte Gesichter gibt es viele!
21.7.2021 (verfasst von der Bordfrau) Heute früh um 8.45 Uhr heißt es: Bye bye, Marstal! Auf in den Norden! Und zwar so lange, wie uns der Wind antreibt...... Das haben sich wohl auch so manch andere gedacht, denn die Boote reihen sich wie an einer Perlenschnur in der Rinne von Marstal aneinander. Das leichte Ölzeug bewährt sich bei Westwind mit 3-4 Beaufort, bedecktem Himmel und einsetzendem Nieselregen. Die Bordfrau hat sich für diesen Urlaub mit dem neuen Boot vorgenommen, täglich mindestens eine Stunde lang das Ruder in die Hand zu nehmen, und so steuert sie die Santanita bis nach Rudkøbing, wo dann der Skipper übernimmt und das Schiff vorbei an Tåsinge und Thurø führt.
Svendborg lassen wir sprichwörtlich links liegen und machen uns auf den Weg höher in den Norden. Nun ist die Navigation auch einfacher, die belebten Rinnen von Marstal und Rudkøbing sowie die Brücke liegen hinter uns, der Nieselregen hat ein Erbarmen und verlässt uns.
Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für ein paar Schweinswale oder einen tanzenden Delphin. Wir hätten auch nichts gegen einige fliegende Fische, aber sie alle bleiben eine Tagträumerei. Wer weiß, was der Urlaub noch so bringt. Immerhin wurden wir in Marstal zuvor ja schon Zeuge einer kleinen Windhose, die sich wie aus dem Nichts rasant in einer Pappelallee aufbaute, um sich im nächsten Moment wieder spektakulär in Luft aufzulösen. Zauberei.
In Höhe des idyllischen kleinen Hafens Lundeborg an der Ostküste von Fünen nimmt der Wind merklich ab, es ist 14 Uhr, und wir beschließen, hier festzumachen, wenn der Wind es denn so will. Allerdings haben wir wohl die Rechnung ohne den Wirt gemacht, wie es so schön heißt, denn als wir in den Hafen einlaufen, dürfen wir elegante Dreierpäckchen und andere Bootkuscheleien in der Schneckenform des Hafens bewundern. Drei weitere Yachten tummeln sich in der Hafeneinfahrt, so dass wir den Rückwärtsgang einlegen und beschließen, weiter gen Norden zu segeln. Also das Groß wieder hoch und die Genua ausgerollt..... Jedoch ist die Segelei so schläfrig, dass auch der Bordfrau die Augen zuklappen und ihr Kopf nach vorne zu fallen droht. Der Skipper schmeißt deshalb den Motor an, und die restlichen Meilen zu dem ehemaligen Fährhafen Nyborg mit seinem hübschen Schloß werden motort. Eine Reisebiene begleitet uns.
Wir bewundern noch die Große-Belt-Brücke, ohne sie zu passieren, und suchen uns im Bootshafen von Nyborg ein tolles Plätzchen, an dem wir längsseits rückwärts anlegen. Nyborg heißt uns um 17 Uhr willkommen!!!!!!
22.7.2021 Der Liegeplatz in Nyborg erweist sich als echter Luxus: Nah am Zentrum, direkt vor den neuen Gebäuden des Hafenkontors, mit erstklassigem Funk-Internet - klasse. Einzig die Nachbarschaft trübt ein wenig die Freude: Die beiden Söhne knattern stundenlang johlend mit einem Motorschlauchboot durch das Hafenbecken und die Eltern freuen sich lautstark mit zwei anderen Paaren. Am späteren Abend kommt noch ein Schleppverband rein - ein Skipper hat ein in der Flaute treibendes H-Boot mit Motorschaden aufgenommen und das junge Paar vor der gigantischen Brücke über den großen Belt ans Seil genommen. Um 6:24 Uhr ist die Nacht zuende: Die Nachbarschaft legt mit dem großen Motorboot ab, nicht ohne sich von den Freunden zu verabschieden. Die Bordfrau der Santanita ist augenblicklich hellwach, und ihre innere Aufgewecktheit strahlt auf den Skipper aus, dessen Nachtruhe somit ebenfalls beendet ist. Wir beginnen den Tag mit einem kleinen Rundgang durch die hübsche Stadt und einen Besuch beim Bäcker. Nach dem Frühstück beginnt es zu nieseln. Wir ziehen uns unter Deck zurück und ergänzen ein wenig die zu kurze Nachtruhe. Geweckt werden wir diesmal von der erfolgreichen Reparatur des Außenbordmotors des H-Bootes. Einige Zeit nachdem der Mechaniker das junge dänische Paar verlassen hat, wollen die Beiden den Hafen verlassen, aber der Motor streikt erneut. Dennoch treten sie die Heimfahrt nach Kerteminde an, mangels Motorkraft unter Segeln. Wir finden das ziemlich optimistisch, denn für den Nachmittag ist erneut eine deutliche Flaute prognostiziert. Dieser Umstand und eine spontan entstandene Mischung aus Helfersyndrom und Aktivitätsüberschuss lassen uns doch noch ablegen, Nyborg verlassen und den Beiden folgen. Möglicherweise könnten wir heute die Abschlepper sein. Und überhaupt: Wir wollen weiter! Die Brücke über den Großen Belt ist gigantisch. Wir philosphieren, ob derartige, menschengemachte Bauwerke Fluch oder Segen sind.
