9. Juni 2023 - Abreise
Da ist er endlich - der Sommerurlaub 2023. Wir sind dieses Jahr früh dran, weil der Kalender der Bordfrau fremdbestimmt ist. Der Skipper kann sich glücklicherweise drauf einstellen, und so haben wir unsere 'große' Auszeit bereits vor vielen Wochen festgeschrieben. Dass wir die Kieler Woche versäumen werden, macht keinen großen Schmerz. Wir haben mehr als genug Trouble im Alltag und suchen einfach nur Ruhe. Selten waren wir so abgespannt vor dem Urlaub.
Am Wochenende zuvor haben wir nochmal alles gegeben und den von langer Hand vorbereiteten Goldenen Opti mit den Verein über die Bühne gebracht - ein voller Erfolg. Dann kam die letzte Arbeitswoche, in der wir parallel alle möglichen Vorbereitungen getroffen haben: Wohnung (die aus Stein) klarmachen, so dass man bei der Rückkehr nicht gleich mit dem Putzen beginnen muss, Einkauf und Beladen der (schwimmenden) Zweitwohnung, Information von lieben Mitmenschen, Kollegen und Nachbarn, abschließender Papierkram, der in den kommenden drei Wochen nicht aus dem Ruder laufen soll, uswusf..... Ziel sollte sein, unmittelbar nach Feierabend am Freitag mit dem Bus den Hafen zu erreichen und direkt die Leinen loszuwerfen.
Und so haben wir es auch geschafft: Am 9.Juni um 16:00 Uhr verlassen wir den Heimathafen. Quasi zeitgleich fliegen die Imocas des Ocean Races in die Kieler Förde. Der knackige Ostwind, der sich über den Tag aufgebaut hat, lässt die Kohlefasergranaten auf der Außenförde weit aus dem Wasser tanzen. Eine ansehnliche Flotte von Sportbooten bildet das Geleit - soweit möglich, denn die Rennboote sind natürlich extrem schnell unterwegs.
Das Spektakel ist interessant, aber unser eigenes Bedürfnis geht uns vor. Außerdem sind die Kisten uns dann doch zu langsam. Wir wollen nicht auf die warten. Es ist zunehmender Wind angesagt, und dem wollen wir so weit wie möglich entkommen. Schon jetzt steht ein sportlicher Ostwind mit 5 Bft. auf der Strander Bucht und wir setzen gleich gerefft die Segel und fallen ab Richtung Norden.
Für diese Sommerreise gibt es ein paar Grundsätze: Kein Ziel, kein Ehrgeiz, ausschließlich Erholung und Wohlgefühl. Auch dieses Logbuch kann davon betroffen sein..... Also fahren wir über die Eckernförder Bucht, ohne zu wissen, ob wir in Damp, in der Schlei, in Sonderborg oder in Hørup ankommen werden. Nur die Richtung ist vorgegeben - durch den Wind. Der treibt uns ordentlich voran, an Damp sind wir vorbei, bevor wir drüber nachgedacht haben. Dann aber schlagen die geballten Vorbereitungsarbeiten der Woche wie ein Hammer ein: Der Skipper nickt ein und kurz nach seinem Wiedererwachen klagt auch die Bordfrau über massive Müdigkeit. Also geht's nach Maasholm. Zwar ist das ein Örtchen, das man auch an jedem Wochenende erreichen kann, aber was soll's - schließlich ist ja Wochenende! Kurz nach dem Festmachen brist es ordentlich auf. Gut, dass wir nicht weitergesegelt sind.
10. Juni
Am Samstag geht der Wind kaum runter. Wir bleiben im Hafen und nutzen die Zeit dafür, unsere Santanita wirklich vollständig vorzubereiten. In der vergangenen Woche haben wir das Utensil einfach nur an Bord gebracht, zweckmäßiges Stauen sieht anders aus. Das wird nun nachgeholt. Außerdem wird das Wasserstag repariert, ein paar Windfäden werden ins Großsegel geklebt und allgemein wird sauber und schick gemacht, damit wir uns total wohlfühlen. Und mit dem Einrichten kommt auch der erste Anflug von Entspannung bei uns an.
Am Abend knallt der Wind mit über 30 Knoten in den Hafen. Ein Ankömmling scheitert dramatisch am Einlaufen in seine Box und liegt nach seinem missglückten Manöver am Ende In Lee quer vor den Dalben in der Pappelallee. Mit ein paar Sportkameraden wird dem Segler geholfen, bis er ohne Schaden in seiner Box fest ist. Die Besatzung sieht ziemlich mitgenommen aus, und wir sind froh, nicht losgefahren zu sein.
11. Juni
Auch am Sonntag bläst es fast unvermindert weiter. es vergehen nur wenige Augenblicke, während derer der Wind deutlich unter 25 Knoten sinkt. Also beginnt unser Urlaub offensichtlich mit Hafentagen in Maasholm. Macht nichts, denn es ist bekanntlich richtig schön hier - und ruhig. Die Sonne verwöhnt uns den ganzen Tag und weil wir mit dem Bug gen Osten in der Box liegen sind wir im Cockpit gut vor dem Wind geschützt. So lässt es sich aushalten! Dies ist der erste Tag, an dem wir quasi nichts machen. Ein schönes Frühstück, ein Spaziergang durch den Ort, 'Chillen' im Cockpit....
Am Montag geht der Wind endlich ein bisschen runter. Es würde immer noch ziemlich ruppig werden, aber wir wollen endlich weiter. Also fahren wir mit fossiler Energie aus dem Hafen und gegen den Wind Richtung Schleimünde. Unterwegs beschließen wir, das AIS nicht abzuschalten. Wir wissen, dass einige Menschen unseren Törn 'beobachten'. Darunter gibt es welche, denen das Glück der Segelfreiheit durch blöde Krankheit aktuell nicht vergönnt ist und deren Sehnsucht in gewisser Weise durch die Verfolgung unserer Reise ein bisschen Frieden finden kann. Also nehmen wir die Transparenz in Kauf.
An der Mündung zur freien See angekommen, finden wir unsere Erwartungen bestätigt in Form einer stattlichen Welle, die direkt auf uns zu rollt. Die Santanita springt über die Kämme und gibt sich größte Mühe, uns nicht abzuwerfen. Mit reduzierter Segelfläche nehmen wir Kurs auf Als und bekommen die Dünung dadurch von der Seite. Das ist zunächst nicht besonders angenehm, aber nach einigen Minuten haben wir uns an die Schlingerei gewöhnt und es überwiegt die Freude am raschen Vorankommen. Wir entscheiden uns gegen die Fahrt durch den Alssund und somit für die Reise entlang der Ostküste von Als. Bald schon sind die großen Windräder von Kegnæs in Sicht und die Flensburger Förde ist passiert. Wir setzen die dänische Gastlandsflagge unter der Steuerbordsaling und haben augenblicklich das Gefühl, unserem Reiseziel, das es per Absprache ja gar nicht gibt, deutlich näher gekommen zu sein.
