25.6.2022 - Tag 1
Die letzten beiden Tage vor diesem sehnlich erwarteten Termin waren anstrengend: Die Kieler Woche haben wir weitestgehend links liegen lassen (das Programm ist ohnehin nicht überwältigend attraktiv, wir sind offensichtlich der Zielgruppe entwachsen), aber zwei Veranstaltungen in Hamburg und Timmendorfer Strand wollten besucht werden: Am Donnerstag fand das lang aufgeschobene Zucchero-Konzert statt und am Freitag wurde spät die Dance-Night der JazzBaltica mit den Dirty Loops gefeiert. Dennoch haben wir es fertig gebracht, die Wohnung für unsere Rückkehr in einen vernünftigen Zustand zu versetzen und die Santanita mit Urlaubsutensil zu bepacken. Nach fünf Stunden Schlaf hält es uns nicht mehr - es geht endlich los. Noch ein klitzekleiner Einkauf und dann die Busfahrt nach Schilksee - dann werden wir, natürlich begleitet von der Windjammerparade, den Heimathafen verlassen!
Im Kielwasser der Goch Fock und vieler anderer Großsegler, die die Windjammerparade der Kieler Woche formiert haben, laufen wir aus der Kieler Förde.
Das Wetter meint es gut mit uns. Ein kleiner Holeschlag lässt uns Bülk passieren und wir legen Kurs Nordwest auf das Sperrgebiet Schönhagen. Eine Freundin der Bordfrau sei eventuell in Damp zur Reha und bis zur Klärung dieser Situation planen wir kein Ziel. Erst als von dort eine Absage kommt, entscheiden wir uns für Hoerup - da sind wir gerne, und ein relativ umfangreicher Einkauf von Proviant steht auch noch aus. Die Sonne glüht und der schwache Nordost hat kaum Welle aufgebaut - schöne Segelei.
Mehrfach sichten wir auf dem glatten Wasser Schweinswale, allerdings nie in einer Gruppe. Wir wissen nichts von den Gewohnheiten der kleinen Säuger, vermuten aber, dass sie typisch in Familien leben. Somit beschleicht uns die Sorge, das trotz der häufigen Sichtungen die Bedingungen für die Tiere eher schwer sind. Gerade einige Tage zuvor hat eine TV-Doku von dem Zustand der Dorschbestände in der Ostsee berichtet: Es gibt fast keinen Dorsch mehr. Wir verdrängen die traurigen Gedanken....
Der Wetterbericht ist unser ständiger Begleiter. Über dem Festland soll eine Zelle mit starkem Regen entstehen, die im Verlauf gen Norden zieht. Da wollen wir eigentlich hin. Also ändern wir den Plan und halten uns ein wenig östlich - neues Ziel: Mommark. Dort können wir zwar voraussichtlich nicht einkaufen, aber zwecks Vermeidung von Dreckswetter verzichten wir darauf gerne.
Wenig später schläft der Wind vollständig ein - der Diesel muss es leisten. Gute 90 Minuten später erreichen wir bei totaler Windstille den kleinen Hafen Mommark, den wir noch nicht kennen. Alle Plätze sind belegt, einige Päckchen haben sich schon gebildet. Ein Folkebootsegler bietet uns seinen Platz an, mit der Option, dann längsseits bei uns anzulegen. Wir freuen uns über diese Sportkameradschaft, lehnen aber dankend ab und gehen selbst ins Päckchen an einem großen, unbewohnten Motorboot - auch gut.
Obwohl es bereits nach 21:00 Uhr ist, hat der Hafenkiosk noch geöffnet. Wir bezahlen das Hafengeld, bekommen jeweils noch zwei HotDogs (echt lecker!) und können sogar Brötchen bestellen! Wir sitzen am Wasserrand, beobachten eine dänische Hochzeitsgesellschaft, lassen die Sonne untergehen und ziehen uns später auf unser schwimmendes Reich zurück.
Was für ein toller erster Tag: Schöne Segelei ohne Aufwand, schon die Gastlandsflagge oben, Sonne satt - das lässt die Anstrengungen der vergangenen Tage und Wochen sofort vergessen und Aussicht auf herrliche drei Wochen keimen! Wie versteinert schlafen wir ein.
26.6.2022 - Tag 2
Der Skipper und Autor dieser Zeilen zweifelt an seinem Vorhaben, den gesamten Urlaub zu bloggen. Die Sitzungen an der Konsole verfehlen den Abstand zum Alltag, trotzdem macht es Spaß, und es gab auch erstaunlich viele positive Rückmeldungen auf den Reisebericht 2021. Naja. Mal sehen, wie gut er durchhält!?
Die Morgensonne weckt uns. Der Hafen ist noch absolut ruhig, bevor auch auf anderen Booten das Leben erwacht. Am Vorabend hat der Skpper einer X-Jacht die gesamten Hafenlieger über sein Vorhaben informiert, "noch einen Jackie" zu trinken - und noch einen - und noch einen. Der letzte "Jackie" hat ihn dann endlich auch nach hinten kippen lassen, auf jeden Fall war irgendwann Ruhe. Umgekehrt geht ausgerechnet von diesem Schiff am Morgen kein Muks aus - Jackie's Rache.
Das Brötchenholen misslingt. Unter den bereitgestellten, mit Bootsnamen beschrifteten Tüten, fehlt die Santanita-Tüte. Karsten, der nicht der Hafenmeister sein will, sich aber um alles kümmert (bis zur Flaggenparade mit Hornruf am Abend zuvor) klärt auf: "Immer die gleiche Seiße, da hat wieder irgendeine Seiße gebaut!". Seine gute Laune ist ansteckend. Er besteht darauf, das Geld zurückzugeben, gibt uns aber trotzdem ein paar Brötchen von gestern mit. Klasse, unser Frühstück im Cockpit kann stattfinden! Die Brötchen sind typisch dänisch weich und sogar aus irgendeinem Grund bereits aufgeschnitten. Positiv: Das reduziert die Krümelei!
Das Wetter ist wie am Vortag schwachwindig und sonnig. Wir laufen aus, mit unbestimmtem Ziel. Als Punkt der weiteren Planung wählen wir einen Ort vor der Durchfahrt zwischen Bagö und Arö, zwei Inseln inmitten des kleinen Belts. Im ersten Teil der Fahrt haben wir den Wind direkt von hinten und segeln entgegen der Konstruktionsidee unseres Bootes mit Butterflykonfiguration. So erreichen wir gut fünf Knoten. Die Vorhersage zeigt eine massive Veränderung der Windrichtung gegen 14:00 Uhr an. Dann soll der Wind von Süd-Südost auf West drehen und ordentlich zunehmen. Bis dahin lohnt es sich kaum, den Genacker zu setzen - vielleicht sind wir auch einfach ein bisschen faul. Es läuft ja! Wir strecken die Füße aus dem offenen Heck ins Wasser und relaxen während der ruhigen Fahrt - so geht Urlaub!