Der Fehmarn-Belt-Tunnel wird zum Thema. Wir befürchten, dass der Eingriff zu groß ist und der Nutzen hauptsächlich wirtschaftlich. Muss man alles machen, nur weil es möglich ist? Kurz vor der Durchfahrt unter der Brücke schläft der Wind ein - wie angesagt. Unser kleiner Diesel schiebt uns unter dem Stahlbeton durch und danach über die spiegelglatte See gen Kerteminde. Plötzlich schnauft und platscht es direkt an unserer Seite: Vier Schweinswale umspielen die Santanita und planschen im Kielwasser. So dicht hatten wir die kleinen Säuger noch nie erlebt und uns erfasst eine Gefühlsmischung aus Freude und Pein, weil wir mit unserem Motor die Ruhe und die Unversehrtheit missachten. Ein paar Meilen später sichtet die Bordfau einen weiteren Schweinswal, diesmal weit entfernt. Gegen 16:15 Uhr laufen wir in der Marina Kerteminde ein, ganz klar viel zu spät, um noch auf einen Liegeplatz hoffen zu können. Der große Hafen ist total überfüllt. Wir laufen gleich wieder aus und fahren in den Handelshafen nebenan. Dort legen wir uns als drittes Boot ins Päckchen. Wir wollen nicht x-fach über die fremden Boote klettern und beschließen, nach dem Einkauf und dem Abendessen, an Bord zu bleiben. Morgen früh wollen wir im Zuge der Abfahrt der Yachten in der Marina einen regulären Liegeplatz erkämpfen.
23.7.2021 Der Plan gelingt: Durch frühes Aufstehen gelingt es uns, gegen 8:00 Uhr einen Liegeplatz in der Marina zu ergattern. Tatsächlich haben wir sogar ein bisschen Auswahl und wählen einen Platz, an dem die Abendsonne ins Cockpit scheinen wird. Wir machen Klarschiff inklusive Deckschrubben und nehmen das Frühstück, begleitet von allerhand Ab- und Anlegeaktionen anderer Boote. Kerteminde ist ein richtig netter, kleiner Ort. Wir spazieren durch das 'Zentrum' und finden einen hyggeligen Garten hinter dem Museum für historisches Handwerk. Was für ein Idyll! Wir trinken dort einen Kaffee und genießen die Atmosphäre zwischen Blumen und Schmetterlingen.
Vorher haben wir die Galerie KIK besucht, wo Daniela eine kleine Fachsimpelei zur Aquarellmalerei mit einer ausstellenden Künstlerin hielt. Passend zur bildnerischen Kunst gibt es handgemachte Musik mit einem sehr speziellen Instrument, einer Knopfgriff-Melodica.
Der Rundgang dauert nicht ewig und wir setzen uns mit unserer Trophäe, einer Portion leckerster, vollreifer Erdbeeren ins Cockpit unseres wunderbaren Bootes. Am Abend wird gegrillt und es gibt Aperol Spritz an Bord. Ein riesiger orangeroter Vollmond begleitet uns in die Nacht.
24.7.2021 Die Wetterprognose bestimmt unser Handeln: Für den Nachmittag ist ordentlich Wind angesagt und wir haben keine Lust auf Hardrock-Segelei. Also bleiben wir einfach hier. Das Erlebnisangebot von Kerteminde ist noch nicht ausgeschöpft und uns steht der Sinn nach Relaxing. Am Morgen nehmen wir ein Bad am Strand. Das belebt den Geist und den Körper. Schon nach dem Frühstück glüht die Sonne derartig, dass ein schattenspendendes Tuch über dem Cockpit aufgespannt werden muss. Darunter baut der Skipper sein mobiles Büro auf und widmet sich ein wenig der Realität des Lebens: Der Segelverein will im Herbst seine große Nachwuchsregatta ausrichten, den Goldenen Opti. Dafür sind vorbereitende Dinge zu tun. Die Bordfrau gibt sich derweil der Kunstausübung hin und skizziert den Partner. Es entsteht ein lustiges Bild.
Derart ausgelebte Kreativität erzeugt ein Hüngerchen, das wir mit etwas Räucherfisch und Salat befriedigen.
Ein Spaziergang auf die Südseite des Fischereihafens verschafft uns weitere Eindrücke des liebenswerten Städtchens Kerteminde. Es wachsen verträumte Gedanken an einen Ruhesitz. Am Abend kommt der Wind, wegen dessen wir den Hafen nicht verlassen haben. Die Wetterprognosen funktionieren also, wenngleich etwas zeitverschoben.
25.7.2021 Ein weiterer sonniger Tag mit tüchtig Wind - der Rest von dem, was am Abend vorher begann. Beim Frühstück nimmt das Boot im Liegeplatz richtig Lage.