Als Wind und Welle es zulassen, reffen wir aus, um nicht zu langsam zu werden. Immer weiter reduziert sich die Geschwindigkeit, und als der Wind weiter achterlich dreht, setzen wir sogar unseren großen Gennaker. Aber auch der hilft nicht mehr, als wir uns nach kurzer Zeit in einer lokalen Flaute finden und tatsächlich noch einmal auf die Kraft des gebundenen Kohlenstoffes zurückgreifen müssen. Es genügt jedoch eine Viertelstunde Tuckerei, um ein neues Windfeld zu erreichen, welches unsere Santanita weiter treibt. Allerdings haben wir auf diese Weise einige Zeit verloren, zerschlagen deshalb die Idee fernerer Ziele und laufen Fynshav an. Dort waren wir schon und schätzen die Atmosphäre und die Ruhe. Der kleine Hafen wird von dem örtlichen Segelverein betrieben, der seine Einrichtungen freizügig zur Verfügung stellt. Lediglich die Veröffentlichung der Wassertiefe dürfte ein wenig genauer sein. Drei Versuche eine Box zu besetzen scheitern durch sanfte Grundberührung. Am Kopf des äußersten Stegs ist dann aber genug Wasser unter dem Kiel.
Außerdem gibt es in Fynshav in ein paar hundert Metern Entfernung einen gut sortierten Supermarkt. Wir wollen uns weiter ausrüsten, um möglichst unabhängig von Versorgern zu sein. Auf dem Weg zum Markt begegnen wir den örtlichen Intelligenzbestien, von denen eine uns (?) wiederzuerkennen scheint.
13. Juni
Nach dem Frühstück machen wir das Boot klar und laufen aus. Es weht ein frischer Ostwind, der für unseren Nordkurs perfekt ist. Die Santanita deutet an, was in ihr steckt. Dauerhaft zeigt die Logge knapp 8 Knoten an, manchmal auch ein bisschen darüber. Kein Boot um uns herum kommt da mit. Weil die Prognosen eine Drehung der Windrichtung zu unseren Ungunsten aufzeigen, ziehen wir nach dreieinhalb Stunden unsere erste Zieloption und steuern den Hafen der kleinen Insel Bågø an. Idyllisch, in nahezu karibischen Farben, präsentiert sich die Küstenlinie.
Wir sind sofort sicher, den richtigen Ort für uns ausgesucht zu haben. Hier gibt es außer dem kleinen Hafenkiosk nichts. Das Dutzend Boote mehrt sich bis zum Abend noch etwas, der Wind flaut ab, und nach einem kurzen Spaziergang genießen wir mit Unterstützung einiger Genussmittel eine herrliche Frühsommernacht im Cockpit.
Mittwoch 14. Juni
Während der Skipper sich einen Hafentag vorstellen könnte, beflügelt die Bordfrau die Phantasie von fernen Zielen. Von 'ganz früh Aufstehen und Losfahren' ist sogar die Rede. Aber wir bewahren die Ruhe. Erst als die Sonne wirklich hoch am Himmel steht, legen wir ab. Der Hafen liegt auf der windabgewandten Seite der Insel und so bekommen wir erst richtig Antrieb, nachdem wir uns durch einige windarme Zonen gehungert haben. Aber Eile ist uns ein Fremdwort und der Motor bleibt aus. In der Meerenge zwischen Assens und Bågø ist der Wind dann da, allerdings von vorne. Mit einigen Schlägen kreuzen wir ins freie Wasser des Kleinen Belts, hinter uns kommt eine große, moderne X-Yacht immer näher. Das Segeln hoch am Wind macht Spaß, besonders, weil sich keine Welle aufgebaut hat. Der dänische Skipper der X-Yacht grüßt, als sich unsere Schläge kreuzen. Er scheint die "Wettfahrt" anzunehmen und reizt die gesamte Breite der Enge aus. Auch wir optimieren den Stand der Segel und der Autopilot macht Pause. Spekulationen über die beste Strategie beginnen das Gespräch an Bord zu dominieren. Zwei Holländer müssen stark abfallen - der Wind hat etwas gedreht und wir wenden auf die günstige Seite. Das bekommt der Däne nicht mit und manövriert sich in eine unvorteilhafte Position. Mit vielen Längen Vorsprung gewinnt die Santanita das Rennen an einer von uns gedachten Ziellinie an der Einfahrt in die Enge vor Middelfart. Wir fühlen uns als X-40-Killer und laufen den Hafen von Strib an. Auch hier waren wir schon einige Male, aber es ist wunderschön und wir wissen, wo es die beste Pizza im Ort gibt. Im Hafen gibt ein Motorboot 'unseren' Liegeplatz frei, der optimale Sicht auf den Sonnenuntergang durch die Hafeneinfahrt gewährt. Dieser kommt früher als gefühlt erwartet, denn wir waren doch ein paar Stunden mehr unterwegs. Die Pizza und der Sonnenuntergang erfüllen unsere Erwartungen, und wir kippen zufrieden in die Koje - ein großartiger Tag!
15.Juni 2023
Am Donnerstag erleben wir etwas Außergewöhnliches: Über dem Hafen hängt eine dichte Wolkendecke! Während des Frühstücks beginnt es sogar zu regnen, und wir ziehen aus dem Cockpit in den Salon um! Aber schon als wir unter Deck das Besteck in die Hand genommen haben, hat es draußen aufgehört zu dröpseln. So schön das Wetter für unseren Sommerurlaub auch sein mag, die Flora der Umgebung bräuchte dringend Wasser. Beim Spaziergang am Vortag haben wir in fast allen Gärten rund um die Häuser grau-gelbe Rasenflächen vorgefunden. Da wächst sprichwörtlich kein Gras mehr, alles ist total verbrannt. Für den Moment verdrängen wir die daraus entstehende, düstere Gedankenwelt.
Der Tag vergeht wie im Flug. Wir machen das, was wir uns als einziges für den Urlaub ganz fest vorgenommen haben: Nichts. Am Abend besetzen wir eine der Sitzgruppen auf der Hafenmole, genießen den exklusiven Ausblick auf das ruhige Wasser und die das Bild dominierende Brücke, werfen unseren Grill an und verschlemmen bei sinkender Sonne unsere Trophäen aus dem Supermarkt.