Unglaublich präzise vollzieht sich die Ankündigung. Wir erwischen den perfekten Moment für die Halse und nehmen mit dem zunehmenden Wind Fahrt auf. Bis zu zwanzig Knoten Wind werden wir messen, etwas mehr als für die Bordfrau entspannt erträglich. Der Skipper freut sich über die Fahrt über acht Knoten (das GPS verkündet einmal sogar 10,8 Knoten, wahrscheinlich ein günstiger Rundungsfehler!). Das Kielwasser sprudelt wild und die Santanita hebt ihr Luvruder aus dem Wasser. Den besagten Punkt der Entscheidung erreichen wir so sehr schnell. Dort müssten wir hoch an den Wind, wenn wir weiter gen Norden wollten oder können abfallen, wenn wir es für diesen Tag genug sein lassen wollen und in Assens halt machen wollen. Wir entscheiden uns für die seichtere Variante. Unser Urlaub soll kein Segelstress werden und die Signale der Bordfrau waren eindeutig. Also laufen wir den Hafen an, der nicht als romantischster Ort in der dänischen Südsee gilt. Für uns soll's in Ordnung sein. Wir können hier den ausgelassenen Einkauf nachholen und das für den folgenden Tag prognostizierte Regenwetter aussitzen.
Assens präsentiert sich gnädiger als befürchtet. Auf der Werft an der Hafeneinfahrt ist Ruhe, denn es ist Sonntag. Im Hafen ist es gut geschützt und es gibt eine Menge freier Liegeplätze. Wir machen fest neben einem Paar mit einem älteren Segler, die sich direkt als "Profis" vorstellen, während sie unsere Leinen annehmen. Manchmal könnte man auf Hilfe verzichten, denkt die Bordfrau....
Am Abend holen wir nach, was seit fast einem Jahr aufgeschoben wurde: Im August '21 bekam der Skipper einen dieser hochmodernen, runden Grills geschenkt, die innerhalb weniger Minuten einsatzbereit sind und außen nicht heiß werden.Theoretisch könnte man damit an Bord grillen - das tun wir aber nicht. Der Grillplatz ist schön gelegen zwischen Hafen und Strand. Dort wird der Grill eingeweiht. Wieder eilt ein Paar vom Nachbartisch zur Hilfe, als das Anzünden nicht auf Anhieb glückt. Wir tauschen uns ein wenig aus über die Vor- und Nachteile dieses Grills, über unsere weitere Vorhaben bezüglich der Reise und über die Segelei insgesamt. Seemannsgarn?
27.6.2022 - Tag 3
An diesem Morgen weckt uns der Regen. Sofort sind wir zufrieden: Alles richtig gemacht, inklusive der Vorbereitung auf dieses Wetter: Alle Schotten und Luken sind dicht, die Handtücher am gestrigen Abend noch von der Reling in die Kajüte geholt worden. Wir können uns einfach in der Koje umdrehen und die Gemütlichkeit des an Deck prasselnden Regens genießen. Erst der Appetit treibt uns raus. Eine Regenpause nutzen wir für einen Ausflug in den Ort, frühstücken dort und ergänzen endlich den fehlenden Proviant.
Nach der Rückkehr berichtet der "Profi"-Nachbar von einem Defekt an seiner Frischwasseranlage, für die er nun nach einem Ersatzteil fahndet. Er habe sich bewusst für die Beibehaltung der manuellen Pumpe entschieden. Das ganze elektrische Zeugs führe nur in die Abhängigkeit. Der Santanita-Skipper entgegnet, dass moderne Ausstattung auch den Komfort steigere; dass die eigene Frischwasseranlage funktioniert - im Gegensatz zu der vermeintlich bewährteren Installation, denkt er sich nur.
Den ganzen Tag regnet es - mit kurzen Pausen. Unter Deck staut die Bordfrau Klamotten und Proviant an geeignete Orte, während der Skipper diesen Bericht verfasst.
Bei der Durchsicht unserer Ausrüstung kommt es zu einer erschreckenden Erkenntnis - es scheint ein Fluch über uns zu liegen, der zeitgleich auch das wirtschaftspolitische Geschehen widerspiegelt: Schon während des letztem Sommersegelurlaubs litten wir unter Gasmangel! Kurz rekapituliert: Während des 3-Wochen-Törns 2021 war die aktuell angeschlossene Gasflasche leer und die Ersatzflasche war ebenfalls leer! Dieses Jahr ist die Situation nur in Nuancen anders: Die aktuell angeschlossene Flasche ist nicht leer, aber in unbekanntem Füllzustand und die Ersatzflasche ist NICHT DA!! Der Skipper ist sich absolut sicher, nach der Rückkehr 2021 zwei neue Flaschen angeschafft zu haben. Aber wo ist die zweite? Alle Überlegung hilft nichts - sie ist nicht da, wo wir sie uns wünschen würden.
Im Hafen gibt es einen Bootsausrüster und nebenan einen Campingplatz. Wir schöpfen Hoffnung für den kommenden Tag....
28.6.2022 - Tag 4
Der Regen ist durch. Unsere Gemütssituation ist unbetroffen von dem lichtarmen Tag. Schlimmer wiegt die Lage um den Kocher. Nach einem weiteren erfolglosen Versuch, eine passende Gasflasche zu bekommen, geben wir auf - zumindest für diesen Tag. Die Strategie heißt: HotDog, Pizza, Räucherfisch, Ernährung vom Dienstleister, wann immer möglich. Oder Grillen. So wollen wir Gas sparen für die Tage, denen wir entgegen sehnen: Ankerbucht, einsamer Hafen an der einsamen Insel....
Um diese Sehnsuchtsziele zu erreichen, müssen wir zunächst aus Assens weg. Zwar ist der Hafen seinem Ruf glücklicherweise nicht gerecht geworden, aber wir weinen auch nicht zum Abschied.
Der schwach angesagte Nordost verleitet uns dazu, kurz nach der Hafenausfahrt den Genacker zu setzen. Leider werden wir durch die Küstenlinie und die Berufsschifffahrt auf einen zu spitzen Kurs gezwungen und der Wind ist doch stärker als angenommen, so beenden wir das Experiment Gleitfahrt kurz darauf wieder. Immerhin waren wir kurzzeitig ziemlich fix unterwegs und sowohl das Setzen als auch das Bergen des großen Segels haben gut geklappt. Zwei währenddessen eingeholte Segler, eine holländische, moderne 39-Fuß Yacht und eine X-332 'matchen' sich mit uns im nun wieder abnehmenden Wind. Zeitweise schläft er ganz ein, so dass wir mit dem Holländer sogar ein paar Worte wechseln können. Hinter einer Landspitze können wir abfallen und den Turbo erneut aktivieren. Das tut auch der Holländer. Erstaunlicherweise füllt sich sein pinkfarbener Genacker 80 Meter links von uns etwa zwei Minuten früher - das Windfeld hat ihn einfach zuerst erreicht - und er nimmt uns bestimmt 500 Meter ab. Dann aber nimmt auch die Santanita rasche Fahrt auf und der Abstand bleibt ziemlich konstant. An der Einfahrt in das Geschlängel südlich von Middelfart birgt 'der Gegner' das farbige Segel und wir schließen wieder auf. Als wir am gleichen Ort auch unseren Genacker bergen, sind wir einige Zeit mit dem Manöver beschäftigt und der Holländer ist um irgendeine Ecke entschwunden und wir haben ihn aus den Augen verloren.