Am Vormittag erhalten wir gleich mehrere Einladungen: Die SY Eule lädt zum Kaffee am frühen Nachmittag und die Segelyacht Hedda schlägt ein Treffen am kommenden Tag in der Ankerbucht von Langör vor. Beiden Verabredungen wollen wir folgen. Zunächst steht aber das FjordBaelt-Aquarium an. Dort wird umfangreich informiert über die Bewohner der Meeresregion, die Veränderungen und den Zustand. In einem großen Außenbereich werden zu Forschungszwecken ein paar Seehunde und drei Schweinswale gehalten und den Besuchern zu regelmäßiger Stunde während der Fütterung präsentiert. Seehunde bzw. Kegelrobben kennen wir aus dem Becken des Kieler Institut für Meereskunde. Die Schweinswale jedoch nehmen uns voll in Beschlag. Ganz offensichtlich gibt es da eine große Nähe zu den Pflegern. Die kleinen Säuger spielen mit den Menschen und lassen sich verwöhnen. Trotz der dargebotenen Nähe wissen wir, dass der verantwortungsvollste Umgang mit den frei lebenden Tieren eine respektvolle Distanz ist.
Auf der SY Eule werden wir mit Kaffee und Kuchen verwöhnt. Ausgiebiges Geplauder mit dem erfahrenen Seglerpaar lässt uns bis zum späten Nachmittag verweilen. Erst kurz vor Schließung schaffen wir es noch in den örtlichen Supermarkt, um uns für die kommenden Tage zu versorgen, an denen wir absehbar nicht einkaufen können werden. Wir haben keine Lust mehr, die eigene Pantry zu aktivieren und gönnen uns am Abend eine Pizza bei Kerteminde's Italiener Nummer 1.
26.7.2021 Der Starkwind ist Geschichte. Wir setzen die Segel und nehmen Kurs auf die Ankerbucht von Langör. Dort sind wir mit der SY Hedda verabredet. Die Fahrt verläuft abwechslungsreich: Hoch am Wind aus der Kertemindebucht, dann etwas tiefer als mit halbem Wind gen Norden. Der Sipper hat's vorhergesehen: Die Santanita wird langsam und andere Boote fahren vorbei. Während wir den Genacker vorbereiten, rufen wir einem Überholer zu 'Gleich kommen wir wieder!'. Als der Genacker dann steht, scheint die Ankündigung sich zu bewahrheiten.
Zügig holen wir zu der erheblich größeren Yacht auf. Das bleibt nicht unbemerkt und plötzlich beginnt dort reges Treiben an Deck und auf dem Vorschiff. Vorluk auf, Vorluk zu, Genua rein, Genua raus - laute Rufe und irgendwann zieht sich eine Textilwurst den Mast herauf. Mit geblähtem Spi beschleunigt das Schiff, fällt noch etwas ab und nimmt Kurs auf Nimmerwiedersehen. Nach zwei Dritteln der Strecke lässt der Wind nach. Eine tiefschwarze Wolke mit gelegentlichem Blitz und Gegrummel zieht auf uns zu. Wir bergen das große Vorsegel und bereiten uns auf das Unwetter vor. Aber wir haben Glück: Ein paar mittlere Böen und ein paar Tröpfchen bleiben alles, was wir auszuhalten haben. Beim Einlaufen in die betonnte Rinne zur Ankerbucht ist es tiefgrau und es gibt ein Regen. Aber all das ist fern von dem, was die Hedda, die bereits am Ankerplatz liegt, ihren Berichten zufolge erlebt hat: Heftige Gewitterböen mit Starkregen und durch den Sturm abreißende Wellenkronen - das will man nicht. Wir sind froh, dies nicht abbekommen zu haben. Wir ankern im Päckchen in der idyllischen und ruhigen Bucht. Überraschenderweise liegt auch eine weitere ELAN 310 direkt 50 Meter neben uns.
Nach dem Abendessen tauschen wir uns bei einem Erfrischungsgetränk aus über die bereits abgesegelten Etappen, die besuchten Häfen und einfach Dütt un Datt, und wir planen den nächsten Tag.
27.7.2021 In der Ankerbucht gibt es nichts außer Ruhe. Die wird aber am Morgen sehr früh gebrochen durch die Motoren der auslaufenden Yachten und durch die Ketten auf den Ankerwinschen. Auch wir holen nach dem Aufstehen und einem Kurzfrühstück das Eisen vom Grund (allerdings mit Armkraft) und machen uns auf, herum um die Nordspitze von Samsö und wieder südwärts, um auf der Westseite den Hafen von Marup anzusteuern. Die Hedda tut dies auch und so haben wir selbstverständlich eine Vergleichssituation. Obwohl wir früh die Maschine gestoppt haben und uns von der motorenden Yacht überholen ließen, haben wir sie an der Nordspitze wieder gehabt. Dann wählen wir aber die schlechtere Strategie und kommen als Zweite an. Wir einigen uns auf ein "Unentschieden". Die Natur von Samsö ist, wie man sie erleben will: Während an der Nordspitze die Sandbänke weich und lang ins Wasser münden, stehen an der Westküste schroffe Steilküsten. Was wir sehen, mutet an wie ein Bilderbuch: Auf einer Küstenweide grasen ein paar Kühe, Getreidefelder wiegen sich in den Böen. Vor dem blauen Himmel ziehen ein paar dramatische Wolken schnell vorüber. Neben dem kleinen Mastenwald des Hafens stehen ein paar Häuschen.