Für den Freitag hat die Bordfrau eine total verrückte Idee entwickelt: Um einen größeren Schlag zu machen, will sie ein Zeitfenster nutzen, das gute Winde für das Erreichen des nächsten Liegeplatzes verspricht. Konsequenterweise ruft sie dafür eine Uhrzeit von 04:00 Uhr für das Leinen-los-Manöver aus. Mit diesem Vorsatz hauen wir uns in die Koje, um zumindest einige Stunden Schlaf zu bekommen.
16.Juni 2023
Als um 03:30 Uhr der Wecker klingelt, hinterfragen wir unsere Entschlusskraft erneut. Sich um diese Uhrzeit aus der Falle zu schälen, kostet schon etwas Überwindung. Aber die Bordfrau zieht durch - und der erlebnishungrige Skipper macht natürlich mit. Leicht verspätet legen wir um 04:15 Uhr ab. Schon nach wenigen hundert Metern legen wir Ruder Steuerbord und umrunden den Leuchtturm. Vor uns öffnet sich das Fahrwasser Snævringen. Auf nahezu spiegelblanker Oberfläche fahren wir in den Sonnenaufgang und sichten unzählige (naja, wir haben halt aufgehört zu zählen) Schweinswale und dreimal (bis drei können wir auch um diese Uhrzeit schon zählen) auch eine Kegelrobbe.
Diese Bilder, die wir nicht einfangen können, vergisst man nicht, und sie entschädigen locker für ein paar Stunden Schlaf!
Der Törn nach Hou gestaltet sich abwechslungsreich. Von totaler Windstille bis 16 Knoten Wind ist alles dabei. Auch bei der Richtung des Windes wird lustig geschwenkt. Einige Male müssen wir kleine Stücke mit Maschinenkraft ergänzen, aber schlussendlich kommen wir am frühen Nachmittag in Hou an.
Der Hafen empfängt uns mit ausreichend freien Boxen, so dass wir die Wahl haben, das Boot zur Sonne und zum wenigen Wind auszurichten. Man will ja nicht im Schatten frühstücken. Nach dem Klarschiffmachen holt uns mit einiger Macht die Müdigkeit ein und wir geben uns geschlagen. Ein Nachmittagsschläfchen schafft Ausgleich für die aufgegebene Nachtruhe.
Nach unserem Nickerchen lernen wir den Liegeplatznachbarn kennen. Er hat einen toughen Plan: An seinem Motorsegler ist der Propeller abgefallen, und er will das Ersatzteil unter Wasser montieren. Mit Neoprenanzug und Bleigürtel, aber ohne Atemgerät, bereitet er sich auf seinen Einsatz vor. Der Santanita-Skipper kennt ähnliche Projekte, war selbst oft genug unter dem eigenen Schiff, allerdings nur für Inspektionen, nicht für eine Reparatur. Nicht zuletzt, weil unbeaufsichtigtes Tauchen eine weniger empfohlene Aktion ist, bietet er dem Nachbarn Unterstützung an. Nach erfolgreicher Mission entwickelt sich ein freundliches Gespräch, und wir haben einmal mehr den Eindruck sympathischer Offenheit und Unbeschwertheit. Nach einer Ausfahrt mit Gattin am nächsten Tag erklärt er, wie er sich darüber freut, seinen Propeller verloren zu haben. Das glücklichste Volk der Welt eben....
17.Juni 2023
Der Hafen von Hou hat nicht viel zu bieten, auch das Örtchen dahinter scheinbar nicht - ein Fährhafen ohne viel Infrastruktur. Es wird gebaut und die Kommune ist sichtlich bemüht, einen Urlaubsort daraus zu schaffen. Das braucht aber wohl noch ein paar Jahre. Dennoch liegt über dem Ort diese dänische Aura, die nicht vernünftig zu beschreiben ist. Hier ist es nicht 'hygge', aber irgendwie lässig und positiv.
Am Steg nebenan liegen eine Menge kleiner Kielboote, die offensichtlich zu einer Sportschule gehören, mit Flaggen geschmückt und fein aufgereiht lassen sie eine Veranstaltung erahnen. Ein ordentliche Gruppe Jugendlicher ist zusammengekommen, und am Abend gibt es ein paar Pop-Grooves aus einem Ghettoblaster. Es ist den ganzen Tag flautig und vermutlich wird deshalb nicht gesegelt. Wir zumindest bleiben im Hafen und verleben einen weiteren wunderbaren und erholsamen Urlaubstag.
18.6.2023
Wieder hat die beste aller Navigationsspezialistinnen ein Wetterfenster für die Weiterfahrt ausgemacht. Dem Skipper tut's gut, dass er diesmal bis 07:00 Uhr in der Koje bleiben darf. Gen Osten soll die Reise gehen, nur ein kurzer Schlag nach Mårup ist geplant. Die leichte Nordbrise, die für den Morgen vorhergesagt ist, soll es uns leicht machen, noch deutlich vor Mittag dort anzukommen.
Als wir aus der Hafenausfahrt raus sind, verabschiedet uns wieder eine Kegelrobbe. Die vielen Flachs nordwestlich von Endelave sind ein bevorzugter Lebensraum dieser Tiere. Wir freuen uns, setzen Segel und genießen das vollkommen entspannte Gleiten über die vom sanften Wind nur leicht krause See. Trotz der frühen Stunde hat die Sonne bereits Kraft - leichte Kleidung ist angesagt.
Nach einem guten Drittel der angedachten Überfahrt packt den Skipper die tollkühne Idee, trotz der geringen Tiefe den Hafen von Tunø anzulaufen, der inzwischen querab in Sicht kommt. Vor zwei Jahren sind wir hier vorbeigefahren, aber es sollte doch möglich sein, vielleicht im Außenbereich genug Wasser unter dem Kiel der Santanita zu behalten. Gedacht, gesagt, beschlossen. Wir laufen Tunø an und finden einen kleinen Hafen, der gut gefüllt von den Wochenendausflüglern der umliegenden größeren Ansiedlungen ist. Problemlos finden wir am nagelneuen Mittelsteg einen längsseitigen Platz und behalten einen halben Meter Abstand zum Grund - perfekt!
