Die dreizehnte Woche war unsere letzte Woche - da gab es kein Vertun mehr. Aber es wehte weiter Südwind, manchmal weniger, meist mehr. Die Prognosen machten uns verrückt, besser: Wir ließen uns verrückt machen! 72 Stunden schauten wir immer und immer wieder auf unseren gewohnten Vorhersageportalen nach dem geeigneten Slot für die Heimreise. Ursprünglich hatten wir den Dienstag dafür vorgesehen, aber die Prognosen schienen das auszuschließen. Aber plötzlich, am Abend davor, veränderten sich die Prognosen zu unseren Gunsten, so, als wollte Petrus, dass wir gut nachhause kommen. Und so taten wir es dann auch. Wir kauften noch einige dänische Lebensmittel als Souvenirs, stellten uns den Wecker und verließen Hörup am Dienstag um 8:00 Uhr. Erst mit ganz leichtem Wind, dann etwas zügiger kreuzten wir mit zwei Schlägen aus der Mündung der Flensburger Förde, um dann gegen den über Tag linksdrehenden Südostwind südwärts zu segeln. Als Möglichkeit hatten wir erwogen noch für einen Zwischenstopp in die Schlei zu gehen, aber die Fahrt lief gut, und so zogen wir durch. Im Sperrgebiet Schönhagen lag ein graues Schiff und dominierte gefühlt die Szenerie. Einige Tage vorher wurden wir informiert, dass ein großes, internationales Marinemanöver durchgeführt werden sollte, und es waren augenscheinlich gar keine Sportboote vor dem Sperrgebiet unterwegs. Das Übungsgebiet hatte das Militär großzügigst abgesteckt.
Verunsichert, rief der Skipper per UKW das Marineschiff aber die Rufe wurden nicht erwidert. Also haben wir das Sperrgebiet östlich umfahren und wurden daran auch nicht gehindert. Schöne Eindrücke hinterließ das nicht. Das Bild nennen wir 'Bahnmarke mit Wettfahrtleitung'.
Später, auf der Eckernförder Bucht, lag das nächste graue Schiff im leichten Nebel. Das entpuppte ich aber beim Annähern als Forschungsschiff.
Als wir bei Bülk in die Strander Bucht steuerten hatten wir einen ziemlich dicken Kloß im Hals. Emotionen, gemischt aus dem Geschafft-Haben und dem Ende unserer Auszeit überkamen uns. Wir feierten und waren traurig zugleich.
Noch vor dem Bergen der Segel wurden wir von einem Vereinskameraden aus der Jolle begrüßt. Unser Liegeplatz war frei gemacht worden, weil wir unsere Heimkehr angekündigt hatten. Also lag die Santanita bald wieder da, als wäre nichts gewesen.
Um die Heimkehr nicht zu überstürzen, blieben wir noch drei Nächte an Bord. An einem Tag holten wir unser Auto aus der Stadt, um mit dem Räumen zu beginnen. Die Stadtfahrt fühlte sich eigenartig an. Seit drei Monaten waren wir nicht mehr in einer so großen Stadt. Speziell der Bordfrau bereiteten der Lärm und die vielen Menschen Schwierigkeiten. Zu lange hatten wir uns an Ruhe gewöhnt.
Am Freitagnachmittag zogen wir um in unsere Stadtwohnung. Gleich wurden wir vereinnahmt von Teilen der Normalität: Post sichten, Wäsche waschen, Rückmeldungen veröffentlichen, Einkauf einer Kühlschrank-Grundausstattung.... Es zeigte sich, dass der Alltag sehr schnell wieder einziehen würde. Noch schnell ein paar Statistikdaten zu unserer Reise zusammengestellt, und schon konnte der Skipper sich wieder Brote schmieren für den ersten Bürotag.