Heftiger Gegenstrom und schwacher Wind machen in den Kurven vor Middelfart den Einsatz der Maschine unumgänglich. Trotz des Störgeräusches sichten wir in der Meerenge einige Schweinswale - immer wieder schön. Der Skipper muss sich arg disziplinieren, um nicht erneut viele, viele Fotos von der wunderschönen Uferlandschaft und den Brücken zu machen. Er lächelt ein bisschen nach innen, als dieses Mal die Bordfrau dieser Verlockung nachkommt.
Auf der Suche nach Ruhe passieren wir die Häfen von Middelfart und laufen in Strib ein. Hier waren wir vor einigen Jahren schon einmal und haben eine erfreulich gute Pizzeria entdeckt. Das passt prima gut zu unserem Gas-Desaster und der daraus entwickelten Vorgehensweise!
Der Hafen ist weitestgehend voll. Für unsere Santanita gibt es nur ein Plätzchen: Mittendrin, am Kopf eines verkürzten Steges, machen wir längsseits fest. Unsere Schöne dominiert das Hafenbild.
Die Pizzeria ist schnell wieder gefunden und erfüllt unsere Erwartungen. Es handelt sich eher um die Manufaktur eines Lieferservices, aber es gibt auch fünf Tische dort. Auf unsere Frage bekommen wir die Erlaubnis, hinter dem Haus an einem Gartentisch im Schatten sitzen zu dürfen. Offensichtlich sind wir im privaten Garten der Betreiber(-familie?) eingefallen. Die Pizza wird dort liebevoll mit der Hand zubereitet und ist wirklich klasse. In dem Garten blühen wunderschöne Blumen und die Bordfrau ist beeindruckt. Nach dem Essen erscheint aus der Hintertür der Küche ein freundlicher Mann und begutachtet seine Pflanzen. Schnell entsteht eine gemeinsame Schwärmerei über die Schönheit der Blüten, wobei die sprachliche Schnittmenge zwischen dem Dänen mit italienischen Wurzeln, der es englisch versucht, und uns, die wir außer Deutsch und Englisch leider gar nichts auf der Zunge haben, auf einer Metaebene stattfindet - Gesten, Lächeln, Augenzwinkern, Strahlen - Sympathie und Leidenschaft geht auch ohne Worte! Wir freuen uns über dieses zufällige Treffen und bedanken uns herzlich für den Zugang in die Privatsphäre.
Von unserem Premiumliegeplatz haben wir ganz zufällig auch noch den perfekten Blick auf den Sonnenuntergang, den wir mit einem Abendgetränk genießen - schön!
29.6.2022 - Tag 5
Der Hafen von Strib ist sehr ruhig. An irgendeiner Störung liegt es also nicht, dass wir früh aufwachen. Eher ist es der Wunsch, vor dem für den frühen Nachmittag zu erwartenden Regen im nächsten Hafen angekommen zu sein. Also fix ein Brötchen im Stehen und Leinen los. Später werden wir erkennen, dass diese Eile unangebracht war, denn der Regen bleibt aus - im Gegenteil: Wir erleben einen prima Segeltag. Dem etwas stärker aufkommenden Wind, gegen den wir kreuzen müssen, begegnen wir mit einem Reff im Großsegel, so dass die Fahrt absolut unangestrengt verläuft. Am frühen Nachmittag laufen wir in Juelsminde ein. Der Osthafen liegt völlig ungeschützt im inzwischen knackigen Nordost, aber es findet sich ein Liegeplatz im alten Hafen. Dort ist viel Betrieb - zu viel, um zur Ruhe zu kommen. Alle halbe Stunde kommt ein offener LKW mit einer Partyhorde auf der Ladefläche und ohrenbetäubender Beschallung durch den Hafen gefahren. Wir beschließen ohne zu zögern, dass wir am nächsten Tag weiter wollen - Ruhe ist das Ziel. Im Hafen gibt es mehrere Restaurants, ein Fischgeschäft und einen Eisladen. Letzterer ist offensichtlich ein gern aufgesuchtes Ausflugsziel für Motorradgruppen. Immer im halben Dutzend erscheinen Biker, die ihre Chromboliden in der Reihe zur Schau stellen, um eine Viertelstunde später mit gleichem Getöse wieder aufzubrechen.
Wir starten einen Spaziergang durch den Ort Der kleine Yachtausrüster hat tatsächlich eine passende Gasflasche - leider leer. Das Fischgeschäft suggeriert den Verkauf regionaler Waren. Ostsee-Thunfisch? Trotzdem kaufen wir ein Stück Räucherlachs und später etwas Salat und ein Brot im Supermarkt - zusammen als Abendessen im sonnigen Cockpit angerichtet, haben wir eine leckere Sättigung und sparen Gas.
30.6.2022 - Tag 6
Der Skipper wird deutlich vor sechs Uhr von einer Überraschungsaktion der Bordfrau geweckt: Sie will ein morgendliches Ostseebad nehmen. So kommt es, dass wir um halb sieben in das kühle Nass steigen und natürlich augenblicklich hellwach sind - deutlich bevor Juelsminde in den Entertainmentmodus wechseln kann. Noch in der Ruhe der frühen Stunde haben wir geduscht und als das allgemeine Leben beginnt, machen wir das Schiff schon klar zum Auslaufen. Ein leichter Wind weht - natürlich genau aus der Richtung, in die wir wollen, aber unser Ziel ist nicht weit: Wir steuern nach Endelave, eine kleine Insel südlich von Samsoe. Dort, so hoffen wir, muss die Ruhe zu finden sein.
Auf der Fahrt machen wir eine seltene Begegnung mit einem Seehund. Neugierig steckt er den Kopf aus dem Wasser und begutachtet uns mit seinen kugelrunden Augen. Als er genug gesehen hat, verschwindet er wieder in sein Reich unter der Oberfläche.
Als wir gegen ein Uhr in den Hafen fahren, finden wir auf den ca. 50 Liegeplätzen nur rund zehn Boote vor, später werden es nur wenige mehr sein.