An den vier Stegen herrscht reges Treiben: Viele der Gästen müssen morgen wieder zur Arbeit und am heutigen Sonntag deshalb die Heimreise antreten - wir nicht! Als die Flucht beendet ist, liegen noch rund zwei Dutzend Boote im Hafen und es kehrt Ruhe ein. Uns wird bewusst, was für ein Idyll wir entdeckt haben. Ein toller Badestrand ist gleich neben dem Hafen. Die Straße Richtung Inselmitte führt vorbei an einer Gaststätte zum heute geschlossenen Inselhöker. Natürlich trägt auch das Wetter zum ultimativen Urlaubsgefühl bei: Die Sonne glüht den ganzen Tag vom wolkenlosen Himmel.
Bei all dem Freizeitglück muss der Skipper trotzdem irgendetwas schaffen. Auch die Santanita ist ein Dauerbastelplatz und so eröffnet er eine Baustelle, die längst in ihm auf Bearbeitung drängt: Die Sprayhood bzw. deren Metallbügel sind in einer Art am Decksaufbau befestigt, die das bauartlich vorgesehene Umklappen verhindert. Üblicherweise liegt das Boot im Hafen mit dem Bug im Wind. so sitzt man im Cockpit geschützt. Bei den Temperaturen der letzten Tag ist dieser Schutz eher unerwünscht - lieber hätte man etwas kühlende Luft um sich herum und dazu müsste der Windschutz eben eingeklappt werden.
Nach einer halbstündigen, von der Bordfrau unterstützten Durchführung einer seit Wochen gärenden Überlegung ist es getan: Die Sprayhood lässt sich mit ein paar Handgriffen lösen und nach vorne umklappen. Warum das anders war, wird ein ewiges Geheimnis bleiben. Schade ist, dass durch die langjährige Fehlstellung das Tuch der Sprayhood sich derartig angepasst hat, dass es jetzt etwas unglücklich verformt scheint. Trotzdem bewerten wir den Umbau als Erfolg und überlegen weitere Optimierungen der Sprayhood - da geht noch was!
19.6.2023
Tunø ist toll! Hier sind wir dicht am Idealbild unseres Urlaubsziels, das es ja eigentlich gar nicht gibt. Wir machen einen ausgiebigen Spaziergang über die Insel und finden viele liebenswerte Gestaltungen ....
..... und überwältigende Panoramen....
..... - alles Postkartenmotive. Amüsant der Pragmatismus: Hier ist der Kirchturm gleichzeitig Träger für das Leuchtfeuer - in mehrfacher Sicht richtungsweisend.
Auf dem Rückweg beginnt der Magen zu knurren. Da trifft es sich perfekt, dass ein abgeerntetes Kartoffelfeld am Weg liegt. Wir 'stoppeln' einige ungefundene Knollen vom Acker und bereiten uns daraus später in der Kombüse einen tollen Tunø-Teller mit Möhrchen und Zwiebeln, die von einem offenen Stand im Dorf stammen.
Im Hafen ist es trotz (oder wegen) der Idylle ziemlich lebhaft. Es herrscht ein reges Kommen und Gehen. Die allerletzte Ruhe will hier nicht aufkommen, auch, weil wir am zentralen Steg liegen und viele Segler uns auf unser tolles Boot ansprechen. Das bauchpinselt, und der Skipper nimmt die Gespräche gerne an, aber die Inhalte wiederholen sich natürlich, und somit ist es auch ein bisschen langweilig und zeitraubend zugleich. So erwächst ein weiteres Kriterium für die künftige Liegeplatzwahl. Es geht nicht mehr länger nur um Windrichtung und Sonnenorientierung und Ausblick, sondern auch um weniger Belebung.
Bei einem Gang zur Abfallentsorgung tritt der Skipper in ein Loch und knickt fies um. Dadurch wird das vor einigen Wochen bereits lädierte Fußgelenk erneut beschädigt und schwillt bös an. Ab jetzt ist Schonung angesagt, damit der Rest des Urlaubs nicht in Mitleidenschaft gezogen wird.
20.6.2023
Um weitere Plätze kennenzulernen, fahren wir an diesem Morgen weiter. Es soll unser letzter Schlag nach Norden werden, und unser Ziel wird die größte Entfernung zum Heimathafen darstellen. Ebeltoft heißt der Ort, den die beste aller Bordfrauen ausgesucht hat.
Wir haben keinen Wind zu Beginn der Fahrt und müssen wieder auf den Antrieb aus dem Tank zurückgreifen.
Das angeschlagene Fußgelenk wird 'übers Heck' therapiert.
Eine Dreiviertelstunde brummt die Maschine, dann kann gesegelt werden. Inzwischen empfinden wir es als wohltuend, dass die Sonne sich für ein paar Stunden hinter einer geschlossenen Wolkendecke verbirgt. Wir kommen mit dem Eincremen kaum mehr hinterher und fühlen uns regelrecht gegerbt. Auch als wir nach einigen Stunden ankommen, brüllt der Stern uns wieder an.
Unterwegs queren wir den Weg der Schnellfähren, die das Festland mit der Insel Seeland verbinden. Bis zu 400 Autos und 1000 Menschen werden in einer guten Stunde mit rund 35 Knoten überführt. Das sind ziemlich beeindruckende Maschinen, aber sie scheinen auch arg deplatziert in dieser Umgebung.
Am Abend gehen wir ein bisschen durch den Ort Ebeltoft - trotz des strapazierten Fußgelenks. Wir haben keine Lust mehr auf die selbständige Zubereitung eines Essens und gönnen uns den Besuch einer Pizzeria. Den Sonnenuntergang beobachten wir aus dem Cockpit der Santanita. Es ist die Nacht vor Mittsommer. Mit einem großen Glas Portwein feiern wir 'rein'.
21.6.2023
Ebeltoft ist der Inbegriff eines hyggeligen Städtchens. Die Straßen der Altstadt sind gesäumt von schiefen Fachwerkhäusern mit den für die Region so typischen Stockrosen.
Die Straßen selbst sind schmal und mit Kopfsteinpflaster belegt. Da freut sich das Fußgelenk des Skippers! Am Ende der Hauptstraße befindet sich ein aus einer Malzfabrik neu gestaltetes, öffentliches Kulturzentrum mit einer Bibliothek. Von dem recht hoch gelegenen Gebäude bestaunen wir den tollen Ausblick über die Ebeltoft Vig.
Im historischen Hafen liegt die dänische Fregatte Jylland. Ähnlich wie die Passat oder die Rickmer Rickmers hat sie einen endgültigen Liegeplatz in einem Schifffahrtsmuseum erhalten.
Bis zum Abend weht ein frischer Wind, auch durch die Straßen. Wir beschließen, an Bord zu bleiben, dort zu kochen und zu essen.