An den Stegen sind reichlich Plätze frei, so dass wir wieder mit den Freunden zusammen liegen können. Bei einem Spaziergang durch die Umgebung entstehen viele Bilder, aber ein Fotoapparat kann die Eindrücke nur sehr unvollkommen festhalten.
Zurück im Hafen gibt es Erdbeeren, die durch die Sommersonne reif und süß geworden sind.
Leider ist auch an diesem Tag nicht mehr viel dran und so halten wir es wie am Vorabend: Mit den Freunden Moni und Andi von der Hedda wird ein Gläschen genommen und die Strategie für die kommenden Tage erörtert. Es steht eine Starkwindphase an, die wir in einem Hafen abwettern wollen, der uns etwas Unterhaltung bieten kann. Unsere Wahl trifft auf Aarhus, die zweitgrößte Stadt Dänemarks.
28.7.2021 Auch der Schlag nach Aarhus könnte zur Wettfahrt werden. Allerdings entscheiden wir uns angesichts der knackigen Windvorhersage für ein gerefftes Großsegel, was auf dem ersten Drittel der Etappe klar zu wenig Fläche für schnelles Vorankommen bietet. Dennoch sind wir über den reduzierten Vortrieb später sehr dankbar. Nach einer äußerst ergiebigen Regenzelle kommt nämlich mehr Wind, und wir laufen immer mit Rumpfgeschwindigkeit, teils sogar ein bisschen darüber. Als wir Aarhus erreichen, befindet sich über der Stadt eine weitere dunkelgraue Zelle, die diesmal aber weniger Regen, dafür um so mehr Wind enthält. Außerdem müssen wir für die Hafenansteuerung etwas anluven, so dass der stürmische Wind der Bordfrau ordentlich Respekt einflößt. Als wir wenig später das Tuch geborgen haben und in den geschützten Hafen tuckern, sind wir froh, alsbald einen Liegeplatz gefunden zu haben - diesmal etwas entfernt von der Hedda, die von dem harten Wind angesichts ihrer schweren Bauweise erheblich weniger beeindruckt war und die mit uns ungefähr zeitgleich angekommen ist. An diesem Nachmittag machen wir nicht mehr viel. Nachdem das Schiff klar ist, untersuchen wir bei einem kurzen Rundgang die Umgebung. Wir finden einen Bäcker für den nächsten Morgen und staunen über die offensichtlich erst vor kurzer Zeit gebaute Siedlung mit zeitgemäßer Architektur. Unser heimischer Stadtfürst Kämpfer beschreibt Aarhus häufig als Vorbild für Kiel, aber wir hoffen, dass er nicht ausgerechnet dieses Viertel damit meint. Eng und hoch wird hier gebaut, wenngleich ambitioniert gestaltet, ist es schlussendlich doch eine Hochhaussiedlung, bei der die Funktionalität dem Lebenswert übergeordnet wird.
Später sitzen wir mit Moni und Andi im Cockpit der Santanita und beobachten einlaufende Boote, auch eine dänische Yacht, deren Crew unsere Blicke auffällig erwidert. Diese macht in einem angrenzenden Hafenbecken provisorisch fest und ein Crewmitglied kommt zu uns und erklärt, dass wir auf deren Liegeplatz liegen. Wir sind uns keiner Schuld bewusst, denn das Schild am Platz war grün, trotzdem müssen wir nun notgedrungen den Platz räumen. Um nicht ewig zu suchen, legen wir uns längsseits an das Ende zwischen zwei Stegen und finden das eigentlich einen noch besseren Liegeplatz als vorher. Neu vertäut setzen wir unseren gemütlichen Tagesabschluss fort und später in die Koje.
29.7.2021 Heute steht Kultur auf dem Programm. Das Wetter ist durchwachsen, sehr windig, und immer wieder ziehen Regenschauer durch. Ein perfekter Tag für einen Besuch des Museums of Modern Arts.
Wir bestaunen eine Menge toller Kunst, gerade kurz vor der Überdosis.
Der Rainbow-Walk auf dem Dach des Ausstellungshauses setzt dem Vergnügen das i-Tüpfelchen auf.
Bevor wir das Haus verlassen, durchstöbern wir noch den Museumsshop neben dem Museums-Cafe. Dort steht ein kleiner Flügel, und ein junger dänischer Pianist und Sänger unterhält die Gäste mit einigen Songs seiner Wahl. Als wollte er für uns einen Kreis schließen, spielt er "just the way you are" von Billy Joel, dessen Saxophonsolo dem Skipper seit der Abreise wie eingraviert im Ohr sitzt. Auf dem Heimweg nehmen wir einen Schauer mit, so dass unter Deck zunächst einige Klamotten getrocknet werden müssen. Bereits aus den vergangenen Jahren sind wir perfekt in Sachen Feuchtigkeitsmanagement - man weiß ja, wo man lebt! Die abendliche Vierer-Runde an Bord der Hedda findet aus gleichem Grund unter Deck statt. Plötzlich ist es Mitternacht und Andi hat Geburtstag. Als Ausgleich zu der dänischen Kunst gibt es jetzt Kölsche Lieder, denn Andi und Moni sind eingefleischte Karnevalisten. Der Sonnenaufgang ist nicht mehr fern, als wir leicht betäubt die Nachtruhe finden.