In der vorgelagerten Bucht liegen noch zwei Schiffe vor Anker.
Aus der Heimat werden wir mit dem AIS verfolgt. Ein befreundeter Skipper freut sich über unseren Aufenthalt auf Endelave. Er informiert uns darüber, dass der Hafen hier das schönste Klohäuschen von ganz Dänemark haben solle. Den Eindruck teilen wir nicht, wenngleich die Geschmäcker diesbezüglich natürlich sehr verschieden sein können, die Vielzahl der Parameter nahezu unüberschaubar ist und wir keinen vollständigen Vergleich haben. Erlaubt ist jedoch der Widerspruchsbeweis: Wir bevorzugen nach ausführlicher Diskussion das Häuschen in der Dyvig. Trotzdem ist das hiesige Örtchen weit vorne....
1.7.2022 - Tag 7
Schon eine Woche vergangen? Oder erst? Auf jeden Fall ist sie Geschichte. Apropos Geschichte: Diverse Daheimgebliebene verlangen ein Update unseres Reiseberichtes....
Der Tag präsentiert sich grau. Wir sind damit nicht unzufrieden, denn die vielen Sonnenstunden des Vortages haben uns ziemlich ausgelaugt. Etwas Pause davon kommt gerade recht. Am Nachmittag soll es regnen - Zeit, den Bericht zu aktualisieren. Zunächst aber erkunden wir die Insel vormittags mit einem kleinen Rundgang. Diese Abgeschiedenheit haben wir gesucht. Es vergeht eine geraume Zeit, bis wir überhaupt andere Menschen sehen. Die Flächen sind zwar bewirtschaftet, aber es gibt große wilde Wiesen und eine belassene Küstenlinie.
Der kleine Ort hinter dem Hafen hat eine Kirche und einen Höker, das war's. Auf der Insel leben 154 Menschen. Sicherlich kennen die sich alle untereinander.
Bewohnt wird die Insel auch von einer Unzahl von Kaninchen. Wir sehen nur eine Handvoll, aber die meisten sind zu flink für Skipper's Fotoapparat, nur eines entwischt der Linse nicht. Scheinbar sind auch andere Tiere hier heimisch.
Als der Regen kommt, ziehen wir uns unter Deck zurück. Bei einem Gläschen erörtern wir die Reiseoptionen für den nächsten Tag. Bei einem weiteren Gläschen beschließen wir, an diesem Abend nichts mehr zu beschließen. Ein letztes Gläschen besiegelt diesen Beschluss - ab in die Koje.
2.7.2022 - Tag 8
Ein kräftiger Westwind hat die Nacht etwas unruhig verlaufen lassen. Zwar haben wir das Boot am gestrigen Nachmittag noch im Liegeplatz gedreht, so dass die Santanita den Wind auf die Nase bekommt und wir im Cockpit geschützt sitzen, aber die Vorleinen haben mit jeder Böe arg auf den Klampen geknartscht, und die Bordfrau hat dadurch nicht in den Schlaf gefunden. Skipper's Träume wurden nicht gestört, wahrscheinlich nicht zuletzt wegen der ausreichenden Beschlussgläschen.
Aber der Wind, der am Morgen nicht nachlässt, hat natürlich auch noch eine zweite Konsequenz: Wir verlassen den Hafen heute nicht, haben einfach keine Lust auf Rock'n Roll auf dem Wasser. Und Endelave ist schön. Also machen wir einen weiteren Spaziergang, finden den Campingplatz, besser das Campingplätzchen: Eine Wiese, so groß wie ein halbes Fußballfeld, und nicht ein einziges Zelt steht da. Aber der Rasen ist frisch gemäht und die Saison ist vorbereitet - wir sind ja ziemlich früh im Jahr unterwegs. Auch das Café am Heilkräutergarten, das wir gestern besucht haben, war erst einen Tag geöffnet, und bei der Zubereitung unserer Getränke gab es merklich Anlaufschwierigkeiten, die aber sympathisch weggelächelt wurden.
Auf unserem Ausflug schauen wir in eine dieser Holzbuden, die einige Erzeuger von Obst und Gemüse am Weg aufgestellt haben. In dieser Bude sollte es Kartoffeln, Zwiebeln und Salat geben, aber just der Salat war bereits abverkauft. Der Inselbewohner bemerkte uns und erntete uns einen riesigen Kopfsalat, den wir uns am Abend schmecken lassen sollten.
An diesem Samstag wird der Hafen deutlich gefüllt. Wir haben beiderseits Nachbarn, und nur noch wenige Plätze sind frei. Trotzdem bleibt diese ruhige Stimmung, die uns echte Entspannung verschafft.
Erst am Abend hört der Wind auf zu heulen - endlich. Zeitgleich geht auch schon die Sonne unter - mit einem tollen Lichterspiel, das viele Hafengäste auf den Badesteg lockt, um massenhaft Fotos zu machen. Während die Bordfrau versucht Schlaf nachzuholen, sitzt der Skipper noch in der Plicht, verfasst diese Zeilen und verliert sich in Gedanken und Träumerei vom ewigen Reisen auf der See....
3.7. - Tag 9
Heute soll es weiter gehen. Die Wetteraussichten prognostizieren für den Vormittag Regen, danach einen moderaten Ostwind, den wir nutzen wollen. Und tatsächlich regnet es tüchtig bis 11 Uhr. Den Aufbruch planen nicht nur wir. Viele dänische Hafengäste waren über das Wochenende hergekommen, vermutlich aus Aarhus, Horsens oder anderen größeren Städten, um hier Ruhe zu schöpfen - die Stege waren dadurch relativ dicht belegt
Wir machen nach dem Frühstück ein Ergänzungsnickerchen und laufen dann gegen 11 Uhr aus. Wir nehmen noch etwas von dem abklingenden Regen mit, können dann aber das leichte Ölzeug ablegen und die Sonne kommt raus. Der Seehund, der uns bei Anlaufen von Endelave begrüßt hat, verabschiedet uns wieder. Mit der sanften Brise laufen wir durch die Rinne zunächst gen Norden, um dann auf Westkurs gemächlich gen Jütland zu fahren.
In der Einfahrt zum Horsensfjord gibt es die kleine Insel Hjarnö. An der engsten Stelle zum Festland liegen beiderseits kleine Häfen, die mit einer Fähre verbunden sind. Wir entscheiden uns für den Hafen auf dem Festland, weil der Inselhafen laut Beschreibung nur bei ruhigem Wetter komfortabel sein soll. Genau das wird aber nicht vorhergesagt - im Gegenteil. Wir stellen uns darauf ein, am kommenden Liegeplatz eine West-Starkwindphase von einigen Tagen abzuwettern.