Die Hafengebühr ist mit 180 Kronen etwas über dem Durchschnitt. Mit unseren 9,25 Metern fallen wir unglücklich knapp in die Kategorie von 9 bis 13 Meter. Was aber wirklich den Rahmen sprengt, sind die zusätzlichen 50 Kronen (rd. 7 Euro) pro Nacht für Strom. Das ist mehr als doppelt so viel, wie wir für die Energieversorgung unserer Stadtwohnung aufbringen und scheint total unverhältnismäßig. Wir beißen in den sauren Apfel, weil unsere Solarautonomie leider noch nicht alle Geräte bedient.
Heute wird nun wirklich Mittsommer gefeiert. Das Procedere ist ja bereits getestet und muss nur wiederholt werden.
Der Skipper ermittelt, dass hier die Nacht noch eine knappe halbe Stunde kürzer ist als in Kiel. Erstaunlich, denn so weit weg sind wir ja gar nicht. Obwohl eigentlich schon klar, machen wir fest, dass Ebeltoft der nördlichste Punkt unserer Reise ist. Mit Wehmut müssen wir erkennen, dass die Rückreise angetreten werden muss. Wo bleibt nur der Lottogewinn, der diesen Zwang bricht?
22.6.2023
Die Bordfrau beklagt seit Reisebeginn die lange nicht geschnittenen Haare. Hier in Ebeltoft fasst sie den Mut und bildet Vertrauen zu einem ortsansässigen Dienstleister in Sachen Frisur: "ZikZak" heißt das Fachgeschäft. Der persisch anmutende Däne beantwortet jede Frage und jede Bitte zur Durchführung des Haarschnitts mit einem Lächeln und "Yes, yes!", aber zum Schluss liefert er eine mehr als zufriedenstellende Arbeit ab. Die Bordfrau ist glücklich und nun endlich wirklich bereit für den Sommer.
Bezüglich der Rückreise erkennen wir für den Folgetag eine gute Gelegenheit: Nordwestwind ist prophezeit, und der soll uns in Südwestrichtung segeln lassen. Die Vorhersage scheint an der Obergrenze der komfortablen Segelei, aber eine weitere geeignete Lage ist für einige Tage nicht in Sicht. So planen wir einen frühen Aufbruch und einen weiten Schlag, um nicht in Bedrängnis bezüglich der Rückfahrt zu geraten. Die traditionelle Empfehlung "Ein Drittel der Zeit für die Hinreise, zwei Drittel für die Rückreise" haben wir ohnehin schon gebrochen.
Am Ebeltoft-Abschiedsabend setzen wir uns an die Mole und schauen den Sonnenuntergang an. Ebeltoft wirbt mit diesem Anblick, denn es sei der einzige sich nach Westen öffnende Hafen. Wir haben da andere Erfahrungen. Trotzdem erleben wir ein wunderschönes Schauspiel bis hin zu einem intensiven Rot am Horizont.
23.6.2023
"Leinen los" war für 7:00 Uhr geplant, und das halten wir auch. Pünktlich tuckern wir mit Westkurs los und entfernen uns von der Mole. Der Nordeinschlag des Windes ist hoch genug, um gleich auf die Maschine zu verzichten und hoch am Wind die weit hinausreichenden Flachs zu umsegeln. Nach einer knappen halben Stunde fallen wir ab auf Südkurs in Richtung der Landspitze der Halbinsel, die die Buchten von Ebeltoft und Aarhus voneinander trennt.
Bis dort baut sich der Wind immer weiter auf, und als wir an der Ausfahrt der Bucht anluven, um mit Südwestkurs Tunø und das vorgelagerte Windkraftfeld nördlich zu passieren, spüren wir den kräftigen Vorschub. Die Santanita neigt sich auf den Backbordbug und macht ordentlich Fahrt. Wir sind früh genug unterwegs, so dass sich noch keine große Welle aus der Aarhusbucht aufgebaut hat. Auch mit den Schnellfähren geraten wir nicht ins Gehege. So sind wir bald in der Abdeckung der Ostküste Jütlands und fahren bequem südwärts.
Als nächstes müssen wir mit den Untiefen vor Hou aufpassen. Natürlich sind wir vorbereitet und finden die geeignet tiefe Spur. Dann aber öffnen sich von Westen nacheinander der Horsensfjord und dann die Buchten vor Snaptun und Julsminde, aus denen es erheblich herauspfeift. Vor Julsminde überlegen wir, die Fahrt für diesen Tag zu beenden, aber da für die kommenden Tage keine ähnlich günstige Lage in Sicht ist, überzeugt der Skipper die Bordfrau zur Weiterfahrt. Allerdings müssen wir südlich von Julsminde wieder anluven und aus der Vejlebucht kommt richtig viel Wind - und Welle. Diese Kombination beeindruckt, aber wir hoffen darauf, dass östlich der Landspitze Kasserode zumindest der Seegang runter geht. So kommt es auch, dafür wird der Wind nun ruppig böig und verstrahlt. Am Ruder muss aufmerksam reagiert werden. Das kann der Autopilot nicht. Auf Höhe der Kaianlagen von Fredericia bergen wir die Segel und machen die Maschine an.
Eigentlich hatten wir mehr als ausreichend Zeit, um über den Hafen für die kommende Nacht nachzudenken. Nun aber, als wir ganz plötzlich vor Ort sind und vor der Entscheidung stehen, sind wir nicht sicher. Die Marina Fredericia ist in unseren Augen unattraktiv, beim Stadthafen liest man von Schlepperschwell und Straßenlärm. Wir sind abgerackert und wollen keine Experimente. Also runden wir den Leuchtturm und gehen wieder nach Strib.
Der Hafen ist in wenigen Minuten erreicht und 'unser' Liegeplatz ist frei - perfekt. Klarschiff, Höker, Würstchen mit Kartoffelsalat, und schon können wir der Anstrengung nachgeben. Wir erleben den Sonnenuntergang nicht mehr, aber wir sind froh, diesen langen Ritt gemacht zu haben, denn nun ist die Sorge um die Rückreise weg. Schließlich haben wir noch eine ganze Woche....
24.6.2023
Der Skipper findet es großartig, dass ihm die Törnplanung weitgehend abgenommen wird. Die Bordfrau hat das übernommen und die kommenden Tage im Blick. In Strib waren wir schon und sind am Vorabend nur für die Übernachtung noch einmal hier eingelaufen. Allerdings haben wir 'unseren' Liegeplatz derart lieb gewonnen, dass wir ihn für nächstes Jahr als besetzt markieren (natürlich nur für's Foto).
