Grundsund
Das Liegen im Päckchen, also mit mehreren Booten nebeneinander längsseits, hat verschiedene Aspekte: Liegt man innen, also direkt am Kai, wird das eigene Boot von den Crews der außen liegenden Boote als Brücke zum Land genutzt, wobei aus Diskretionsgründen die Regel gilt, das Vorschiff als Weg zu nutzen. Liegt man außen, muss man selber über fremde Boote klettern und wird gegebenenfalls, wenn das innen liegende Boot ablegen möchte, zu Manövern gezwungen. Hier passt also die Erkenntnis "Irgendwas ist immer" perfekt. In unserem Fall - wir waren recht früh im Hafen - lagen wir direkt am Kai und alsbald bekamen wir einen Nachbarn, ein kleines Holzboot, dessen Crew nur zum Kaffeetrinken nach Grundsund gekommen war. So 'geschützt' beobachteten wir, wie die Päckchen vor und hinter uns anwuchsen. Bis zu fünf Boote wurden untereinander vertäut. Kaum war unser Tagesgast von unserer Seite gewichen, wurde auch bei uns angelegt. Zeitweise marschierten die Crews von vier Booten über unser Vordeck, eine Besatzung machte sogar einen Crew-Wechsel, was einem kleinen Umzug ähnelte - mit Koffern, Säcken und Equipment aller Art. Dieser Verkehr beruhigte sich temporär, als ein amtliches Gewitter mit schwerem Regen über den Hafen ging, danach ging das Gepolter gleich weiter. Für uns war klar, dass wir den Platz am nächsten Tag verlassen würden, um wieder unsere Ruhe zu haben.
Vor dem Gewitter konnten wir einen schönen Spaziergang über die nördlichen Felsen vor Grundsund machen. Die Kommune hat dort kunstvoll Stege zwischen den Schären konstruiert, die zu tollen Aussichtspunkten und diversen Badestellen führen.
Vergleicht man das mit der unentschlossenen Entwicklungspolitik in der Heimat, bekommt man Respekt.
Usholmen
Der Weg in die ausgesuchte Ankerbucht war kurz und einfach. Dort angekommen fanden wir die drei Gäste-Bojen besetzt und mussten daher das eigene Grundeisen bemühen. Der erste Versuch scheiterte, weil der Anker auf dem Grund nicht hielt. Einige Bootslängen weiter lagen wir sicher. Die Bucht bei Usholmen wird begrenzt durch einige Felsen, die den Ankerplatz nur durch zwei relativ schmale Lücken erreichbar machen. Diese wurden nun in unserer Wahrnehmung als Ein- und Ausfahrten genutzt, und es entstand auf dieser Weise eine Art Verkehrsweg. Außerdem nahm die Zahl der Anker- und Schärenlieger rapide zu. Am Ende zählten wir rund vierzig Boote, nur ein Drittel Segler. Von idyllischer Ruhe waren wir also genauso entfernt wie im Hafen. Einziger Unterschied: Hier stolperten keine Fremden über unser Deck.
Nach der ersten Nacht am Anker konnten wir am Morgen eine der begehrten Gästebojen ergattern - die 'Wunschboje' der Bordfrau, was gleichzeitig Vorgabe für eine zweite Nacht in der Bucht war. Um uns herum tobte das Leben. Auf einem Boot wohnten neben dem Eignerpaar auch zwei mächtige Rottweiler, die ihren Lebensraum mit imposantem Gebell vor jedem vorbeifahrenden Paddler beschützten und auf dem Vorschiff posierten. Dreimal am Tag fuhr Herrchen mit jeweils einem der Brocken mit dem Dinghi zum Gassigehen an Land - ein ziemlich fragwürdiges Unterfangen für die meisten Beteiligten.
Auf einem anderen Boot wurde einem der Söhne eine lustige Schaukelei ermöglicht: In einem Bootsmannsstuhl am Spi-Fall konnte der junge Mann - eine geeignete Länge des Falls eingestellt - an der Bordwand des Bootes entlang laufen, sich davon abstoßen und wieder zurück pendeln - Rumms! Das schien große Freude zu bereiten, maß man das an der Ausdauer des Schaukelnden. Untermalt wurde der Genuss von spitzem Gerufe des Jüngeren und Abklatschen bei jedem Vorbeiflug. Als der Größere den Sport endlich aufgab, war der Kleinere natürlich bemüht es ihm gleichzutun....