Der gewählte Hafen ist klein. Der erste angesteuerte Liegeplatz ist nur für 24 Stunden frei, daher verlassen wir ihn gleich wieder. Das nächste Anlegemanöver längsseits am 'Cafésteg' versemmelt der Skipper und wir touchieren ungewollt den Holzsteg - nicht schlimm, aber eigentlich sind wir lieber Konsumenten von Hafenkino als Darsteller. Nachdem wir fest sind, sehen wir erst den idealen Platz. Ein kompliziertes Manöver mit vielen langen Seilen dreht das Boot im Hafen um und lässt uns schließlich in der Wunschbox ankommen.
Snaptun ist ein kleiner Fischer- und Fährhafen. Das Becken für Sportboote ist noch relativ neu, ebenso das Clubhaus des örtlichen Segelclubs.
In diesem Vereinshaus ist ein kleiner Kiosk, der von einer asiatischen Familie betrieben wird. Aus dem Angebot wählen wir die Pommes-Variante - endlich! Die dänischen Pommes sind uns seit einem Schlüsselerlebnis in Soby als die besten Pommes der Welt in Erinnerung. Der Skipper konnte es also kaum erwarten, an die knusprigen Stäbchen zu kommen.
Nach dem Essen überkommt uns schnell eine gesunde Müdigkeit. Wir sparen uns weitere Erkundungen für die kommenden Tage auf, denn absehbar werden wir uns hier einwehen lassen.
4.7. - Tag 10
Das Wetter gestaltet sich wie vorhergesagt. Ein böiger, kräftiger Nordwest hat sich etabliert. Wir sind sehr froh über unseren guten Liegeplatz und erforschen unsere Umgebung. Zwei Fähren haben hier ihr Terminal: Die kleine Fähre über den Horsensfjord nach Hjarnö und das etwas größere Schiff, das wir kennen, das nach Endelave fährt. Den Motor der kleinen Fähre erkennen wir bald, denn sie fährt immer hin und her, ungefähr 35 Mal am Tag. Sie stört uns nicht. Die große Fähre produziert erheblich mehr Unruhe, dafür fährt sie nur dreimal am Tag.
Der Hafen habe einen Minishop, hieß es im Hafenhandbuch. Nach einigen Suchen finden wir ihn - in Form eines Regals und eines Kühlschrankes in dem Imbiss, gefüllt mit allerlei Nascherei, Grundnahrungsmittel gibt es keine. Auch auf die Frage nach Brot oder Brötchen zum Frühstück bekommen wir keine positive Auskunft. Der nächste Supermarkt sei 5 Kilometer entfernt, erfahren wir.
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Das Vereinshaus ist eine Perle. Im Obergeschoss gibt es eine vollständige Küche, die von den Hafengästen genutzt werden kann. Alles ist modern und geschmackvoll eingerichtet. Zum Hafen hin gibt es eine Terasse, die einen hübschen Ausblick über die Liegeplätze, den Horsensfjord und die vorgelagerte Insel gibt. Hier kann man sich gepflegt niederlassen.
Der Verein bietet ein paar Fahrräder an, die kostenfrei genutzt werden können. Wir benutzen dennoch den Bus, um in das 5 Kilometer entfernte Glud zu fahren, um dort durch einen umfangreicheren Einkauf unseren Proviant zu ergänzen. Die Schlepperei wollen wir uns nicht auf dem Rad antun.
Der Tag vergeht erstaunlich schnell. Kaum sind wir mit dem Bus zurück und die Dinge sind verstaut, da meldet sich das Hüngerchen und die Gemeinschaftsküche wird genutzt. Wir lernen dort eine charmante, ältere Seglerin kennen, die Mitglied im Snaptun Sejlklub ist und die uns die Nutzung aller möglichen Utensilien geradezu aufdrängt. Wir wundern uns, wie unterschiedlich Gastfreundschaft ausgeprägt sein kann. Wir fühlen uns sehr willkommen.
Am Liegeplatz hören wir die ganze Zeit ein Geräusch wie ein Schluchzen oder Heulen. Es dauert einige Zeit, bis wir die geringe Bewegung der Ringe am Steg, durch die unsere Vorleinen gezogen sind, für diese klagenden Laute verantwortlich ausgemacht haben. Gegen die Geräuschbildung unternehmen wir nichts, ist die Ursache doch nun geklärt. Vorn am Steg beobachten wir eine Truppe Chartergäste eines historischen Großseglers, die wichtig von der Vernahme von Lauten von Robben sprechen und erfolglos nach den Tieren Ausschau halten. Wir haben die Ringe zwischenzeitlich "Wimmerringe" getauft und amüsieren uns.
5.7. - Tag 11
Es sind Details, die diesen Ort schnell liebenswert für uns erscheinen lassen: Das vermeintliche Oberhaupt der asiatischen Familie, die den Hafenkiosk betreibt, ist vom Segelverein offensichtlich auch zum Hafenmeister ernannt worden. Allabendlich geht der kleine, hagere Mann den Hafen ab, nimmt den Danebrog vom Mast und inspiziert die Liegeplätze. Wie zum Zeichen seiner Amtswürde trägt er hierbei eine Dienstkappe, die er vermutlich von seinem 1,90 Meter großen Vorgänger geerbt hat. Das sieht schon putzig aus....
Der Tag verläuft wettermäßig wie der Tag vorher: Stark windig, wechselnd sonnig und dicht bewölkt, mit gelegentlichen Schauern. Zum Segeln ist das nichts (zumindest nichts für uns), aber einen Ausflug auf die kleine Insel wollen wir auf jeden Fall machen. Die Fährüberfahrt dauert nur wenige Minuten, schon sind wir drüben.
Ein paar Schritte neben dem Hafen steht Dänemark's zweitkleinste Kirche.
Wir machen einen ausgiebigen Spaziergang an der Küste entlang und finden auch die Steinschiffe, die wohl ein Grab eines oder mehrerer Nordmenschen darstellen.
Viel eindrucksvoller ist die Rauheit der Natur, die Kargheit der Landschaft.
Beim Einsetzen eines Regenschauers suchen wir Schutz in einer Baumgruppe, um festzustellen, dass in dieser Baumgruppe ein liebevoll gepflegtes kleines Anwesen steht, mit einer Sitzbank unter einem Balkon. Wir nehmen diese Einladung dankbar an und verweilen, bis der Himmel wieder aufgeklart ist.
Rund um den Fähranleger stehen ein paar Häuschen, vor einem ein Zeltpavillion, darin ein Zapfhahn. Wie durch eine Wünschelrute geführt, hat der Skipper das 'Bryghuset' gefunden.
Eine Brauerei? Genau ermitteln konnten wir das nicht, aber eine Flasche Hjarno-Porter-Öl haben wir mitgenommen. Außergewöhnlich lecker ist das Gebräu, also lecker und außergewöhnlich. Und einen außergewöhnlich hohen geistigen Anteil hat es auch. Außerdem bringen wir von der Insel auch ein paar Erbsenschoten mit, deren süßen Inhalt man einfach so wegnaschen kann.
