Woche Fünf - Nachtrag

Grundsund

Das Liegen im Päckchen, also mit mehreren Booten nebeneinander längsseits, hat verschiedene Aspekte: Liegt man innen, also direkt am Kai, wird das eigene Boot von den Crews der außen liegenden Boote als Brücke zum Land genutzt, wobei aus Diskretionsgründen die Regel gilt, das Vorschiff als Weg zu nutzen. Liegt man außen, muss man selber über fremde Boote klettern und wird gegebenenfalls, wenn das innen liegende Boot ablegen möchte, zu Manövern gezwungen. Hier passt also die Erkenntnis "Irgendwas ist immer" perfekt. In unserem Fall - wir waren recht früh im Hafen - lagen wir direkt am Kai und alsbald bekamen wir einen Nachbarn, ein kleines Holzboot, dessen Crew nur zum Kaffeetrinken nach Grundsund gekommen war. So 'geschützt' beobachteten wir, wie die Päckchen vor und hinter uns anwuchsen. Bis zu fünf Boote wurden untereinander vertäut. Kaum war unser Tagesgast von unserer Seite gewichen, wurde auch bei uns angelegt. Zeitweise marschierten die Crews von vier Booten über unser Vordeck, eine Besatzung machte sogar einen Crew-Wechsel, was einem kleinen Umzug ähnelte - mit Koffern, Säcken und Equipment aller Art. Dieser Verkehr beruhigte sich temporär, als ein amtliches Gewitter mit schwerem Regen über den Hafen ging, danach ging das Gepolter gleich weiter. Für uns war klar, dass wir den Platz am nächsten Tag verlassen würden, um wieder unsere Ruhe zu haben.

Päckchen_Grundsund

Vor dem Gewitter konnten wir einen schönen Spaziergang über die nördlichen Felsen vor Grundsund machen. Die Kommune hat dort kunstvoll Stege zwischen den Schären konstruiert, die zu tollen Aussichtspunkten und diversen Badestellen führen.

Weg_über_Schären

Vergleicht man das mit der unentschlossenen Entwicklungspolitik in der Heimat, bekommt man Respekt.

Aussicht_auf_Grundsund

Usholmen

Der Weg in die ausgesuchte Ankerbucht war kurz und einfach. Dort angekommen fanden wir die drei Gäste-Bojen besetzt und mussten daher das eigene Grundeisen bemühen. Der erste Versuch scheiterte, weil der Anker auf dem Grund nicht hielt. Einige Bootslängen weiter lagen wir sicher. Die Bucht bei Usholmen wird begrenzt durch einige Felsen, die den Ankerplatz nur durch zwei relativ schmale Lücken erreichbar machen. Diese wurden nun in unserer Wahrnehmung als Ein- und Ausfahrten genutzt, und es entstand auf dieser Weise eine Art Verkehrsweg. Außerdem nahm die Zahl der Anker- und Schärenlieger rapide zu. Am Ende zählten wir rund vierzig Boote, nur ein Drittel Segler. Von idyllischer Ruhe waren wir also genauso entfernt wie im Hafen. Einziger Unterschied: Hier stolperten keine Fremden über unser Deck.

volle_Ankerbucht

Nach der ersten Nacht am Anker konnten wir am Morgen eine der begehrten Gästebojen ergattern - die 'Wunschboje' der Bordfrau, was gleichzeitig Vorgabe für eine zweite Nacht in der Bucht war. Um uns herum tobte das Leben. Auf einem Boot wohnten neben dem Eignerpaar auch zwei mächtige Rottweiler, die ihren Lebensraum mit imposantem Gebell vor jedem vorbeifahrenden Paddler beschützten und auf dem Vorschiff posierten. Dreimal am Tag fuhr Herrchen mit jeweils einem der Brocken mit dem Dinghi zum Gassigehen an Land - ein ziemlich fragwürdiges Unterfangen für die meisten Beteiligten.

Gassi_fahren

Auf einem anderen Boot wurde einem der Söhne eine lustige Schaukelei ermöglicht: In einem Bootsmannsstuhl am Spi-Fall konnte der junge Mann - eine geeignete Länge des Falls eingestellt - an der Bordwand des Bootes entlang laufen, sich davon abstoßen und wieder zurück pendeln - Rumms! Das schien große Freude zu bereiten, maß man das an der Ausdauer des Schaukelnden. Untermalt wurde der Genuss von spitzem Gerufe des Jüngeren und Abklatschen bei jedem Vorbeiflug. Als der Größere den Sport endlich aufgab, war der Kleinere natürlich bemüht es ihm gleichzutun....