So beobachteten wir den ganzen Tag ein reges Treiben und sprangen auch einige Male selbst ins Wasser zur Abkühlung. Dabei wechselten wir uns ab mit einer Quallenwache, indem wir nicht gleichzeitig von Bord gingen, sondern jeweils dem Anderen Warnungen vor vorbei treibenden Feuerquallen gaben. Die Feuerquallendichte war ziemlich erheblich, es gibt hier außerdem eine blaue Quallenart, mit denen ein Zusammentreffen noch unangenehmere Folgen haben soll. Obacht war also angebracht!
Es gilt die Beschränkung, dass die Gästebojen nur eine Nacht genutzt werden sollen. Entgegen den Rottweilerhaltern kamen wir dieser Regelung nach und verließen die Ankerbucht am Morgen - mit dem Ziel Lyseskil Norrehamn. Dort wollten wir wieder Logistik betreiben, unsere Vorräte ergänzen und so weiter.
Lyseskil Norrehamn
Die Fahrt hierher verlief geräuschlos. Kein Wunder, es sind ja auch nur eine Handvoll Meilen. Der Hafen ist groß, und wir wurden nach einem kurzen Stopp an der Entsorgungsstation von einem freundlichen Hafenwart an den Gästeplätzen in Empfang genommen. "Dies ist unser bester Platz!". Letztlich war der Platz nicht besser oder schlechter als alle anderen Plätze - bis auf den Umstand, dass dort ein Finger zum Festmachen längsseits vorhanden war, was uns das Gefummel mit der schmierigen Mooringleine ersparte.
Wenig später nach uns machte an der anderen Seite des Fingers eines dieser Motorboote fest, die uns zwischenzeitlich den letzten Nerv raubten. Mit zwei mal 400 PS hinten dran schrauben die sich durch die Hauptverkehrswege und fahren mit deutlich über 20 Knoten Slalom zwischen all denen, die sich zu benehmen wissen - wirklich gruselig. Dessen Crew - speziell die Dame an Bord echauffierte sich gegenüber ihrem Skipper beim Festmachen. Etwas Hochdramatisches schien geschehen zu sein. Irgendwann wandte der Motorbootkapitän selbst sich an uns und warf uns vor, seine Vorleine verändert zu haben. Das hatten wir definitiv nicht! Er legte seine Vorleine (mit einem maßlos überdimensionierten Ruckdämpfer,der das eigentliche Problem darstellte) lieblos auf die Klampe des Auslegers, die unserem Liegeplatz zuzuordnen ist, warf dabei unser Stromkabel ins Wasser und verkündete das Gesetz: "Don't touch my rope!" Wir gelobten Folge zu leisten, öffneten im Geiste die Arschloch-Schublade und verfrachteten den Herrn dort hinein. Fortan wurde bei jedem Verlassen der Santanita beim Übersteigen der als Stolperfalle über den Ausleger verknoteten Strippe der heilige Satz zitiert: Don't touch my rope!!
Am Samstagabend war in dem Hafen ordentlich was los. Es trafen sich eine Menge gut gekleideter Urlaubsgäste auf der Dachterrasse eines Hafenrestaurants zum Sundowner. Monoton stampfende Bässe von 80er-Jahre-Covern überzogen die Stege. Glücklicherweise ist der Gästesteg ganz außen, so dass wir weitestgehend verschont blieben. Der Santanita-Skipper machte noch eine kurze Hafenrunde und bemerkte schmunzelnd, das zierliche Pumps mit Pfennigabsätzen den Damen auf den Stegplanken mit den üblichen Spalten erhebliches Bewegungsgeschick abverlangen, das gar nicht mehr elegant und zierlich wirkt. Kurz nach dem Sonnenuntergang, den wir auf der Außenseite des Steges genossen, war Ruhe.
Die Hitzewelle über Schweden hatte uns voll erwischt. Es kam gar soweit, dass die Bordfrau das Verlassen des schattenspendenden Cockpits minimierte. Wir erledigten unsere logistischen Vorhaben, und der Skipper machte sich allein auf einen kurzen Erkundungsrundgang. Ganz oben über Lyseskil thront eine Kirche, direkt daneben, noch einige Höhenmeter weiter, gibt es einen Aussichtspunkt, der den Namen verdient.