Wir ergänzen unsere Vorräte und machen uns also wieder auf den Weg. Zunächst mühen wir uns mit Dieselkraft gegen den Strom der Meerenge rund um Middelfahrt. Im letzten Bogen nehmen wir die Segel hoch und fallen ab gen Süden. Der Skipper äußert Skepsis angesichts einer dunklen Front, die sich von Westen nähert. Als wir das freie Wasser erreichen ist der Wind aus der Front da. Eine X-Yacht in unserer Nähe taucht ihren Baum ins Wasser, so hart wird sie von einer Böe erwischt. Wir luven stärker an und hangeln uns an der Windkante entlang. Gerade soviel Wind soll ins Segel, um vernünftig zu fahren, aber nicht so viel, um zu stark zu krängen. Wieder ist sensible Ruderarbeit gefragt. Trotzdem ist der ein oder andere ordentliche Ruck im Boot nicht zu vermeiden. Die Bordfrau ist davon nicht begeistert - und der Skipper auch nicht. Keine der von uns genutzten Wettervorhersagen hat diese Zelle kommen sehen. Irgendwie finden wir das auch gut so. Wie langweilig wäre das Leben mit vollständiger Vorhersehbarkeit. Vor unseren Augen zieht das unschöne Wetter ab. Von dem enthaltenen Regen, der einige Meilen vor uns erkennbar runtergeht, bekommen wir nichts ab. Der Wind hat uns gereicht.
Wir passieren die Insel Brandsø und geraten in einen Austausch über die Richtigkeit des Umstandes, dass diese Insel in Privatbesitz ist. Wir kommen nicht zu einem Schluss, aber die Zeit vergeht so wie im Flug und wir bemerken das Verringern des Windes und unserer Geschwindigkeit erst, als dies sehr deutlich wird. Noch eine knappe Stunde plätschern wir vor uns hin, dann muss wieder der Motor ran. Nach einer guten halben Stunde Brummfahrt auf einer vollständig glatten Wasseroberfläche steuern wir Aarø an.
Vor zwei Jahren waren wir auf der gegenüberliegenden Seite der Meerenge im Hafen Aarøsund. Dort hat es uns gut gefallen und wir haben mehrfach beschlossen, auch die andere Seite eines Tages zu besuchen. Dieser Tag ist heute. Vor der Hafeneinfahrt entsteht ein Wettrennen auf die Liegeplätze. Eine ebenfalls auf die Einfahrt zusteuernde Yacht beschleunigt erkennbar. Wir lassen uns nicht darauf ein und machen bei mittlerer Marschgeschwindigkeit schon Klarschiff. Tatsächlich kommt die Yacht einige Minuten vor uns an und nimmt den vermeintlich letzten Liegeplatz am Steg ein. Der Hafen ist klein und bietet für Schiffe mit größerem Tiefgang nicht viel Platz. Wir lassen uns von dem Hafenmeister, der mit seine Elektroroller auf der Mole hin und her eilt, einen Anleger an einer größeren Dänischen Yacht unweit der Hafeneinfahrt zuweisen. Dort liegen wir quasi im Päckchen, können aber übers Heck direkt an Land. Angesichts der zu erwartenden flautigen Nacht ist das in Ordnung, lediglich die unmittelbare Nähe der Fähre, die dreiviertelstündlich zum Festland pendelt, wird wohl stören.
So kurz der heutige Schlag war, so aufregend war er angesichts der unerwarteten Bedingungen auch. Zusätzlich steckt uns noch die zehrend lange Fahrt des Vortags in den Knochen. So lassen wir das eigenständige Zubereiten einer Mahlzeit am Abend aus und besuchen die Hafengrillbude. Cheeseburger mit Pommes dürfen es heute sein. Wir hinterlegen eine dänisch-hohe Münzmenge und schlagen uns die Bäuche voll. Nach einer Dusche, einem kurzen Gespräch mit den äußerst freundlichen Dänen, an deren Schiff wir fest sind, über deren Abreisepläne am kommenden Tag und einem Port zum Sonnenuntergang schlagen wir uns in die Koje.
25.6.2023
Während der Bootsmann wie versteinert geschlafen hat, ist die Navigationsoffizierin von den frühen Fahrten der Fähre geweckt worden.
Die allgemeine Unruhe in dem übervollen Hafen hat zusätzlich zu wenig erholsamem Schlaf geführt. Also ruft die Reiseplanerin am späteren Vormittag die Abreise aus. An einen einsamen Ort in der Gennerbucht soll es gehen. Dort würde man voraussichtlich mindestens zwei Nächte bleiben, da am Folgetag mit einer Gewitterfront zu rechnen sei. Der Skipper bestätigt die Planung als seglerisch machbar, und los geht die Fahrt. Vor uns verlässt ein Landsmann den Hafen. Mit einer Posaune schmettert er das Seemannslied "Ick heff mol 'n Hamborger Veermaster sehn", bekommt Applaus und legt dann die deutsche Nationalhymne nach. Weiteren Beifall bekommt er dafür nicht, und unser Nachbar erklärt "We prefer the danish anthem." - wir wundern uns über dieses ziemlich kuriose Erlebnis.
Wir haben ganz seichten Wind und müssen hoch ran. Das macht eine total ruhige Fahrt bei akzeptabler Geschwindigkeit. Unterwegs kommt es zum Äußersten: Die Bordfrau übt, was sie bislang als unmachbar beschrieben hat: Sie schläft während des Segelns - eine gute halbe Stunde zwar nur und auch nicht tief, aber eine ergänzende Erholung zu der ungenügenden Nachtruhe kommt doch dabei heraus.
Als wir uns dem Zielhafen Sønderballe nähern, ist der Skipper geradezu stolz auf die Planungskompetenz der Reiseleiterin. Ein schnuckeliger Ort liegt vor uns und ein kleiner, hyggeliger Hafen mit vielen freien Liegeplätzen.
Wir machen so fest, dass der Wind, der in der erwarteten Gewitterfront stecken soll, auf den Bug der Santanita trifft. Es ist 18:00 Uhr, als wir fest und klar sind. Die Sonne brüllt und der Wind ist fast weg. Wir machen einen kurzen Erkundungsgang an Land.