Unsere grobe Planung hieß 'in kleinen Schlägen südwärts' und 'Urlaub vom Urlaub'. Tatsächlich war die Rückfahrt bisher nicht die pure Entspannung. Der gute Tipp "Die Rücktour ist auch Urlaub' bewahrheitete sich für uns nur zur Hälfte. Zwar hatten wir frei, lebten auf unserem Boot und kein Wecker klingelte, aber dennoch war da die Notwendigkeit voranzukommen und termingerecht zuhause zu sein. Daran änderte auch das große Zeitfenster nichts, denn entsprechend dessen hatten wir uns ja auch weit entfernt. Naja, das war Gejammer auf hohem Niveau. Wir genossen die Zeit. Trotzdem war es schon fatal: Gefühlt wollten wir immer dorthin, wo der Wind herkam, jetzt südwärts. Für die kommenden Tage (und Wochen, soweit man den Vorhersagen so lange vertrauen darf) waren ausschließlich südliche Winde angesagt, größtenteils mehr als uns das lieb ist. Aber was soll's. Zunächst wollten wir weiter nach Middelfart, allerdings nicht in den Stadthafen, sondern in die Marina südlich der Halbinsel. Ein kleiner Schlag, wegen der genannten Widrigkeiten, aber eine kleine Erleichterung bezüglich des Vorankommens.
Middelfart
Die Fahrt westwärts zur Einfahrt in das 'Geschlängel' bei Fredericia war mit Halbwind ruppig genug, um die Genua eingerollt zu lassen. Bei Strib nahmen wir auch das Groß runter und ließen uns auf den kurzen Stücken südwärts vom Diesel unterstützen. Wo es möglich war, nahmen wir das Vorsegel als Antrieb. Weil wir erst gegen 14:00 Uhr gestartet waren, wurde es Abend, bis wir im Hafen alles fertig hatten, um zu relaxen. Es gab eine von hundert Varianten von Nudeln mit roter Soße, und wir blieben am Abend in der etwas vom Ort abgelegenen Marina. Wir hatten einen der letzten Liegeplätze ergattert, entsprechend viele Boote tuckerten suchend nach uns zwischen den Stegen umher. Am kommenden Wochenende sollte eine Regattaveranstaltung mit H-Booten und OK-Jollen stattfinden, außerdem eine Wettfahrt von Dickschiffen 'rund Brandsö'. Der Skipper fühlte sich an den Wettfahrtausschuss unseres Vereins, des TSV Schilksee, erinnert. Er würde alsbald nach der Rückkehr eine Sitzung vorbereiten, um die kommende Regattasaison zu besprechen. Die Aktivisten hier in Middelfart erinnerten ihn an seine eigene Tätigkeit. Am Veranstaltungswochenende ist man quasi rund um die Uhr im Einsatz....
Tags drauf unternahmen wir einen Spaziergang in die Stadt. Es ging nur um die Ergänzung der Vorräte. Am Nachmittag begannen wir mit den Vorbereitungen für den nächsten Schlag, den wir am frühen Morgen angehen wollten. Der Skipper bereitete ein 'Sonntagsgulasch', obwohl es nicht Sonntag war. Die Rezeptur enthält jedoch die Sammlung der Reste der Woche, daher der Name. Alles kommt in einen Topf, wird erhitzt und mit Nudeln ergänzt - super Sache!
Assens
Der Schlag nach Assens zeigte, wie glücklich ein Tag verlaufen kann - gewissenhafte Planung als Grundlage vorausgesetzt. Um 7:00 Uhr klingelte der Wecker (zum dritten Mal in diesem Urlaub), um 8:00 Uhr warfen wir die Leinen los. Nach kurzer Motorfahrt setzten wir die Segel und haben eine gepflegte Kreuz nach Assens in den kleinen Belt gepflügt. Angekommen machten wir in aller Ruhe Klarschiff, Hafengeld und Kuchenbudenaufbau, dann begann es pünktlich zu gewittern und es schüttete wie aus Eimern.
Wir saßen entspannt in unserem lieb gewonnenen Cockpitzelt und genossen das Schauspiel - bis hin zum Regenbogen, als das Gewitter sich verzog.