Bootsmannsschaukel

So beobachteten wir den ganzen Tag ein reges Treiben und sprangen auch einige Male selbst ins Wasser zur Abkühlung. Dabei wechselten wir uns ab mit einer Quallenwache, indem wir nicht gleichzeitig von Bord gingen, sondern jeweils dem Anderen Warnungen vor vorbei treibenden Feuerquallen gaben. Die Feuerquallendichte war ziemlich erheblich, es gibt hier außerdem eine blaue Quallenart, mit denen ein Zusammentreffen noch unangenehmere Folgen haben soll. Obacht war also angebracht!

Es gilt die Beschränkung, dass die Gästebojen nur eine Nacht genutzt werden sollen. Entgegen den Rottweilerhaltern kamen wir dieser Regelung nach und verließen die Ankerbucht am Morgen - mit dem Ziel Lyseskil Norrehamn. Dort wollten wir wieder Logistik betreiben, unsere Vorräte ergänzen und so weiter.

Lyseskil Norrehamn

Die Fahrt hierher verlief geräuschlos. Kein Wunder, es sind ja auch nur eine Handvoll Meilen. Der Hafen ist groß, und wir wurden nach einem kurzen Stopp an der Entsorgungsstation von einem freundlichen Hafenwart an den Gästeplätzen in Empfang genommen. "Dies ist unser bester Platz!". Letztlich war der Platz nicht besser oder schlechter als alle anderen Plätze - bis auf den Umstand, dass dort ein Finger zum Festmachen längsseits vorhanden war, was uns das Gefummel mit der schmierigen Mooringleine ersparte.
Wenig später nach uns machte an der anderen Seite des Fingers eines dieser Motorboote fest, die uns zwischenzeitlich den letzten Nerv raubten. Mit zwei mal 400 PS hinten dran schrauben die sich durch die Hauptverkehrswege und fahren mit deutlich über 20 Knoten Slalom zwischen all denen, die sich zu benehmen wissen - wirklich gruselig. Dessen Crew - speziell die Dame an Bord echauffierte sich gegenüber ihrem Skipper beim Festmachen. Etwas Hochdramatisches schien geschehen zu sein. Irgendwann wandte der Motorbootkapitän selbst sich an uns und warf uns vor, seine Vorleine verändert zu haben. Das hatten wir definitiv nicht! Er legte seine Vorleine (mit einem maßlos überdimensionierten Ruckdämpfer,der das eigentliche Problem darstellte) lieblos auf die Klampe des Auslegers, die unserem Liegeplatz zuzuordnen ist, warf dabei unser Stromkabel ins Wasser und verkündete das Gesetz: "Don't touch my rope!" Wir gelobten Folge zu leisten, öffneten im Geiste die Arschloch-Schublade und verfrachteten den Herrn dort hinein. Fortan wurde bei jedem Verlassen der Santanita beim Übersteigen der als Stolperfalle über den Ausleger verknoteten Strippe der heilige Satz zitiert: Don't touch my rope!!

Stolper-Rope

Am Samstagabend war in dem Hafen ordentlich was los. Es trafen sich eine Menge gut gekleideter Urlaubsgäste auf der Dachterrasse eines Hafenrestaurants zum Sundowner. Monoton stampfende Bässe von 80er-Jahre-Covern überzogen die Stege. Glücklicherweise ist der Gästesteg ganz außen, so dass wir weitestgehend verschont blieben. Der Santanita-Skipper machte noch eine kurze Hafenrunde und bemerkte schmunzelnd, das zierliche Pumps mit Pfennigabsätzen den Damen auf den Stegplanken mit den üblichen Spalten erhebliches Bewegungsgeschick abverlangen, das gar nicht mehr elegant und zierlich wirkt. Kurz nach dem Sonnenuntergang, den wir auf der Außenseite des Steges genossen, war Ruhe.

Restaurantbalkon

Die Hitzewelle über Schweden hatte uns voll erwischt. Es kam gar soweit, dass die Bordfrau das Verlassen des schattenspendenden Cockpits minimierte. Wir erledigten unsere logistischen Vorhaben, und der Skipper machte sich allein auf einen kurzen Erkundungsrundgang. Ganz oben über Lyseskil thront eine Kirche, direkt daneben, noch einige Höhenmeter weiter, gibt es einen Aussichtspunkt, der den Namen verdient.