Der Hafen wird von einem Segelverein betrieben, nicht kommerziell von der Kommune. Entsprechend zahlen wir das Hafengeld beim Verein an einem reizenden Vereinsheim, in dem gerade ein paar Mitglieder beisammen sitzen. Der Zahlungsautomat ist defekt, aber man versichert uns, man habe uns ja als zahlungswillig erkannt und das sei dann auch in Ordnung. Die Sanitäranlagen befinden sich in einem Häuschen am Hafen, das ganz offensichtlich ebenfalls durch den Segelverein errichtet wurde. Dies wird erkennbar an der Bauweise, denn es ist innen, genauso wie die meisten Segelboote, aus GFK laminiert und von außen mit Holz beplankt
Nahe des Hafens befindet sich ein Campingplatz mit Höker. Dort werden wir Brötchen bekommen und von dort fährt ebenfalls ein Bus nach Apenrade und Hadersleben, falls wir Erlebnishunger bekommen sollten. Wir essen ein Eis und machen uns auf den Weg zurück zum Boot. Nach den drei Tagen Segelei freuen wir uns geradezu auf das Abwettern und Rumhängen im Hafen.
An dem Blick auf die Bucht können wir uns kaum satt sehen. Abends sichten wir mehrere Schweinswale. Nur ein paar herumknatternde Motorboote stören.
26.6.2023
Der Vormittag beschert uns eine Bruthitze mit höchster Luftfeuchtigkeit, so das wir den Regen als Erlösung geradezu herbeisehnen. Die Gewitterfront kommt wie vorhergesagt. Wir können uns fast minutengenau darauf einstellen. Toll, was mit den zeitgemäßen Wetterbeobachtungen und -prognosen machbar ist. Ziemlich spektakulär kommt die Front über die Bucht.
Schon von Weitem kann man den Regen kommen sehen, und die Böen in der Front bringen unser schwimmendes Heim mächtig in die Schräge. Nach dem Regen folgt der ebenfalls erwartete Westwind und ein Temperatursturz von ca. 8 Grad.
Den Tag verbringen wir zu großen Teilen unter Deck, weil es draußen wirklich ungemütlich ist. Um nicht vollkommen bewegungslos zu bleiben, machen wir nachmittags einen Spaziergang zum Hafen Kalvø. Auch hier hätten wir festmachen können und hätten ein ganz ähnliches Glück empfunden.
27.6.2023
Über der Bucht bleibt der Starkwind, draußen ist es richtig stürmisch, und wir sind froh über unseren halbwegs geschützten Liegeplatz. Immerhin müssen wir nur das Geschaukel im Hafen aushalten, zu segeln wäre ganz sicher kein Spaß für uns. Also machen wir einen Ausflug mit dem Bus nach Åbenrå. Vielleicht haben wir etwas zu viel erwartet, aber die Stadt heimelt uns nicht ein. Einzig ein Laden, der sich um Musik und Hifi-Technik der 70er und 80er Jahre kümmert, erwärmt unser Herz. Dort gibt es jede Menge Vinyl (zu erstaunlichen Preisen), Plattenspieler und Kassettenrecorder, man wird katapultiert in diese Zeit zurück, Nostalgie und Melancholie vermischen sich. Ansonsten gibt es in der Flaniermeile einen Kaffee und ein Stück Schokoladenkuchen, danach einen Gang durch den Supermarkt, und dann war's das auch für uns.
Überrascht hat uns nur die Busfahrt, genauer die Ticketpreise. Auf der Hinfahrt hat uns der Fahrer 72 Kronen abverlangt. Im Bus zurück sollen wir 54 Kronen bezahlen und bekommen zwei Tickets à 26 Kronen. Das kommt halt dabei heraus, wenn die gesamte Abwicklung irgendwelchen Systemen überlassen wird: Ahnungslosigkeit und Dyskalkulie. Fortschritt hat einen Preis.
Zum ersten Mal seit unserer Abreise erklingt am Abend in unserer Reiseplanung wieder der Name 'Kiel'. Das schürt den Urlaubsende-Blues. Aber zunächst steht für morgen Hørup auf dem Programm. Von dort ist die Heimat dann innerhalb eines Tages erreichbar und diese Zielsetzung ist mit Blick auf die Wettervorhersagen plausibel. Der Sommer scheint eine Pause machen zu wollen.
28.6.2023
Wir verlassen Sønderballe an einem sonnigen Vormittag. Als der Ort über's Heck kleiner wird, rutschen wir durch die Enge zwischen Festland und der Insel Barsø und geraten auf die freiere See. Dort ist feiner Segelwind und wir kommen mit guter Fahrt über die Åbenrå-Bucht. Im Alsfjord kommt der Wind dann derart achterlich, dass das Vorsegel immer wieder im Windschatten des Großsegels einfällt. Wir müssten vor dem Wind kreuzen, aber es mangelt uns an Engagement. Richtig schneller sind die Boote um uns herum auch nicht. Also schippern wir in Ruhe auf die Untiefentonne vor dem Sund zu, an der wir sowieso anluven müssen und wieder vernünftig segeln können. im Sund bekommen wir dann zu sehen, wie verkehrtes Engagement sich darstellen kann. Eine übermotivierte Crew auf einem modernen 38-Füßer muss unbedingt mit Gennaker durch die schmale Rinne. Das Ufer, von dem der Wind einfällt, ist teils bewaldet, teils frei, teils bebaut, und über eine große Brücke führt eine Autobahn. Dass der Wind hier böig und vertrahlt auf die Boote trifft, ist wenig überraschend. Entsprechend fällt der Auftritt der großen Yacht aus. Mal fällt die Blase ein, um kurz danach wieder mit einem Schlag am Mast zu reißen. Der Steuermann versucht durch heftige Lenkamplituden die Dynamik ein bisschen rauszunehmen - mit mäßigem Erfolg. Für andere Boote in der Nähe wird das fast gefährlich. Wir halten Abstand und beobachten das Spektakel kopfschüttelnd.
An der Klappbrücke in Sønderborg sind wir alle wieder zusammen. Die Crew mit dem Gennaker hat nördlich der Brücke festgemacht. Die Art, wie das Großsegel auf dem Baum aufgetucht ist, lässt noch den Stress erkennen, dem die Herrschaften sich ausgesetzt haben. Vermutlich gibt es unter Deck gerade ein Beruhigungsgetränk - oder eine gepflegte Aussprache.
Nach der Passage der Brücke fahren wir wieder mit Achterstagbrise in die Bucht vor Hørup. Beim Bergen des Großsegels treffen uns wie aus dem Nichts ein paar knackige Böen, die dem Skipper die Mütze vom Kopf reißen. Beim Versuch, die blöde Kappe zu bergen, verreißt er das Bergemanöver. Die Kappe bleibt inklusive des Kragenzwickers, der seine Mangelhaftigkeit in diesem Augenblick unter Beweis gestellt hat, ein Opfer der See.