Wir haben schöne Eindrücke gesammelt. Die Welt scheint hier wirklich in Ordnung zu sein.
6.7. - Tag 12
Der Wind bleibt. Schade einerseits, weil wir segeln und andere Ziele erkunden wollen, andererseits ist die Situation so wunderbar, dass uns der Zwangsaufenthalt nicht schmerzt.
Heute machen wir einen Busausflug ins ca. 15 Kilometer entfernte Horsens. Die Stadt hat ein kleines Zentrum mit Läden, Restaurants und Cafés, aber wir sind nicht in Shopping-Laune. Also erledigen wir unsere Einkäufe, auch Dinge, die in kleinen, grundversorgenden Supermärkten nicht zu haben sind, können wir hier bekommen, zum Beispiel diese Grill-'Stones' für den neuen HighTech-Grill, den wir weiter ausprobieren wollen.
Die Bordfrau wird von einem Ohrenschmerz geplagt, vermutlich hat sie zu viel im Wind gesessen. Die Tage waren ungemütlich, auch die Temperaturen waren nicht besonders hoch. Selbst der Skipper hat lange Hosen anziehen müssen.
Neben dem Stadtzentrum hat Horsens auch eine relativ große Marina. Darum herum entsteht eine große Siedlung, bestehend aus zeitgemäßer Architektur und künstlich angelegten Wasserwegen, ähnlich wie wir das im vergangenen Jahr in Aarhus vorgefunden haben. Schade, dass da keine eigenen Ideen umgesetzt werden. Auch Städtebau unterliegt offensichtlich Trends, denen dann alle Städte folgen. Aber immerhin entsteht Neues und die Baracken des einstigen Industriehafens weichen Wohnanlagen für die Menschen.
7.7. - Tag 13
Heute könnte eine Chance für die Weiterfahrt aus der Windvorhersage entstehen. Er soll etwas abnehmen und nach Nordwest drehen. Das wäre ein Halbwindkurs zurück in den Kleinen Belt. Angesichts der Ungewissheit dieser Vorhersage und der gesundheitlichen Angeschlagenheit der Bordfrau entschließen wir uns gegen die Abfahrt und bleiben.
Minuten nach diesem Entschluss bestätigt sich die Richtigkeit dieser Entscheidung: Der Hafenmeister erscheint in Begleitung von Erik, der der Platzzuweiser des Vereins ist. Man erklärt uns in einem unsortierbaren Sprachkauderwelsch, dass am Wochenende 2000 Menschen für das große, traditionelle Muschelfest erwartet werden, einer davon Inhaber des Liegeplatzes sei, den wir morgen spätestens dafür räumen müssten. Wir könnten aber vier Plätze weiter liegen.
2000 Menschen sollen hier übermorgen auflaufen? Kaum zu glauben, aber eine Internetrecherche bestätigt dies: Miesmuschelfest in Snaptun
Wir zweifeln dennoch. Es sind keinerlei Vorbereitungen zu erkennen - und ob es hier überhaupt so viele Menschen gibt? Auf jeden Fall wollen wir das erleben! Es soll Musik geben und 2,5 Tonnen (!!) Muscheln sollen zubereitet werden!
Auf jeden Fall hat dieser Tag eine versöhnliche Wende mit dem Wetter gezeigt: Es hat nicht geregnet und das Thermometer hat die 20°C-Marke wieder überschritten. Das darf gerne so bleiben.
Spät am Abend finden wir auf dem Parkplatz einen Treckeranhänger mit 14 gefüllten Sandsäcken beladen, solche Säcke, mit denen man auf Großveranstaltungen Zelte vor dem Wegfliegen bewahrt. Ein erster Hinweis?
8.7. - Tag 14
Am Morgen hält es den Skipper nicht lange im Bett. Direkt nach der Dusche spioniert er auf dem Fischereigelände. Und tatsächlich: Ein großes Zelt wird errichtet, das Gerücht wird wahr!
Aber bis zur Eröffnung des Festes ist noch Zeit und danach wollen wir endlich weiter - bzw. wir wollen dann den Rückweg angehen. Es soll auch durch den Kleinen Belt zurück gehen, und dort wollen wir möglichst einige Tage autonom sein, evtl. irgendwo ankern oder in kleinen Häfen unterkommen, die vielleicht keine Versorgung bieten können. Ergo heißt es noch einmal den Proviant aufzustocken.
Diesmal nehmen wir dankbar die Fahrräder des Segelvereins und radeln nach Glud zu dem uns bereits bekannten Supermarkt.
Nach der Rückkehr berichtet die Bordfrau von ihrer Erkundung der Küstenlinie östlich des Hafens. Nun will sie ihre Erfahrungen teilen, und wir gehen die Strecke noch einmal. Es gibt einen Aussichtsturm, der um einen Baum herum gebaut unter dessen Krone führt.
Es offenbart sich ein großartiger Blick über den Fjord und die Insel gegenüber.
Ein bisschen weiter gibt es eine Einführung in die strategische Wichtigkeit dieses Ortes im Verlauf vergangener Auseinandersetzungen. Von der Anhöhe wurde der Zugang zum Hinterland mit Kanonen kontrolliert. An der Spitze der Küste sieht man, wie das Meer am Land nagt.
Als wir zurückkehren ist das aufgebaute Zelt voll belebt. Uns kommt ein freundlich angetüdelter Däne entgegen und motiviert uns glücklich grinsend zur Teilnahme an der Happy Hour - "Halve Pris!". Dem können wir nicht widerstehen und setzen uns dazu. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung - nur lächelnde Gesichter um uns herum. Worum es hier wirklich geht und was gefeiert wird, erschließt sich uns nicht. Wir vermuten, dass es sich um eine Art Probe für den morgigen Tag handelt.
9.7. - Tag 15
Und so muss es wohl auch gewesen sein. Heute wird der gesamte Platz mit Tischen und Bänken bestückt, ein zweites Zelt mit großen Gasbrennern unter noch größeren Töpfen wird aufgebaut und daneben stehen fünf Paletten mit Muscheln. Am Kopf des Geländes steht ein LKW-Auflieger, der mit Bühnentechnik ausgestattet wird. Hier wird nicht gekleckert!
Doch bevor die Party steigt, hat der Skipper noch eine Pflicht zu erledigen. Weil er die Flasche mit dem gemeinsam genutzten Duschgel hat stehen lassen, will er für Ersatz sorgen und radelt allein noch einmal zum Supermarkt. Heute ist der (Gegen-)Wind heftiger und das geliehene Rad läuft nicht gut.