Blick_über_Lyseskil

Woche Fünf

Der Reisebericht muss etwas pausieren bzw. kurz gehalten werden - Nachholung in Aussicht gestellt.

Wir liegen in Lysekil im Nordhafen und es ist über 30 Grad heiß. Die Bordfrau genießt eine deftige Sommererkältung, der Skipper ist zum Glück nur leicht angesteckt. Die Dinge des Alltags sind unter diesen Bedingungen anstrengend, und zusätzlich muss der Körper vor Eiweißgerinnung geschützt werden. Deshalb nur kurz:

In der Woche 5 waren wir zwei Tage im Hafen von Grundsund, danach zwei Tage in einer Ankerbucht bei Usholmen. Jetzt - wie bereits geschrieben - liegen wir in Lysekil Nord. Die Urlaubssaison ist in vollem Gang und wer glaubt, hier irgendwo Ruhe und Abgeschiedenheit zu finden, wird nachhaltig belehrt. An jedem Felsen, der aus dem Wasser ragt, hängen Boote mit Freizeitlern. Überall planschen Badende und rappeln Bootsmotoren. Die Sonnenuntergänge füllen die Speicher der Digitalkameras.

Und wir mittendrin.....

Ergänzung: Die Bordfrau findet die Ausführungen zu negativ. Das sollen sie nicht sein. Wir freuen uns weiterhin über jede Stunde, die wir hier verbringen!

Woche Vier

Fünf lange Tage und Nächte haben wir in Varberg verbracht. Der Tinnitus des Skippers, den er eigentlich durch Urlaub kurieren wollte, ist durch die Lärmkulisse des Windes im Hafen zu neuer Intensität angewachsen. Die Bordfrau leidet unter Schlafmangel, und allgemein sind wir gezeichnet durch Angestrengtheit und Durchhalterei. Aus diesem Grund fällt es uns schwer, die erste Chance zum Aufbruch zu ergreifen, dennoch raffen wir uns auf. Am Sonntag ist der Wind endlich runter und die Regenzellen rücken auseinander. Es entsteht für den Nachmittag ein Slot für die Flucht. Viele andere Crews sehen das wie wir und machen die Boote klar. Nach etwas Motorfahrt aus der Zufahrtsrinne setzen wir die Segel. Dabei wird noch einmal deutlich, was sich in den letzten Tagen über uns ergossen hat: Das Großsegel der Santanita liegt aufgetucht wie ein Trichter auf dem Baum. Zwar hat der Skipper das Regenwasser, das sich dort sammelt, bereits im Hafen ablaufen lassen, aber beim Aufheßen des Segels kommt noch ein guter Rest erfrischend auf uns heraus.
Die folgende Segelei entschädigt. Mit halbem Wind machen wir rauschende Fahrt und lassen einige Boote hinter uns. Die Segelei ist derart erfreulich, dass wir unser eigentlich geplantes Ziel (Gottskär) verwerfen und etwas weiter fahren, vorbei an einem Atomkraftwerk und einer Art Aufklärungsstation mit Radioteleskopen oder ähnlichen Einrichtungen. Falls der Russe kommt, dann zumindest nicht unbemerkt. Tatsächlich handelt es sich wahrscheinlicher um wissenschaftliche Anlagen.

AKW

Abhorchstation

So erreichen wir am frühen Abend Lerkil - ohne Schauer und sehr zufrieden über die tolle Segelei. Dort herrscht totale Ruhe, eine Aura, die wir ernstlich vermisst haben. Der Hafen ist nicht sonderlich attraktiv, aber die Ruhe tut uns gut. Ein großartiger Sonnenuntergang belohnt uns für das Aufraffen am Mittag. Endlich können wir erholsam schlafen, ohne kreischenden Wind und Schüttelei und Schräglage. Nur ein Regen am Morgen stört ein bisschen.