30.7.2021 Etwas unausgeschlafen starten wir mit Sekt und Pfannenküchlein von Andi in den Tag. Nach dem ausgiebigen gemeinsamen Frühstück beschäftigen wir uns mit den Dingen des täglichen Lebens. Aus der Heimat haben uns zwei saublöde Nachrichten erreicht, auf die wir gerne verzichtet hätten und die einigen Einsatz fordern, so gut das aus der Ferne möglich ist. Außerdem muss eingekauft werden, der Fahrtenbericht will vervollständigt werden und wir brauchen schlicht ein bisschen Ruhe, um etwas Schlaf nachzutanken. Die Hedda-Crew ist nach eigener Aussage kurz vor einem Hafen-Koller und verkündet abends, sich am kommenden Morgen in aller Frühe gen Tunö zu verabschieden. Das ist zwar nicht weit, aber es geht recht hoch an den Wind, und für uns scheinen die Bedingungen eher kantig. Also trennen sich unsere Wege - Grund für einen kleinen Abschiedsumtrunk.
31.7.2021 Wir sind das erste Mal in Aarhus und haben von der Stadt eigentlich noch gar nicht viel gesehen, so hat die Bordfrau noch großes Interesse an dem Botanischen Garten, den wir gleich nach dem Frühstück besuchen.
Insbesondere die tropischen Gewächshäuser begeistern auch den Skipper.
Dort werden in dem künstlich hergestellten, extrem feucht-warmen Klima exotische Pflanzen gehalten, und selbst einige Schmetterlinge bewohnen das Herzstück der Anlage - toll!
Ein vorhersehbarer Schauer treibt uns 'heim'. Die neue Santanita hat sich also inzwischen als unser Zuhause etabliert, nicht nur sprachlich. Gerade auf dem Boot angekomen und unter Deck eingerichtet, scheint draußen wieder die Sonne, und wir brechen erneut zu einem Stadtrundgang auf, diesmal ziellos, bzw. in Richtung zentraler Fußgängerzone. Wir entdecken die Kanal- und Brückenlandschaft, an der sich die Kieler Städteplaner womöglich bei der Gestaltung der Kieler Pinkelrinne (Holstenfleet oder wie immer) angelehnt haben. Sehr wohl modern, aber gleichsam stumpf reiht sich Laden an Laden, Cafe an Cafe....
Es scheint als seien alle Innenstädte mit Niederlassungen der gleichen Ladenketten versorgt - uns langweilt das und es fehlt uns an echter Identität. Lediglich eine HotDog-Bude haben wir in Kiel nicht, und so hauen wir uns eine 'risted' Variante der dänischen Fastfood-Spezialität rein. Gleich danach müssen wir vor dem nächsten Schauer in ein großes Warenhaus flüchten. Das Angebot ist nicht besonders speziell, lediglich die hohen Preise sind bemerkenswert. Auf dem Weg zurück zum Hafen ("nachhause") bekommen wir erneut einen Schauer ab und beschließen, dass dies unser letzter Ausflug für diesen Tag war.
Was wir vermutlich nicht mehr ergründen werden, ist das Nachtleben der Stadt, obwohl zu vermuten ist, dass da auch 'was geht.
Erstmalig in diesem Urlaub schmeißen wir die Unterhaltungselektronik an und schauen "Apollo 13" mit Tom Hanks. Auch deren Besatzung hat Probleme auf dem Heimweg.....
1.8.2021 Jetzt gibt es kein Vertun mehr - die letzte Urlaubswoche bricht an. Bereits seit ein paar Tagen suchen wir nach einem geeigneten Wetterfenster für einen Südkurs, bislang vergeblich. Der frische bis starke Südwestwind ist wie eingemeißelt und die Regenschauer mit ihm. So wird es auch heute kommen und weil wir keine Lust darauf haben, gegen den vielen Wind an zu segeln, bleiben wir einfach noch hier - ist ja nicht schlecht hier! Wir bekommen Besuch von einem Seglerpaar aus Warnemünde, das uns Grüße von unserem Vorbesitzer ausrichtet. Der hat sein neues Boot inzwischen auch bekommen, also müssen wir kein schlechtes Gewissen haben, einen Segler bootlos gemacht zu haben. Den Tag bringen wir rum, indem wir uns vorbereiten für den Schlag am nächsten Tag: Wasser auffüllen, das ganze im Boot verbreitete Zeug an Ort und Stelle verbringen, etwas Kartenarbeit und dann ab in die Falle. Wir wollen morgen früh los!