Ein paar Tage verweilten wir in Assens. Der Hafen genießt einen eher durchschnittlichen Ruf. Allerdings arbeitet man dort ehrgeizig daran, die Mängel zu beseitigen. Für den recht langen Weg in den Ort hat man zum Beispiel kostenfreie Leihräder zurVerfügung gestellt - klasse! Die Werft auf der gegenüberliegenden Seite des Sportboothafens bleibt allerdings ein Störfaktor. Dort wird frühmorgens mit der Arbeit begonnen und teils bis spät in die Nacht äußerst vernehmlich (störend) gearbeitet.
An einem Tag bekamen wir Besuch von einem langfahrterfahrenen Seglerpaar, die im vergangenen Winter mit ihrer Regattayacht die Biskaya überquert haben. Wir saßen ein bisschen zusammen und haben uns ausgetauscht. Für uns gab es unter anderem Tipps für die Materialauswahl für ein neues Vorsegel, das wir im Winter anschaffen wollen, um künftig besser mit starken Winden umgehen zu können.
Die südlichen Winde hielten an. Als die Windgeschwindigkeit etwas sank, ergriffen wir die Gelegenheit und liefen aus. Mehrere Ziele hatten wir auf dem Plan - erst auf See wollten wir entscheiden, welcher Kurs am besten zu segeln sei. Dabei fiel unsere Wahl auf den Südwestkurs in Richtung Alsfjord und das Ziel Höruphav. Aerö als Alternative ließen wir daher aus. Die Fahrt verlief recht einfach, aber lang. Im Sund motorten wir, vor der Klappbrücke in Sonderburg mussten wir eine knappe Stunde warten. Von Sonderburg nach Höruphav gab's dann nochmal tüchtig Wind, so dass wir am Ende gut erschöpft aber zufrieden ankamen.
Höruphav
Den Hafen in Höruphav kennen wir gut. Das machte den Aufenthalt einfach, weil wir nichts erforschen mussten. Allerdings erzeugten die Umstände Unruhe in uns. Schon am ersten Tag unseres Besuchs drehte der Südostwind auf. Wir hatten das kommen sehen und einen sehr guten Liegeplatz mit dem Bug genau in diese Richtung eingenommen. Allerdings erzeugten die Vorhersagen weiterhin Anspannung. Der stramme Südost sollte anhalten, was für uns hinsichtlich der weiteren Heimfahrt sehr unglücklich war, aber auch die Zeit am Steg wurde getrübt durch das permanente Geheule und Gepfeife. Wir versuchten es auszublenden, auch unter Zuhilfenahme der letzten geistigen Schlucke aus der Giftkiste, aber das gelang nur mittelmäßig. Es war warm und sonnig und trotz allem genossen wir die Zeit.
Ein echtes Highlight, wie eine Krönung unserer langen Reise, war die Mondfinsternis am Sonntagabend. Aus dem Vereinsheim hatten wir perfekten Blick auf das Schauspiel, als der Mond aus dem Erdschatten auftauchte.
Der Besuch der Freunde aus Kiel war toll. Die beiden kamen mit der Fähre aus Frederikshavn, im Gepäck neben einer Grundausrüstung für die Übernachtung einen Schlauch Rotwein, da sie in unserem Reisebericht von der Neige gelesen hatten. Vielen Dank! Natürlich wurde am Abend die Qualität des Getränks gewissenhaft getestet, auch, um in der wegen des aufgekommenen Windes etwas rumpeligen Nacht gut in den Schlaf zu kommen. Die Strategie funktionierte hervorragend. Nach einem Frühstück trennten sich unsere Wege etwas früher als vorgesehen. Die Fähre zurück fuhr erst um 15:00 Uhr, aber die Santanita-Crew erkannte eine gute Wettergelegenheit, um noch an diesem Tag den zweiten Teil des Schlags an die dänische Ostküste zu absolvieren. Also legten wir gegen 13:00 Uhr ab und überließen unseren Besuch einer Entdeckungstour auf Laesö, bevor sie mit dem großen Stahlschiff ebenfalls zurück fuhren.