Sondown_Lerkil

Nachdem der verzogen ist, ist auch der letzte Wind weg. Wir wollen dennoch nicht bleiben. Also beschließen wir einen kurzen Schlag mit Wind aus dem Tank. Knappe 12 Meilen geht es durch den beginnenden Schärengarten nach Hovaes. Die Flaute und die Maschinenfahrt ergeben eine gute Gewöhnung an die Manövrierarbeit zwischen den Felsen. Es erschließt sich Meile für Meile die bizarre Schroffheit der Landschaft - keine Chance diese Eindrücke mit der Kamera festzuhalten. Wir versuchen es dennoch.

erste_Schäre

Hovaes ist kein offizieller Gästehafen. Das wussten wir nicht und haben einfach unter dem Mastenkran festgemacht, wie es in einem Reisebericht erwähnt war. Kein Hafenmeister, kein Zugang zu Feuchträumen. Wir treffen einen Offiziellen des ansässigen Segelvereins, der auf die Frage nach dem Hafengeld mit den Augen zwinkert und uns eine gute Nacht wünscht.

unterm Kran

Ein kurzer Spaziergang führt uns zu einer Badestelle. Dort gibt es auch ein Hafenrestaurant, in dem wir am Abend einen "Seglerburger" verhaften. Der Wirt, dem wir uns als segelnde Gäste öffnen, überschüttet uns mit Tipps, welche Orte wir alle besuchen sollten. Das schaffen wir in diesem Urlaub nicht.

Nach einer entspannten Nacht machen wir am Morgen den Plan für den nächsten Schlag. Wir wollen Göteborg liegen lassen und eine nördlich vorgelagerte Insel namens Öckerö besuchen. Die Fahrt sollte einfach verlaufen, mit halbem Wind, später etwas höher, aber zahm - tat sie aber nicht. Entgegen der Vorhersage blies es aus dem Fjord, in dem sich tief drin Göteborg befindet, mit satten 20 Knoten, an die wir ganz hoch dran müssen. Zum Glück hatten wir uns von Beginn an für reduzierte Besegelung - nur mit Vorsegel - entschieden. So wurde die Sache überhaupt machbar. Spaß gemacht hat's trotzdem nicht. Neben dem Material wurden auch die Nerven der Bordfrau auf eine harte Probe gestellt. Mit diesem akuten Trauma liefen wir bei tief hängenden dunkelgrauen Wolken in den Hafen von Öckerö ein. Der hätte bieten können, was er wollte, wir waren ziemlich wenig begeistert. Auch das Angebot des örtlichen Hökers konnte nicht aufmuntern. Immerhin gab es einige Backwaren, die uns am Morgen zum Frühstück schon gefehlt hatten. Abends leerte die Bordfrau den Rest des Rotweinschlauches und der Skipper nahm etwas trockenen Sherry. So beruhigt fanden wir einen tiefen Schlaf.
Der Morgen begrüßte uns mit strahlendem Sonnenschein. Sofort waren wir etwas versöhnt mit Situation und Ort. Dennoch wollten wir auch hier nicht bleiben.

Öckerö

Wieder mit nordwestlichem Wind und kleiner Besegelung machten wir uns auf, weiter nach Norden. Der harte Schlag des Vortages hatte immerhin unser Selbstbewusstsein bezüglich der Manövriererei zwischen den Schären ziemlich erhöht, selbst unter schwierigen Bedingungen.

Für den Abend haben wir uns einen ersten Höhepunkt des Schärensegelns vorgenommen: Eine Ankerbucht hinter einer Schäre, die uns vor dem Westwind schützen sollte. Allerdings hatten wir uns die etwas privater vorgestellt, denn sie war bereits belagert von einer guten Handvoll Booten, die direkt am Stein festgemacht hatten. Diese Art festzumachen bleibt uns verwehrt, aufgrund unseres erheblichen Tiefgang und des senkrechten Stevens ohne Abstieghilfe.
Also klassisch mit Grundeisen. Unser erster Eindruck war wenig romantisch, denn kurz nach unserem Ankern kam noch ein ganzer Schwung von Sportbooten, Seglern wie auch Motorbooten, die ebenfalls die Festmacher an der Schäre suchten. Nur wir lagen vor Anker. Der Windschutz des Felsens reichte kaum, um unter dem grauen Himmel für Annehmlichkeit zu sorgen. Wir verkrümelten uns unter Deck und kochten uns tatsächlich ein wärmendes Heißgetränk. Erst später kam die Sonne wieder durch und der Wind ließ nach. So kam dann doch noch _das_ Ankerbucht-Gefühl auf, das wir gesucht haben, obwohl wir uns die Bucht am Ende mit achtzehn Booten teilen mussten.