2.8.2021 Indem wir aus Aarhus auslaufen und Südkurs einschlagen, machen wir es amtlich: Aarhus war der nördlichste Punkt unserer diesjährigen Sommerurlaubsreise. Doch für ausgiebige Melancholie bleibt keine Zeit: Der Westwind ist frisch und hat tatsächlich eine kleine nördliche Komponente. Die Landnähe schützt vor Wellen und so beschleunigt die Santanita durchgängig auf über sieben Knoten, auch eine knappe neun war dabei. Die Entscheidung, wie lang der Schlag werden soll, haben wir bewusst offen gelassen. Juelsminde könnte reichen, aber wenn's gut läuft, könnten wir auch nach Fredericia durchziehen. Und es läuft sehr gut - also nutzen wir die Bedingungen und segeln an Juelsminde vorbei, um südlich davon hoch an den Wind zu gehen. Auf diesem Kurs macht der Wind erheblich mehr Eindruck und die Bordfrau muss sich erst darauf einstellen, aber die Gewöhnung gelingt. Tatsächlich schaffen wir es, die nördliche Öffnung des Kleinen Belts direkt anzusteuern und müssen nicht kreuzen. Erst in der Mündung wird der Wind so hart, dass wir entschließen, die letzten Meilen mit Maschine zurückzulegen. In der Marina Fredericia-Erritsö nach knapp 50 Seemeilen angekommen, finden wir sofort einen Liegeplatz und sind ziemlich erschöpft. Nachdem das Schiff klargemacht ist, geht der nächste Gedanke in Richtung Ernährung. Das Gemüse ist schon geschnibbelt, das Wasser soll erhitzt werden, da streikt der Herd - Gas leer. Kein Problem, denn wir haben selbstverständlich eine zweite Gasflasche an Bord. Die ist allerdings leider ebenfalls leer. Da hat der Skipper gepatzt, schlechte Vorbereitung.... So kommt dabei aber ein Besuch im Hafenrestaurant heraus, ein leckerer Burger mit rustikalen Fritten und einer Aioli, die keinen Vergleich zu scheuen braucht! Während wir im Restaurant sitzen, erinnert sich der Skipper an eine Beschreibung des Hafens in einem Hafenführer: Unruhig soll es hier sein, angesichts der direkt hinter dem Becken vorbeiführenden Straße. Das stimmt. Dass jedoch ausgerechnet heute der Asphalt dieser Straße abgetragen wird, topt die Beschreibung natürlich um Längen. Dabei dirigiert das im Konvoi hintere Fahrzeug, das den Asphalt ablöst und ihn über ein Förderband auf das vor ihm fahrende Sammelfahrzeug abwirft, per Hupsignal, um das Tempo zu synchronisieren. Ergebnis: Zehn Hupsignale pro Minute, infernaler Krach durch das Werkzeug, das den Asphalt abträgt und bestialischer Staub, der natürlich über den Hafen zieht. Die Entscheidung ist schnell gefällt: Morgen früh geht's weiter! Zum Glück ist die Straße lang und beim Verfassen dieser Zeilen ist es bald 23:00 Uhr und der Konvoi hat sich einigermaßen entfernt.
3.8.2021 Trotz des Lärms während der ganzen Nacht haben wir geschlafen wie die Murmeltiere. Die Segelei am gestrigen Tag war anstrengend genug für ohnmachtsartigen Tiefschlaf. Trotzdem wollen wir gleich wieder los, denn der Aufenthalt ist wirklich nicht attraktiv. Vorher wollen wir jedoch versuchen, zwei neue Gasflaschen zu kaufen. In gut zwei Kilometern gibt es laut Internet einen Händler, der das blaue Campingaz-Utensil verkauft. Nach einer guten halben Stunde Fußmarsch sind wir vor Ort ud erfahren, dass nur die kleinen Einwegfläschchen dort verkauft werden. Auch der benachbarte Supermarkt führt nur das dänische, 'gelbe' System. Wir beißen die Zähne zusammen und versuchen es bei einem Campingausrüster, einen weiteren Kilometer entfernt. Zwischenzeitlich beginnt es leicht zu nieseln. Der Campingausrüster hat ebenfalls nur die kleinen Fläschchen im Angebot, macht aber Hoffnung, dass das Schraubgewinde unseres Schiffsanschlusses passen müsste. Wir schlagen zu und erwerben zwei dieser Minibuddeln. Auf unsere Frage nach einer Busverbindung zurück zum Hafen zuckt er mit den Schultern. Also werden wir wieder latschen müssen. Die Bordfrau ist noch ziemlich mitgenommen vom Vortag, also wird das anstrengend. Vor der Tür spricht uns aber der freundlichste aller Dänen an und bietet an, uns zum Hafen zu fahren. Wir nehmen dankbar und glücklich an. Vielen Dank, Finn! Das war wirklich großartig von Dir! Nach dem Gasflaschenabenteuer legen wir gegen Mittag ab. Durch die Sundlandschaft rund um Midelfaart motoren wir, bis wir südlichen Kurs anlegen und der Westwind uns gut vorantreibt. Unterwegs treffen wir auf einige Schweinswale, darüber freuen wir uns immer wieder. Wir kommen gut voran und erreichen nach viereinhalb Stunden unser Tagesziel Aaroesund. Dort verpatzt der Skipper das Anlegemanöver total. Nichts wird gefährlich und es entsteht kein Schaden, aber für die Beobachter war das ein großer Spaß. Ein bisschen Einkauf muss sein und so machen wir uns wieder auf die Socken zum zwei Kilometer entfernten Campingplatz für ein paar Lebensmittel. Für diesen Tag haben wir unsere gesundheitsfördernden x-tausend Schritte getan!
Das Schraubgewinde der kleinen Gasflaschen passt leider nicht, und so haben wir nun zwei Minigasflaschen für den besonderen Verbrauch zu vergeben. Zum Glück war die Investition übersichtlich. Ebenfalls glücklich ist der Umstand, dass der Hafen eine Gemeinschaftsküche bietet. Dort können wir unser Gemüse erhitzen und verspeisen.