Es wird später Vormittag, bis wir das Frühstück zu uns genommen haben. Kaum ist alles wieder verstaut, ruft das Muschelfest. Wie aus dem Nichts ist der Platz plötzlich rappelvoll und es gibt zwei irrsinnig lange Schlangen vor dem Muschelküchenzelt. Stapelweise werden Schüsseln mit den gekochten Schalentieren zu den Tischen getragen.
Auch wir reihen uns ein und bekommen unsere Portion.
Eigentlich ist der Skipper kein großer Freund von Muscheln, aber dieses spezielle Ambiente steigert den Genuss! Eine Band spielt offensichtlich bekannte Songs, erkennbar daran, dass viele Besucher mitsingen. Wir kennen die Songs nicht, dänischer Country-Rock, gekonnt und locker vorgetragen - das macht Spaß.
Überhaupt sind wieder ausschließlich lächelnde Gesichter zu sehen. Wir erinnern uns an die These, dass die Dänen das glücklichste Volk der Welt seien - alles sieht so aus, als wäre das wirklich so!
Der Wind pfeift weiter aus Nordwest, stärker noch als gestern. Und es ist wieder eher bewölkt - kein T-Shirt-Wetter. Langsam machen wir uns Gedanken über unsere Heimfahrt. Wir haben einfach keine Lust auf 20 Knoten Wind und mehr. Erst am Sonntagnachmittag soll der Wind runter gehen. Na gut. Dann ist das eben so. Gegenwärtig ziehen Böen mit über 24 Knoten über den Hafen, draußen werden es 30 Knoten sein. Die Santanita zappelt in der Box und zerrt an den Leinen. Die für das Hafenfest gesetzten Flaggen werden einem Qualitätstest unterzogen.
10.7. - Tag 16
Der Wind lässt ein bisschen nach und dreht ein wenig auf Nordwest. Wenn wir heute nicht fahren, feiern wir Weihnachten in Snaptun. Nicht, dass das keine lustige Idee wäre, aber das echte Leben zwingt uns zu langweiligeren Realitäten. Eben diese Wahrheit zwingt uns, den Blick nach vorne zu richten und festzustellen, dass in der nun anbrechenden letzten Urlaubswoche wieder mit viel Starkwind zu rechnen ist und wir deshalb die komfortabel zu segelnden Wetterfenster nutzen sollten.
Wir verabschieden uns mit einem weinenden Auge von der Entdeckung des Urlaubs und lassen uns von der kräftigen Brise gen Süden schubsen. Somit ist es klar: Der nördlichste Ort unserer diesjährigen Reise liegt hinter uns.
Unser Ziel heißt Skaerbaek, ein kleiner Hafen inmitten der flussähnlichen Landschaft rund um Middelfart. Es gibt einige Empfehlungen aus Hafenhandbüchern und von einer benachbarten Damencrew.
Mit dem weiterhin üppigen Wind in den Segeln rauscht die Santanita vorbei an dem bereits besuchten Hafen Juelsminde und am Vejlefjord hinein in die Meerenge vor Fredericia. Dort verlieren wir ein 'Match' gegen eine beeindruckend schnelle X-332 mit rabenschwarzen Segeln - das demütigt uns nicht. Die letzten Meilen fahren wir unter Maschine gegen den Strom. Auch heute sichten wir einige Schweinswale.
Der Hafen von Skaerbaek überwältigt uns nicht mit Charme. Alles ist etwas steril, aber gepflegt und technisch in Ordnung. Das ist OK für uns, denn wir wollen ja nur übernachten und am nächsten Morgen weiter. Es gibt ein Restaurant am Hafen und eine Pizzeria, die uns einlädt, den Abend nicht mit Getüdel in der Kombüse zu verbringen. Also besuchen wir zwar den lokalen Supermarkt, aber eher, um nach Souvenirs und Mitbringseln zu spähen. Später gibt's dann dänisches Fastfood und ein belgisches Fassbier bei besagtem Hafenkiosk.
11.7. - Tag 17
An diesem Tag wird uns sicher klar, dass wir den Klimawandel erleben - wir sind Teil dessen, sind Täter und Opfer zugleich. Nach dem Ablegen aus Skaerbaek können wir zunächst einige Zeit segeln, dann schläft der Wind vollständig ein. Das ergänzt unseren Eindruck von der allgemeinen Wettersituation, und auch andere Seeleute bestätigen uns das: Entweder gibt es viel Wind, so wie gestern, oder gar keinen. Dir moderaten Phasen, die man (bzw. wir) als Segler eigentlich sucht, sind rar. Es bleibt keine andere Wahl, als die Maschine anzuschmeißen und somit in die Mitverursacherrolle zu geraten.
Das fühlt sich nur sehr mittelmäßig an - um uns herum zig motorende Yachten, von den Booten, die ohnehin auf Vortrieb durch Verbrennungdsmotoren setzen, einmal ganz abgesehen. Als wollte er sich beschweren, taucht bei der Ausfahrt in den kleinen Belt noch ein Sehund auf und begafft uns.
Während der Flautenfahrt fängt unser Rigg hunderte oder tausende Spinnenfäden ein, die - es kann nicht anders sein - über dem Meer durch die Luft schweben, mit deren Herstellerinnen, nämlich klitzekleinen Spinnen, die unser Boot besetzen. Das sich aus der Ansammlung der Fäden ergebende Bild wirkt gespenstisch - ein Beitrag zur Endzeitstimmung zum Thema Klimawandel.
Wir 'jockeln' bis zur Ausfahrt des Aarösunds. Dahinter setzt ein sanfter Südostwind ein, der uns zumindest derart in Fahrt bringt, dass der Maschineneinsatz nicht mehr notwendig ist. Aber nach gut zwei Stunden Segelei - wir haben so die Bucht mit der zentral gelegenen Insel Barsoe passiert - schläft auch dieses Windchen wieder ein und wir motoren in den Alsfjord und in die Dyvig. Die Bordfrau ist ein bisschen traurig, dass wir so viele Orte links (und rechts) liegen gelassen haben, die wir gerne noch erkundet hätten. Aber wir sind inzwischen für den Folgetag in Hörup verabredet, und das Wetterfenster hat uns die Vorgaben gemacht, zumindest empfinden wir das so. Und in der Dyvig ist es ja auch wunderschön.
Dort angekommen sind wir überrascht, problemlos einen Liegeplatz zu bekommen. Es ist 18:00 Uhr und wir haben mit überfüllten Stegen gerechnet - aber besser ist es natürlich so! Wir haben Hunger. Weil wir uns dort gut auskennen, wissen wir, wann der Hafenmeister Erling den Grill anzündet. Alles passt perfekt zusammen, und so sitzen wir quasi direkt nach dem Anlegen am Tisch.