Ankersundown

Es folgte eine seelenruhige Nacht mit tiefem, erholsamen Schlaf. Lange hielt der Schlaf jedoch nicht, denn die Morgensonne entfaltete mit voller Kraft ihre weckende Wirkung. Die spiegelglatte See verstärkte diese Wirkung durch die Reflektion. Unser Solarpanel trieb die Bordspannung auf weit über 13 Volt. Ein brötchenloses Frühstück verschaffte dem Skipper Kraft für das Ankermanöver. Sicherheitshalber hatten wir ein zweites Grundgeschirr am Heck ausgebracht, so dass gleich zweimal Sport getrieben werden musste, bevor wir das Vorsegel ausrollten. Leider war auch außerhalb der schützenden Bucht so wenig Wind, dass wir mit Maschinenkraft für Vortrieb sorgen mussten.
Der Einsatz des Motors war ohnehin geplant, denn unsere Fahrt sollte durch den Albrechtsund vorbei an Marstrand gehen. Dort ist das Fahrwasser so eng, dass Segeln fahrlässig wäre. Wir machten nur halbe Fahrt, weil die Landschaft und die Ansiedlungen derartig beeindruckten.

Albrechtsund

Irgendwann öffnete sich die schmale Rinne und vor uns lag Marstrand, der Ort, von dem alle Schärentouristen schwärmen. Im Törnführer steht, dass Marstrand konsequent auf 'finanziell potente Gäste' setzt, und so sieht es auch aus. Wir haben ein Monaco-Gefühl, als wir an den Häfen mit den Millionärs-Yachten vorbei schippern. Als Zielgruppe fühlen wir uns allerdings nicht angesprochen und passieren die High Society, sind aber froh, zumindest diesen Eindruck gewonnen zu haben.

Marstrand

Unser Ziel heißt heute Skärhamn, wo wir mit einem befreundeten Seglerpaar aus Strande verabredet sind, die bereits einige Wochen vor uns gestartet sind und uns schon auf ihrem Rückweg entgegenkommen.

Das sich öffnende Gewässer nördlich von Marstrand und die unglaublich schöne Schärenwelt täuschen nicht darüber hinweg, dass das Gebiet touristisch geflutet wird. Eine gefühlte Unendlichkeit an Booten, speziell auch Motorbooten schlängelt sich durch die bevorzugten Routen, die in den Seekarten ausgewiesen sind. Erst abseits derer findet man das ruhige Wasser, das entsteht, indem die Felsen die Wellen der offenen See brechen. Auf den vielbefahrenen 'Hauptstraßen' sind es die unzähligen Motorboote, die mit unangepasster Geschwindigkeit das Wasser wieder aufwühlen,  von der Geräuschkulisse ganz zu schweigen - schade. Es sind größtenteils auch Einheimische, die ihre Refugien suchen - und hinter allen möglichen Felsen finden. Dort stört dann nichts und niemand.

Wir kennen die Hauptstrassen nicht und so passiert es quasi aus Versehen, dass wir uns zwischen einsamen Felsen durchschlängeln. Das kann manchmal ganz schön kribbelig werden. Eine Durchfahrt war nur rund zehn Meter breit und ebenso hoch ragten steil die Steine nach oben. Das machte, dass es in der Durchfahrt absolut keinen Wind mehr gab und die Santanita drohte mangels Fahrt manövrierunfähig zu werden. Mit dem letzten Rest kinetischer Energie erreichten wir die Ausfahrt, an der sich das Vorsegel wieder füllte.

Angekommen in Skärhamn wurden wir bereits in der Hafeneinfahrt von einer jungen Mitarbeiterin auf einem Schlauchmotorboot in Empfang genommen und eingewiesen. Am Steg arbeiteten noch mehr junge Helferinnen mit roten Shirts und hießen uns hilfreich willkommen, indem sie uns die Mooringleine anreichten und die Vorleinen abnahmen - toller Service!

Rothemden

Die Crew der Hedda ist recht erfahren in dem Revier und gibt uns am Abend beim Konsum einiger Genussgetränke Tipps für die kommenden Ziele. Schon am darauffolgenden Tag fuhren sie weiter - für die Heimreise standen die Winde günstig. Für uns, die wir weiter nach Norden wollen, eher nicht. Skärhamn präsentiert sich uns sehr typisch, gastlich und mit einer äußerst freundlichen Kirche im Zentrum.

Grinsekirche

Wir bleiben ein paar Tage, genießen das inzwischen sommerliche Wetter und das Farbspiel der Sonnenuntergänge, wenn es nicht bewölkt ist.