Abends in der Plicht sind wir ein bisschen betroffen, weil doch ein paar Dinge nicht so gut gelaufen sind heute. Aber für morgen steht Erholung in Aussicht!
4.8.2021 Wie angekündigt ist heute große Flaute. Nach den vielen Tagen mit starkem Wind ist das der pure Genuss. Wir hatten bereits am Abend beschlossen, einen Hafentag einzulegen. Die beiden Segeltage haben uns in sichere Erreichbarkeit der Heimat gebracht, schließlich müssen wir auch wieder termingerecht in Kiel sein. Da besteht jetzt kein Anlass mehr zur Sorge und so können wir einen Tag hier bleiben. An Aaroesund sind wir schon einige Male vorbei gesegelt und haben jedes Mal gedacht, dass es dort bestimmt recht idyllisch sein müsste. Dieser Eindruck bestätigt sich. Wir machen einen ausgiebigen Spaziergang und baden kurz am Strand.
Die Sonne verwöhnt uns und wir wünschten uns, dass es so bleibt, wir keinen Zeitdruck hätten und wir einfach bleiben könnten. Doch inmitten der Träumerei holt uns die Realität wieder ein: Ein Blick auf die Wettervorhersage zeigt, dass bis zum Beginn der kommenden Woche wieder sehr verschiedene Bedingungen zu erwarten sind, und so reift unser Plan für die Rückreise zu einem ziemlich konkreten Bild....
5.8.2021 Heute soll es moderat aus Südost wehen und nach 10:00 Uhr auch nicht mehr regnen, also wählen wir diesen Zeitpunkt für die Abreise. Ursprünglich wollten wir noch in die Dyvig, doch für den kommenden Tag ist schon wieder ordentlich Starkwind angesagt, so dass wir zu einem weiteren Hafentag gezwungen sein werden. Also wollen wir weiter an den Heimathafen heran, um diesen nötigenfalls an einem Tag erreichen zu können - das Ziel heißt Höruphav. Wir segeln toll schnell in Richtung Alsfjord, können dort gepflegt aufkreuzen bis zum Alssund und diesen problemlos hoch am Wind runter segeln. Wir suchen uns ein Anwesen am Ufer aus und denken, dass man dort gut leben könnte.
Die Öffnung der Klappbrücke in Sonderborg verpassen wir knapp, und so machen wir uns für eine Dreiviertelstunde provisorisch nur mit einer Vorleine an einem freistehenden Dalben fest. Die Segelei bis hierhin war dynamisch, aber jetzt kehrt Ruhe ein. Doch nach der Durchfahrt durch die Brücke gelangen wir direkt auf die offenene Sonderborgbucht und dort weht es nicht nur ganz ordentlich, sondern es steht auch eine hübsche Welle, die sich auf dem langen Weg über die freie Ostsee gut aufbauen kann. Die Bordfrau ist von dieser Umstellung leicht überfordert. Zum Glück ist der Schlag nach Hörup nicht weit und wir müssen nur einmal wenden. Im Hafen fest (erstmals mit dem Heck zum Steg, um die Sonne im Cockpit zu haben) arrangiert der Skipper das Abendessen durch einen schnellen Einkauf, während die Bordfrau unter einer heißen Dusche Entspannung findet. Beide Maßnahmen zusammen stellen wieder Urlaubsgefühl her. Obwohl die Segelfee den Aaroesund als schönstes Reiseziel unseres Segelurlaubs bewertet hat, lieben wir Höruphav sehr. Seit letztem Jahr geistert hier allerdings ein Hafenkasper über die Stege, der alle Sportkameraden mit total überflüssigen Informationen überschüttet, hauptsächlich über sich und seine unglaublichen Fähigkeiten. Wir sind dem Gespann (er hat immer einen Trabanten schräg hinter sich) bereits letztes Jahr begegnet und so können wir dem Rechtsanwalt (so erklärte er uns und 'heißt' deshalb in unserem Mund nun so) und seinem Sekretär (passend zur ersten Beschreibung) offensiv aus dem Weg gehen und Zeitverschwendung vermeiden.
6.8.2021 Bereits beim Aufwachen pfeift der Wind in den Masten, oder sind wir davon aufgewacht? Trotz des vielen Windes, der im Verlauf des Tages weiter zunimmt, ist die Luft warm und die Sonne scheint. Wir nehmen das Frühstück im Cockpit und freuen uns über jeden Krümel, den wir in den Mund bekommen, bevor er uns vom Teller weht. Der Spaziergang ins Landesinnere führt innerhalb von hundert Metern in den Windschutz, und dort ist es sehr sommerlich warm. Wir marschieren in das drei Kilometer entfernte Hörup, also den eigentlichen Dorfkern - dort, wo die Kirche steht.