Während der vergangenen Zeit hat die Bordfrau mehrfach Hinweise auf eine Tournee einer Musikgruppe gelesen, die in verschiedenen Häfen gastiert. Und als wollte sich eine Vorhersage erfüllen, steigen von einem größeren Segelboot direkt am Hafenzentrum ein paar Menschen mit Instrumentenkoffern und bauen ihr Equipment vor dem Grill-, Ess- und Treffplatz auf.
Das folgende kleine Konzert ist liebevoll menschennah und es entfaltet sich eine empathische Stimmung. Die Menschen singen die Lieder mit, die mit kleinem Instrumentenbesteck handgemacht dargeboten werden. Leider verstehen wir fast kein Wort, aber es müssen auch ein paar kritische Statements transportiert worden sein, denn es geht an einer Stelle wohl auch um die Ukraine und der Name Putin wird erwähnt. Wir hatten diese weltpolitische Misere weitgehend verdrängen können, aber natürlich ist sie nicht ausgestanden. Trotzdem bleibt die Veranstaltung am Ende fröhlich und wir ziehen uns mit einem angenehmen Wohlgefühl zurück.
12.7. - Tag 18
Es kann wieder gesegelt werden. Zwar ist der Wind schwach, aber wir kommen voran. Wir haben keinen großen Trip vor - nach Hörup soll es gehen. Im Alssund kommt der Wind dann unerwartet spitz von vorne, so dass wir drei Holeschläge machen müssen, aber der Anspruch, den Sund unter Segeln zu durchfahren, wird durch die stundenlange Jockelei des Vortages verstärkt. Also nehmen wir die Tücher nur kurz für die Klappbrücke runter und danach gleich wieder hoch und segeln in einen unserer liebsten Häfen. Wir sind mit dem befreundeten Seglerpaar von der Hedda verabredet, und die sind auch schon da. Nach etwas Unsicherheit hinsichtlich der richtigen Platzwahl sind wir fest in einer Box an der Westmole an einem neuen Steg, mit Blick auf die Bucht und mit dem Bug im Wind, der schon am Nachmittag wieder ordentlich aufdrehen soll. Genau aus diesem Grund sind wir verhältnismäßig früh gestartet. Wir grillen, sitzen abends lange beisammen und teilen unsere Erlebnisse. Die beiden haben sich die Möglichkeit geschaffen, weitgehend zeitlich ungebunden dem Leben auf See nachgehen zu können - das wollen wir irgendwann auch. Wir leeren die Pfützen in ein paar Flaschen und verkrümeln uns irgendwann in die Koje.
13.7. - Tag 19
Die Hedda verlässt uns nach einem gemeinsamen Frühstück, das wir zu sechst mit einem freundlichen Entenpaar eingenommen haben.
Der Tag ist windig, aber warm. Wir nehmen ein Bad, erledigen den Einkauf und freuen uns über einen vollständig pflichtbefreiten Verlauf. Unser Bordleben ist inzwischen so routiniert, dass wir damit eigentlich nicht mehr aufhören wollen, schon gar nicht in wenigen Tagen. Die Bordfrau schaut aber deutlich in die nahe Zukunft und ermittelt für die bereits angebrochene und für die kommenden Tage dauerhaft angesagte Starkwindphase ein Zeitfenster für die Abreise aus Hörup Richtung Kiel: Gleich morgen früh soll es losgehen. Wir reffen noch an diesem Abend im Hafen das Großsegel stark ein und bereiten unser Schiffchen auf eine raue Fahrt vor - in die Schlei oder nach Damp soll es gehen.
14.7. - Tag 20
Die Kaltfront ist nicht so kalt wie befürchtet, aber der Wind pfeift ordentlich. Knackige 5 Beaufort wurden uns angekündigt, in den Spitzen ist es das obere Ende von 6 Beaufort. Auch kommt der Wind nur zu Beginn raumschots, südlich der Schlei müssen wir ziemlich anluven und so sind es an Deck sicher 30 Knoten Wind. Aber die gute Einstellung auf die Sache, das zweite Reff im Großsegel und der Umstand, dass wir nicht noch zusätzlich große Wellen abreiten müssen, macht die Fahrt erträglich. Wir entscheiden uns für Damp, weil wir dann nicht gegen den Wind in die Schlei motoren müssen und weil es aus Damp kürzer nach Kiel ist. Bei dem vielen Wind ist die Fahrt natürlich rasant, wir haben dauerhafte Phasen von um die 9 Knoten auf der Logge, einmal sind es 9,4. So viel Wind hatten wir mit der neuen Santanita noch nicht - eine wichtige Erfahrung.
15.7. - Tag 21
Hier endet der Reisebericht, weil zwei Tage Resturlaub in Damp nicht weiter erwähnenswert sind. Auch die noch bevorstehende Querung der Eckernförder Bucht wird keine besonderen Ereignisse mehr mit sich bringen.
Wir hatten eine gute Zeit. Vermutlich haben wir nicht den Höhepunkt des Sommers erwischt, aber nächstes Jahr haben wir eine neue Chance!
16.7. - Tag 22
OK, die Bordfrau reklamiert die Unvollständigkeit des Berichts, und schon sitzt der Skipper wieder an der Konsole. Also: More to come....
Tatsächlich gibt es noch zwei Erfahrungen, über die ein paar Zeilen zu verlieren sind:
Im Hafen von Damp nistet ein Schwanenpaar. Die Küken sind vor einigen Tagen geschlüpft und die Eltern führen ihren Nachwuchs aus dem Nest in die Welt hinaus. Was wir noch nie beobachtet haben, ist, dass die Küken dazu unter den Flügeln der Alten Platz finden und quasi Huckepack durch den Hafen gepaddelt werden - äußerst komfortabel und natürlich maximal geschützt vor den offensiven Seemöwen, die in Damp einen üblen Ruf haben. Sie bringen durch hinterlistige Luftangriffe Menschen um ihre Brötchen und Pommes, und es wurde auch bereits ein Entenjunges verputzt - gut vorstellbar, dass die auch vor einem Schwanenküken kein Halt machen.
Und dann war da noch die Innovation des Jahrtausends - kurzer Rückblick: Als der Skipper noch kein Skipper war, war er in den 70er Jahren zu Besuch in Damp, damals "Damp 2000", um die Vision der Zukunft in der Namensgebung zu implizieren. Jetzt endlich, rund 50 Jahre später, findet die Zukunft in Damp tatsächlich statt: Hier klicken!
Und zum Schluss erklärt auch noch Skipper's Büx die Reise für beendet. Ein Krabbelmanöver in der Vorratskajüte hat das Textil über die Grenze seiner Belastbarkeit gezwungen - und natürlich die 10 Jahre vorher, in denen der feine Zwirn zur Lieblingshose aufgestiegen ist. Unüberwindbare Wiederbeschaffungsprobleme zeichnen sich ab.
17.7. - Tag 23
Heimfahrt. Dazu gibt es wirklich nichts zu schreiben.....
Fin.