Sundown_vor_Skärhamn

Außerdem erledigen wir ein bisschen Logistik (Einkauf, Wäschewaschen, Reinemachen), was auch beim Leben auf dem Boot notwendig ist.
Das Ende unserer vierten Woche verleben wir also in Skärhamn. Entgegen der ersten, anstrengenden Zeit sind wir nun wirklich im Urlaub. Wir stellen uns vor, dass die ersten drei Wochen üblicherweise unser gesamter Jahresurlaub gewesen und dass wir dann ziemlich enttäuscht wären. So aber sind wir sehr glücklich, dass das eben nicht der Fall ist. Trotzdem drängen sich erste Gedanken an die Rücktour auf. Erstmal wollen wir aber noch etwas in diesem traumhaften Revier bleiben.

Schwarz und Weiß

Wie im echten Leben wechselt sich auch in unserem Urlaub die Erlebnisqualität ab - von Schwarz bis Weiß
Am gestrigen Sonntag haben wir mit leichten Zweifeln unseren Liegeplatz in Skärhamn aufgegeben, mit dem Ziel einer Ankerbucht bei Härmanö. Das scheinbar einfache Ablegemanöver geriet zum Desaster. Übervorsichtig, um nicht wie bereits beim Eintreffen mit dem Kiel eine Mooring-Leine unter Wasser zu fangen, hielt der Skipper etwas unentschlossen zu viel Abstand und begann zu spät Maschinenkraft gegen den abtreibenden Wind einzusetzen. Dadurch vertrieb die Santanita vollends in dem engen Hafen und wurde zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller Umliegenden. Wir trieben quer vor die Hecks der am Ende des Beckens liegenden Boote und schafften es erst mit fremder Hilfe, den Bug wieder gegen den Wind in Fahrtrichtung zu bekommen. Ein kleiner Kratzer in unserem Steven wird bleibend an dieses Unglück erinnern. Mit diesem ernüchternden Erlebnis verließen wir den Hafen.
Laut Vorhersage wäre die rund 10 Meilen lange Fahrt mit moderatem Wind von der Seite verlaufen, tatsächlich wurden wir einmal mehr von knackigem Wind fast von vorne überrascht. Zwei kräftige Böen und die Aussicht, noch höher an den Wind zu müssen, machten klar, dass Segeln nach dem üblen Hafenmanöver alles nur noch schlimmer machen würde. Also haben wir uns für Maschinenfahrt entschieden - mit übler Stimmung. Unterwegs kamen wir vorbei an dem Hafen Mollösund, und es entstand die spontane Idee, den Tagestörn abzubrechen und dort einzulaufen, aber schon in der Hafeneinfahrt wurde offensichtlich, dass der kleine Hafen gnadenlos überfüllt war und wir auf engstem Raum würden manövrieren müssen - genau das also, was keine zwei Stunden vorher fast desaströs gescheitert ist. Das Einlaufen wurde kurz hinter der Hafeneinfahrt deswegen durch einen U-Turn abgebrochen und der ursprüngliche Plan mit nicht besserer Stimmung wieder aufgenommen. Mit der Kraft des gebundenen Kohlenstoffes setzten wir die Fahrt fort - bis hierhin ein ziemlich schwarzer Tag.

Das änderte sich augenblicklich, als der Anker in der Buch von Härmanö lag und wir nach einem Getränk die Anspannung Stück für Stück ablegen konnten. Die Bordfrau hatte einen herausragend schönen Platz ausgesucht. Die kräftigen Böen sollten noch etwas Bestand haben, aber der Anker hielt fest und das vorgelagerte Schärengestein gab einen guten Schutz. Zusammen mit etwa zehn anderen Booten genossen wir den Sonnenuntergang.

Sundown Hörmanö

In der Nacht beruhigte sich der Wind, und am Morgen wurden wir von der ganzen Schönheit der kargen Natur in gleißender Sonne begrüßt. Eine der festen Bojen des Schwedischen Fahrtenseglerverbandes wurde frei. Das nahmen wir als Anlass für die Entscheidung, den Tag und eine weitere Nacht in der Bucht zu verbringen. Fix den Anker aufgenommen und die Santanita ab die sichere Boje geknüpft, waren wir derart in Aktion, dass wir gleich anschließend unser Kajak startklar machten. Das ist eine ziemliche Arbeit, weil das gute Stück recht gewichtig ganz unten in der Backskiste wohnt und nach dem kompletten Ausräumen des Stauraumes erst aufgeblasen werden muss. Aber was tut man nicht alles für die Aussicht auf einen Ausflug in ein Naturreservat - und der Aufwand wurde belohnt!
Es ist schon etwas eigenartig, das Boot allein auf See zu lassen und sich mit dem Kajak zu entfernen. Zumindest für uns war das eine neue Erfahrung - und eine neue Perspektive.