Dieser Punkt ist leicht erhöht und man kann bis Augustenborg schauen. Auf dem Rückweg schauen wir nochmal im Supermarkt rein - ein wahres Shoppingparadies im Vergleich zu dem Campingplatzhöker von Aaroesund. Wir überlegen, welche Produkte wir ins Heimatland importieren wollen, die uns die zuhause vertrauten Supermärkte vorenthalten. Da gibt es schon ein paar Spezialitäten.... Da uns nach wie vor das Gas an Bord zum Kochen fehlt, schauen wir bei der lokalen Pizzabude rein. Wirklich lecker ist es nicht, aber wir sind satt und vorbereitet, um uns unter Deck zu verkriechen, denn am Abend soll es ziemlich regnen. Und dann, als wir auf dem Steg stehen und mit der Nachbarin über Wetterportale und deren Zuverlässigkeit sprechen, kommt die Kaltfront mit geradezu bilderbuchartiger Ausprägung. Eine dicke, schwarzgraue Walze schiebt sich von Südwest auf Hörup zu, dahinter sehen wir Blitze. Der Wind hat sich bis zu diesem Augenblick im Hafen auf bis zu 25 Knoten aufgebaut. Dann, ganz plötzlich, als die Walze greifbar nahe scheint, fällt die Temperatur um bestimmt 5 Grad und der Wind ist wie ausgeschaltet. Wenige Minuten später schüttet es aus Eimern. Ein beeindruckendes Naturschauspiel!
7.8.2021 Der Tag der Heimreise. Zum ersten Mal seit drei Wochen stellen wir uns den Wecker. Die Wetterfrösche prognostizieren für den frühen Nachmittag starken Regen mit nachfolgend unangenehm starken Wind. Um dem nicht zu begegnen, wollen wir früh los, und zu diesem Zweck klingelt der Wecker um 6:30 Uhr. Fix fertig gemacht, ein kleines Frühstück, eine kurze Verabschiedung von Liegeplatznachbarn, und los geht die Fahrt. In der Bucht vor Hörup ist kein Wind und so motoren wir die erste halbe Stunde. Außerhalb gibt es eine Brise, die unser Boot auf 5 Knoten antreibt, glücklicherweise steht keine übrig gebliebene Welle von den heftigen Winden des Vortags. So kommen wir recht hoch am Wind vorbei an Kalkgrund und Falshöft. Zwischenzeitlich ist die Sonne herausgekommen und eine dicke graue Wolke hat sich vertreiben lassen. Das Segeln macht Spaß, auch, als wir härter an den Wind müssen, um nahezu Südkurs zu fahren. Wir erreichen die Nordwest-Tonne des Sperrgebietes Schönhagen nach der ersten Wende und kreuzen mit zwei Schlägen zwischen der Küste und dem Sperrgebiet in Richtung Eckernförder Bucht. Bis hier hin hat alles toll geklappt. Gegen 13:00 Uhr hätte der Regen aufziehen sollen, aber mit Blick gen Süden zeigen sich nur einige Quellwolken, die nicht nach Niederschlag aussehen. Am Beginn der Eckernförder Bucht sammelt sich der Wind ein bisschen und wir müssen etwas fieren, aber das Sperrgebiet ist passiert und wir können zur Überraschung des Skippers Bülk direkt anlegen. Aus der Bucht kommt etwas mehr Wind als während der Fahrt an der Küste entlang. So laufen wir zeitweise 7 Knoten und es wächst die Zuversicht, ohne Regen in Schilksee anzukommen. Tatsächlich gelingt dies, obwohl kurz hinter Bülk der Wind einschläft - ausgerechnet dort, wo wir uns bereits einige Male über besondere, stärkere Windsituationen gewundert haben.
Fest am Liegeplatz lassen wir uns begrüßen und machen das Boot klar. Direkt nachdem die letzte Leine aufgeräumt ist, geht ein ansehnlicher Schauer mit tüchtig Wind durch den Hafen - perfektes Timing.
Das geschätzte Restaurant "Möwenschiss" wird uns am Abend verköstigen und wir verbringen die letzte Urlaubsnacht an Bord. Die neue Santanita ist nun unsere zweite Heimat.
Inzwischen ist der Juni fast vergangen, die Sommersonnenwende war vor einer Woche, und erschreckenderweise werden dementsprechend die Tage schon wieder kürzer.
Gefühlte Tausend Freunde, Vereinskameraden und andere Interessierte haben das Boot besichtigt und langsam kehrt etwas Ruhe an Bord ein. Einige Baustellen haben wir angegangen, so gibt es jetzt neue Aufbewahrungsboxen für Socken usw, zusätzliche Kissen, einen neuen Cockpittisch und eine gute Ordnung für die gesamte Ausrüstung. Es gibt einen neuen Cunningham, Ruckdämpfer in den Festmachern, eine 'Mini-Spring' für die schnelle Sicherung im Rahmen des Anlegemanövers in der heimischen Box und noch einiges mehr.
Die neue Santanita hat diverse kleine Wochenend-Törns hinter sich, Damp, Marstal, Søby. Wir haben schon eine gewisse Routine im Umgang entwickelt, selbst der Genacker wurde unter verschiedenen Bedingungen erprobt - nicht nur mit gutem Ergebnis. Die Erfahrungen sammeln sich und wir haben riesigen Spaß mit jeder Stunde, die wir an Bord verbringen.
Nun stehen die Urlaubsvorbereitungen an: Erste Getränke sind gebunkert und die Vorfreude wächst. Mitte Juli soll es losgehen!