Mit feiner Brise segelten wir westwärts und genossen die ruhige Fahrt. Knapp 13 Meilen lagen vor uns, aber leider schlief der Wind nach der Hälfte der Distanz ein. Die Dünung, die noch vom Wind der vergangenen Nacht vorhanden war, brachte die Segel zum Schlagen und nervte ungemein. Also mussten wir für die letzten Meilen wieder die Maschine bemühen.
Saeby
Der kleine Ort Saeby war uns empfohlen worden - wir haben vergessen von wem, aber die- oder derjenige hat uns einen guten Rat gegeben. Saeby ist toll. Der Hafen ist groß, die Gästeplätze waren fast alle frei. Wir nahmen eine Box mit viel Abstand zu anderen und genossen die Ruhe. Da die Uhrzeit schon recht fortgeschritten war, gingen wir zum Hafenbistro und bestellten Fish and Chips. Die waren lecker, lagen uns aber noch einige Zeit auf dem Magen.
Als wir am Tag drauf den Ort etwas erkundeten, bekamen wir den vollen Kontrast geboten: Waren es in den vergangenen Wochen karge, felsige Landschaften, befanden wir uns hier in sattem Grün aus Wiesen, Büschen und Bäumen, liebevoll angelegt als Garten oder Park. Natürlich hatte die Schroffheit der schwedischen Westschärenwelt ihren Reiz, aber wohliger fühlten wir uns hier. Die Bordfrau beschloss, dass Saeby der Wohlfühlort Nummer Eins in Dänemark während dieser Sommertour wäre, wenngleich noch einige Orte zu besuchen sein würden.
Und als wir da so lagen, rechts zehn frei Plätze, links zehn freie Plätze, kam eine 39-Fuß-Yacht in den Hafen und wählte nach ausgiebiger, lautstarker Diskussion genau den Platz an unserer Seite. War die Abstimmung um die Wahl des Platzes schon laut, wurde das Anlegemanöver noch lauter. Extrem aufgeregt hallten die Rufe vom Vorschiff durch den Hafen: "Man kann da nirgends festmachen!" Komisch: Wo waren unsere Vorleinen wohl angebunden? Kaum war das Geheimnis gelüftet und die vier Strippen des Bootes irgendwo angeknotet, durften alle Bootsbewohner den Skipper mit einem Kumpel funken hören "Komm' rein, neben mir ist frei!". Wenige Minuten später folgte eine noch größere Yacht. Mit lautem Juchhei fuhr diese so geschickt in die Nebenbox, dass der Buganker sich in einer Relingsstütze des Erstgekommenen verfing und die gesamte kinetische Energie des Acht-Tonnen-Bootes in Deformationsenergie umgewandelt wurde. "Nichts passiert!" rief der Eine. "Doch, die Stütze ist verbogen!" rief der Andere. "Macht nichts, ich habe immer Stützen dabei!" rief wieder der Eine. Die Santanita-Crew dachte sich ihren Teil und begann die Ruhe zu vermissen. Glücklicherweise streiften die Neuankömmlinge relativ schnell ihre Aufgeregtheit ab und es fand auch kein großer Austausch statt. Dass beide Boote für den frühen Morgen die Weiterfahrt planten, stimmte uns zuversichtlich, die Ruhe wiederzuerlangen, und so kam es dann auch. Am nächsten Morgen waren die Unruhestifter verschwunden.
Der Versuch, einen Friseur zu besuchen, scheiterte erneut. Man sei "wegen der Ferien" auf vier Wochen ausgebucht. Wir glaubten, dass die Ferien zu Ende seien, aber die Aussage war klar: Kein Haarschnitt. Weil dem Skipper die Mähne juckte, wurden wir selbstständig tätig. Mit Rasiermaschine und Kamm bewaffnet suchten wir einen windigen Platz etwas am Rande der Hafenanlage und los ging's. Die Bordfrau wurde als Coiffeuse tätig, und wenig später war ein Gutteil der Matte ab, verflogen in alle Richtungen. Außerdem wurde die Bordkasse um rund 300 dänische Kronen verschont. Der Skipper denkt, die Frisur wird einen Trend setzen!