Kajak vor Ankerplatz

Das Naturschutzgebiet auf der Insel ist auf beschilderten Pfaden zu begehen. Das Verlassen dieser Pfade ist einerseits ganz offensichtlich unerwünscht, außerdem durch die Unwegbarkeit nahezu unmöglich. Aber auch die Eindrücke, die sich uns von den vorgesehenen Wegen boten, waren großartig! Die wissende Bordfrau fand überraschende Flora.

Geißblatt

Leichte Anhöhen, geschätzt bis 50 Meter über dem Meeresspiegel, verschafften uns Panoramen, die weder mit Worten zu beschreiben noch mit Bildern einzufangen sind. Ausgerechnet unsere Ankerbucht konnten wir leider nicht sehen.

Panorama aus 50m

Nach dem Rückweg fanden wir unser Kajak am Strand vor wie wir es abgelegt hatten. Dass das anders sein würde, war ja auch ziemlich unwahrscheinlich. Vielen Menschen waren wir nicht begegnet. Zurück auf der Santanita nahmen wir ein Bad in der Bucht und sonnten uns im Cockpit. Für den Tag drauf wollten wir wieder einen Hafen ansteuern, also wurde das Kajak wieder verstaut, erneut relativ mühevoll. Trotzdessen hat uns der Einsatz voll überzeugt.

Kajakanfahrt

Abends beginnt ein Halsschmerz die Bordfrau zu quälen. Wir hoffen, dass sich dies nicht auswächst, liegen aber leider falsch.

Unser nächstes Ziel ist wieder ein Hafen: Grundsund: Der Törn dorthin bei schwachem Wind, nur mit Vorsegel, dauert gut drei Stunden, obwohl es nur knapp sechs Meilen sind. Wir sind froh, ohne schlimmen Wind zu segeln und nehmen die langsame Fahrt in Kauf. Vorbei geht es an Gullholmen, einem touristisch vollständig erschlossenen Ort, der sofort Erinnerung an Marstrand hervorruft. Wir fahren wieder vorbei - im massiven Schwell der ungezügelten Motorboote, die zwischen den teils ebenfalls motorenden Seglern Slalom fahren.

Slalom

Der Skipper hatte am Abend die Route geplant und dabei Wegoptimierung betrieben. So segelten wir kurz vor unserem Ziel zwischen zwei Felsen hindurch, die wirklich sehr eng beieinander stehen, deren Durchfahrt aber laut Kartenwerk tief genug sein soll. Die Sache wurde derart knapp, dass die Bordfrau bereits den Finger auf dem Startknopf der Maschine hatte, wir aber mit allerletzter Fahrt doch unter Segen durchkamen. Auf dem linken Fels steht ein Haus, dessen Bewohner uns beglückwünschte, dass wir in diesem Jahr die Ersten seien, die die Enge unter Segeln bewerkstelligten. Auf sein nahezu akzentfreies Deutsch angesprochen, erklärte er, er habe eine Zeit in der Schweiz gelebt. Fast wäre ein ausgiebigeres Gespräch daraus geworden, aber auch mit unserer geringen Fahrt entfernten wir uns dann doch wieder.

Enge

Beim Einlaufen in Grundsund lösten sich gerade die Päckchen am Kai auf, und eine kleine Lücke tat sich auf, die wir mit einem präzisen Anlegemanöver für uns nutzten. Gleich gab es den nächsten Glückwunsch von der Hafenmeisterin, die von 'Toll gemacht - passt perfekt für Euch' sprach. Schön, so begrüßt zu werden - und ein willkommener Streichler für die Santanita-Crew nach dem traumatisierenden Ableger in Skärhamn.

Alles zusammen können wir nach dem 'schwarzen Tag' von einigen Sternstunden und besten Erlebnissen berichten - 'weiße Tage' sozusagen.