Bei der Suche nach einem Liegeplatz im Hafen patzt der Skipper gleich nochmal, weil das Boot derart vertreibt, dass der Motor einmal richtig hochdrehen muss, um den Kontrollverlust zu vermeiden. Es entsteht keine Gefahr und schon gar kein Schaden, aber die Vorführung war alles andere als souverän und sorgt natürlich für unerwünschte Aufmerksamkeit. Die zweite Anfahrt einer Box klappt dann, und nachdem wir fest sind, gehen die Böen auch wieder runter. Wir waren einfach eine Viertelstunde zu früh.
Da wir am Vormittag relativ spät losgefahren sind, ist die Zeit trotz des nicht allzu langen Schlages schon etwas fortgeschritten. Deshalb wollen wir den Service des Hafens in Anspruch nehmen, die für die Seglerschaft befeuerten Grills zu benutzen. Wir finden jedoch Schilder vor, die ein Grillverbot verkünden. Die Brandgefahr ist angesichts der Trockenheit zu hoch. Dafür haben wir Verständnis. Es wurde allerdings ein Gasgrill angeschafft und der soll als Ersatz dienen. Mit einem fix zubereiteten Salat, etwas Brot, einigem Grillgut und zwei gekühlten Getränken nehmen wir einen Platz bei dem Gasgrill ein. Allerdings tut sich da nichts in Sachen Befeuerung. Zwischenzeitlich ist der Salat bereits verputzt und das Bier auf nahezu nüchternen Magen zeigt Wirkung. Schließlich kapitulieren wir und konsultieren die Hafen-Pølser-und-Fritten-Bude. Auch gut. So sind wir wenigstens ordentlich satt, als wir uns zu einem gemütlichen Abend im Cockpit aufs Boot zurückziehen.
29.6.2023
Der heutige Donnerstag soll eher zugig und auch etwas regnerisch werden, wohingegen der Freitag viel Sonne und guten Wind verspricht. Die weiteren Aussichten auf das Wochenende sind eher nicht so schön. Viel Regen und viel Wind lassen den Entschluss reifen, bereits am Folgetag die Heimreise anzutreten. So haben wir noch einen ganzen Tag in Hørup. Den nutzen wir zu einem ausgiebigen Frühstück (nach dem ernüchternden Grillerlebnis des Abends zuvor) und danach zu einem Einkauf, der uns einige dänische Lieblingsprodukte in den heimischen Kühlschrank bringen soll.
Abends versuchen wir es dann erneut mit der Grillerei. Wir bekommen eine verbindliche Zusage von der Hafenmeisterin, dass der Grill heute angeworfen werden wird. Also packen wir unsere sieben Sachen wieder zusammen und begeben uns zum Ort des vorabendlichen Ausbleibens. Dort nehmen wir den Grill richtig in Augenschein und stellen fest, dass das riesige Gerät ganz offensichtlich noch nie benutzt wurde. Während unserer Inspektion kommt eine mittelgroße Gruppe dänischer Männer in dem Grillhäuschen zusammen. Das ist schon ein bisschen auffällig, aber eine Veranlassung können wir nicht erkennen, und wir haben mit unserer Grillerei genug zu tun.
Es kostet etwas Überwindung, den unbenutzten Rost zu 'verunreinigen', aber irgendeiner muss den Anfang machen.
Unsere Würstchen zischeln zaghaft vor sich hin, da erscheint zu den rund zwanzig Dänen ein einundzwanzigster. Dem wird sofort geholfen, eine riesige Kühlbox neben dem Grill zu platzieren und dann geht's los: Der Grill wird nun richtig eingeweiht. Aus der Kühlbox kommen zwei große Tabletts hervor, auf denen rund zwei Dutzend der größten Koteletts gestapelt sind, die wir je gesehen haben. Fluchs werden alle Zonen des Gasfeuers entzündet und die Tierteile bekommen die Hitze zu spüren. Mit sehr grobem Mehrsalz werden die Stücke noch beworfen - das war's an Grillkunst. Es gibt dänisches Bier und wir hören zufriedene Männergespräche, von denen wir kein Wort verstehen, aber die Stimmung gut wahrnehmen.
Was für ein Lehrstück an Grillkultur!
30.6.2023
Wie geplant fahren wir an diesem Freitag aus Hørup los gen Heimat. Nicht ehrgeizig früh, aber auch nicht zu spät angesichts der vor uns liegenden gut 30 Meilen, legen wir ab. Der Wind ist bedeutend schwächer als noch vor 36 Stunden vorhergesagt. Wir hatten bereits über ein Reff spekuliert, aber die Bedingungen machen die Verkleinerung der Segelfläche unnötig. Über die Flensburger Förde geht's noch flott, dann aber geraten wir zunehmend in Landabdeckung des ohnehin abnehmenden Windes. Kurz vor Schleimünde ist dann Schluss und der Volvo muss ans Werk. Wir entlasten die Ostseeküste noch von einem Staniolballon, den irgendein Geburtstagsmensch 'verloren' hat.
Nach kurzer Maschinenfahrt hat der Wind sich auf eine Ostlage erneuert, und wir können wieder segeln. Der Autopilot wird in den Modus 'Folge dem Wind' gebracht und der Skipper verlagert seine Aufmerksamkeit etwas nach innen. Nach dem Erwachen stellt er fest, dass die Windrichtung sich ein wenig gegen die Befahrensregeln für das Gebiet geändert hat. Die Santanita schnibbelt eine kleine Ecke des Sperrgebiets Schönhagen ab, kann aber dadurch die Höhe halten und steuert direkt Bülk an. Bevor wir die Landspitze erreichen, schläft der Wind wieder ein. Erneut kommt der Motor dran. Noch kurz um den Bülker Leuchtturm herum, dann sehen wir unseren Heimathafen, und verschiedene Gefühle zwischen Freude über das insgesamt herausragend gute Gelingen des gesamten Törns, aber eben auch Trauer über dessen Ende stellen sich ein.
Weil wir uns noch nicht trennen können, verbringen wir den Abend und die Nacht noch auf der Santanita. Wir reden uns gut zu, dass der Sommer ja quasi noch vor uns liegt und noch viele Wochenenden und Tagesausflüge möglich sind.
Fin.
PS: Vielleicht bleiben wir sogar noch eine Nacht länger an Bord. Aber für das Logbuch ist das uninteressant....
Bilanz:
- zwei Eierbecher (aus Fynshav - zu verschenken)
- ein Halsmedallion 'Schweinswal' (aus Bagø)
- ein Käppi verloren
- ca. 22 Liter Diesel (CO2-Emission OK für drei Wochen Urlaub, finden wir)