Saeby wählten wir als Ort für unser romantisches i-Tüpfelchen. Eine Brücke, die alten und neuen Hafen miteinander verbindet, diente dazu.
Am Mittwoch kam der Tag der Abreise. Wir nahmen uns einen ordentlichen Schlag vor, weil an der Ostküste Jytlands scheinbar keine für uns attraktiven Ziele lauerten. Außerdem rückt - auch wenn es noch dauert - das Ende unserer Reisezeit in Reichweite. Überhaupt ranken sich die Gedanken immer häufiger um Heimkehr, Wiedereinstieg in den Alltag und ähnliche Dinge. Aber noch können wir das erfolgreich verdrängen.
Auf keinen Fall konnte es schaden, die Entfernung von der Heimat stückchenweise zu reduzieren und so sollte es an diesem Tag gen Süden gehen. Nordwind war angesagt - scheinbar optimale Bedingungen. Wir verließen den Hafen mit gerefftem Großsegel, weil der harte Wind der Nacht noch nicht sehr weit abgeklungen war. Es hatte sich eine hohe, südwärts laufende Welle aufgebaut, die uns später noch sehr nerven sollte. Zunächst ging es mit raumem Wind von der Küste weg, denn innerhalb der ersten zwei Meilen ist ein Seegebiet für die Nutzung von Fischerei ausgeschrieben. Stellnetze und Reusen sind dort großflächig ausgebracht, und die wollten wir uns natürlich nicht einfangen. Als ein ausreichender Abstand erreicht war, fielen wir ab auf einen Südsüdost-Kurs Richtung Grenaa. Das wurde eine ziemliche Eierei, weil der Wind so sehr von hinten kam, dass das Großsegel den Wind für das Vorsegel abdeckte und dieses durch das Schlingern des Bootes in der Welle hin und her schlug - extrem nervig. Also mussten wir unseren eigentlichen Kurs verlassen und durch etwas östlichere Richtung einen Windeinfall für das Vorsegel ermöglichen. um später durch eine zu westliche Richtung zurück zu unserem eigentlichen Kurs zu finden. (Für Nicht-Segler: Kreuzen vor dem Wind). Nach zwei relativ großen Schlägen schien der Wind etwas zu unseren Gunsten gedreht zu haben, und wir konnten Grenaa anlegen. So kamen wir endlich gut voran. Wir hofften, dass diese Situation stabil bleiben würde und nahmen das Reff aus dem Groß, um noch schneller zu segeln. Nach einigen Stunden ließ der Wind nach und die alte Welle begann unser Nervenkostüm zu erproben. Geschätzt eineinhalb Meter hohe Wogen liefen unter unserem Boot hindurch, wodurch eine stabile Segelführung irgendwann nicht mehr zu ermöglichen war. Anluven, abfallen, anluven, abfallen... Der Autopilot konnte das schon seit Langem nicht mehr leisten, also steuerten wir per Hand. Trotz des Einsatzes kam es immer wieder zu Schlägen im Rigg, weil das durch Leeneigung eingefallene Tuch beim Zurückschaukeln nach Luv ruckartig gefüllt wurde. Außerdem verloren wir an Geschwindigkeit und die errechnete Ankunftszeit wurde später und später. Um ein Ende der Fahrt absehbar zu machen, entschlossen wir uns irgendwann zur Motorfahrt. Es waren noch einige Meilen zu fahren, aber der Tank war voll und die Nerven waren leer. Also runter mit den Textilien und mit 1800 U/min Marschfahrt auf Kurs. Die Santanita läuft in dieser Betriebsart rund 4,5 Knoten, die Ankunftszeit war dadurch absehbar bei ungefähr 23:00 Uhr. Doch langsam aber sicher wurde die Geschwindigkeit (gemessen per GPS, also über Grund) kleiner und kleiner. Nach etwas Ursachenforschung kam ans Licht, dass wir mit Annäherung an die Küste in eine Gegenströmung gerieten, die an der nordöstlichen Landspitze der Halbinsel 2 Knoten und mehr ausmachen würde. Nebenbei schaukelten uns die Wellen weiter durch, so dass die Bordfrau schon prophylaktische Maßnahmen gegen die Seekrankheit ergriffen hatte. Irgendwas ist ja immer, diesmal mit positiver Auswirkung: Der Sonnenuntergang auf See ist ein besonderes Spektakel, weil man wirklich bis zum Horizont sehen kann. Diese Möglichkeit eröffnete sich uns durch die lange Fahrt.