Fendertest

Nach dem Regen des Abends kam der Regen der Nacht. Nach dem Regen der Nacht kam wieder der Starkwind. Die Santanita liegt nur mittelmäßig geschützt am Kai und wird von dem heftigen Wind an die Wand gedrückt. Am frühen Morgen wird die Besatzung durch das Knartschen der Fender geweckt und der Skipper wird tätig. Eine neue Konfiguration der Puffer und eine zusätzliche Leine verschaffen wieder Ruhe, soweit man bei dem ordentlich durchgeschüttelten Boot von Ruhe sprechen kann. Hoffentlich platzen die Dinger nicht! Immer wieder werden wir in ordentlich Schräglage geschubst. Bereits vor einigen Tagen ist uns in so einer Situation ein Glas rote Soße vom Tisch in der Kombüse gerutscht - zum Glück ohne Schaden. Das wäre eine schöne Sauerei geworden. Vielleicht müssen wir künftig unsere Ausrüstung auch am Liegeplatz festlaschen.

ungeschützt

Die Wettervorhersagen für die kommenden Tage sind pur unerfreulich: Wahlweise gibt's Gekachel oder Gekübel, beides satt und gerne auch gleichzeitig. Heute ist Sturm. Alle paar Minuten zieht eine dreißig-Knoten Böe durch den Hafen, die gekreuselten Schlieren auf der Wasseroberflächen zeigen es deutlich. Es heult und pfeift, den ganzen Tag lang. Das nervt, und daran gewöhnt man sich auch nicht. Der Skipper ltscht gepeinigt einmal um das ganze Becken, um ein am Mast schlagendes Fall einer unbelebten Yacht festzumachen, weil es den ganzen Hafen beschallt wie ein Glockenturm. Wir können nicht leugnen, dass die Perspektive auf weitere Hafentage etwas mürbe macht und auch ein bisschen auf die Stimmung schlägt. In wenigen Tagen endet unsere dritte Urlaubswoche. Hätten wir nicht das erheblich große Glück weiterer Zeit, wäre diese Sommerfahrt ein ziemlicher Flop gewesen. Aber so motiviert sich die Bordfrau durch Lektüre der Törnführer und Hafenhandbücher für die Weiterreise nach dem Sauwetter - in ein paar Tagen.

Auf dem Dach des Hafenmeisterhäuschens werden mit roten Leuchtziffern die aktuellen Winddaten gezeigt, in Metern pro Sekunde, was physikalisch schön und richtig ist. Man multipliziert grob mit zwei, um die unter Seglern gebräuchlichen Knoten für die Windgeschwindigkeit zu erhalten.

15,8

Die folgende Nacht ist wenig erholsam. Zu zappelig sind die Bewegungen des Bootes, von 'in den Schlaf schaukeln' kann nicht mehr die Rede sein. Die sich an der Wasseroberfläche aufbauenden Kabbelwellen sind nicht mehr klein. Sie hämmern unter das flache Heck der Santanita, dass es klingt, als säße man in einer Schmiede.

Am Morgen sind wir gerädert und beschließen, das kleine Wetterfenster, das eine kurze Weiterfahrt ermöglichen könnte, nicht zu nutzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass noch hohe Wellen stehen und das Fehlen eines nahegelegenen Ortes, in dem man weiter Abwettern könnte, lassen uns in Varberg bleiben. Inzwischen haben wir auch Freundschaft mit den Schwalben in den Reifen geschlossen.

Reifenbewohner

Wir drehen erneut eine Runde durch die kleine Innenstadt, stellen dabei fest, dass es hier eine geradezu wahnwitzige Dichte an Friseuren gibt. Ohne sie wirklich gezählt zu haben, sind wir absolut sicher, dass es sich um deutlich mehr als ein Duzend handelt - in den acht kleinen Straßen, die das Zentrum ausmachen. Hinter der Festung, die wir bereits gestern besucht haben, ist eine stattliche Bühne für ein Festival aufgebaut worden. Headliner ist am Samstagabend DJ Ötzi. Zum Glück steht da diese Festung zwischen Partygelände und Hafen....

Festival

Am Abend sendet Petrus uns die Bestätigung für das Bleiben. Grobe Böen und amtlicher Regen sorgen auch bei den Partypeople für Unterbrechungen der Veranstaltung. Wir sind darauf eingestellt und verbringen die Zeit unter unserer inzwischen heiß und innig geliebten Kuchenbude. Es gibt eine von der Bordfrau bereitete Gemüsepfanne, dazu ein mediterran inspiriertes Brot vom lokalen Bäcker, abschließend Espresso - so geht's auch!