Als der rote Himmel abgebaut war, wurde es richtig dunkel. Es gab in dieser Nacht keinen Mond und selbst das Sternenlicht wurde durch die leichte Bedeckung abgehalten. Rund um ums war schwarze Nacht, nur ein paar Seezeichen deuteten uns an, weiter auf dem richtigen Weg zu sein. Die erkannte Strömung ließ uns langsamer und langsamer werden. Wir erhöhten schrittweise die Drehzahl der Maschine, um immerhin noch 3 Knoten zu fahren. Gegen Mitternacht krochen wir um die Landspitze und die Lichter von Grenaa tauchten auf. Es war inzwischen kalt und wir hatten uns eingepackt bis zu den Ohren. Noch um ein paar gesetzte Wegepunkte herum und gegen 01:30 Uhr liefen wir im Hafen ein. Dieser entpuppte sich als äußerst sparsam beleuchtet, so dass wir uns zunächst zwischen den Stegen verfuhren. Glücklicherweise war fast kein Wind mehr, so dass wir sicher auf engem Raum manövrieren konnten. Mit einem Scheinwerfer in der Hand suchten wir einen Liegeplatz und fanden schlussendlich den Platz frei, auf dem wir auf dem Hinweg bereits gelegen hatten. Also hinein da! Ansage vom Vorschiff "fünf Meter, vier Meter, drei Meter, zwei Meter .... zwei Meter noch .... noch ZWEI METER!!". Ein kurzer Blick auf das Echolot verriet das Problem: Wir steckten im Schlick und kamen nicht mehr voran. Offensichtlich hatten wir Niedrigpegel und kein Wasser mehr unter dem Kiel. Mit einem 'Das muss doch gehen!' wurde die Motorleistung noch einmal erhöht, und wir haben uns in den Platz gerammt, auf dass das Wasser wieder steigen möge. Vier Leinen fest und abgeklatscht. Das war ein langer Törn. Um halb drei nachts gab es noch einen heißen Nudeltopf und ein großes Bier, dann haben wir wie betäubt geschlafen. Noch am nächsten Morgen schwankten alle Räume von der stundenlangen Einwirkung der alten Welle - Erlebnisurlaub.
Nun waren wir also zum zweiten Mal in Grenaa. Unser erster Besuch war sieben Wochen her. Da sollte die Feriensaison vor Ort am Tag unserer Abreise beginnen. Nun war die Saison vor einigen Tagen zu Ende, die Umstände somit ziemlich ähnlich. Trotzdem entdeckten wir Grenaa neu und auf andere Art und Weise. Waren wir beim ersten Besuch abgeschreckt von der Beschreibung, dass der nahegelegene Höker ganz klein sei, haben wir ihn diesmal trotzdem aufgesucht - und so klein war der gar nicht! Das sparte uns den langen Weg in das rund dreieinhalb Kilometer entfernte Ortszentrum. Am Tag nach der Erholung von der langen Fahrt ergriff die Bordfrau Initiative und motivierte den trägen Skipper zu einem Spaziergang. Währenddessen fanden wir einen "Kunstpfad", den dann der Skipper unbedingt begehen wollte - und das war wirklich toll! Knapp 60 Kunstwerke wurden präsentiert auf einem rund vier Kilometer langen Spaziergang durch den Wald, teils abstrakt und modern, teils aus Abfällen und mit mahnender Botschaft zum Erhalt des Lebensraumes.
In dem Exponat "Giv Tid" (Nimm' Dir Zeit und hab' Geduld) meinte ein befreundeter Vereinskamerad den Santanita-Skipper zu erkennen, was diesen nur grinsend und achselzuckend denken lässt, dass er immerhin als Vorlage für eine monumentale Skulptur dienen könne!
Insgesamt hat Grenaa einen viel besseren Eindruck hinterlassen als vor sieben Wochen. Wenn nun noch der Hafenmeister auch am Wochenende da gewesen wäre, hätten wir uns Räder leihen können und einen zweiten Versuch unternommen, um ein bisschen Musik in der knapp vier Kilometer entfernten 'Innenstadt' zu hören. Es war aber schon Off-Season, und da hat der Hafenmeister Teilzeit....
Eine Reise mit einem Segelboot birgt immer Potenzial für Überraschungen - so auch die Fahrt von Grenaa nach Sejerö. Mit halbem Wind wollten wir die knapp 35 Seemeilen einfach absegeln. Die geplante Route bestand im Wesentlichen aus einer langen Geraden bis zur Nordwestspitze der kleinen Insel, die die Bordfrau als Ziel ausgerufen hatte. Und so fuhren wir - erst langsam, dann etwas schneller, dann noch etwas schneller, es lief toll. Irgendwann baute sich eine Welle auf, scheinbar ohne Richtung, kabbelig und durcheinander. Der Wind nahm zu, und wir wurden weiter schneller. Die Welle schien sich zu überlagern mit einer weiteren Welle, die für uns seitlich einlief. Der Wind nahm weiter zu, war inzwischen deutlich über der Vorhersage, die Wellen wurden noch höher, aber nicht weniger durcheinander, dafür war jede zweite Woge mit annähernd abreißenden, weißen Kronen verziert. Die Rumpfgeschwindigkeit der Santanita war längst stabil überschritten. Die Wohlfühlgrenze wurde erreicht, als ein Verkehrstrennungsgebiet näher kam, wo die dicken Pötte unseren Weg queerten. Oder queerten wir deren Weg? Eine sichere Durchfahrt konnte nur gewährleistet werden, indem wir Fahrt rausnehmen würden. Wir fuhren etwas höher an den Wind und rollten die Genua weg. Trotzdem verringerte sich unsere Fahrt kaum, und durch das fehlende Vorsegel begann unser Boot derb zu schlingern in der chaotischen See. Die Bordfrau packte den ganzen Mut in ein Manöver zum Reffen des Großsegels. Als dies geschehen war, öffnete sich auch die Lücke zwischen einigen Frachtern. Wir rollten die Genua wieder aus, aber eine angenehm-stabile Fahrt wurde es auch in dieser Konfiguration nicht. Also bargen wir das Vorsegel wieder und nahmen das Schlingern in Kauf, denn das Ziel war fast erreicht, und südlich der Insel wurden sowohl Seegang als auch Wind weniger. Im Hafen bekamen wir Hilfe beim Anlegen von den Besatzungen zweier Boote, die uns vorher überholt hatten. Längsseits hinter der schützenden Außenmole kamen wir schnell wieder zur Ruhe. Puh, das war ein unerwartet heftiger Ritt.
Tags drauf liehen wir uns Fahrräder und erkundeten ein bisschen die Insel - wirklich schön!
An dem Leuchtfeuer, das wir am Tag davor noch von Seeseite gesehen hatten, trafen wir auf die ebenfalls ausgeflogene Crew, die uns beim Anlegen geholfen hatte und die direkt hinter uns an der Mole lagen. Im Gespräch mit dem segelnden Paar fanden wir heraus, dass wir gemeinsame Freunde haben, nämlich die, die wir vor einigen Wochen in Schweden in Skaerhamn getroffen hatten - klein ist die Welt, und noch kleiner die segelnde Gesellschaft.
Am Abend grillten wir gemeinsam und erklommen danach eine Anhöhe hinter dem Hafen, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Als wären sie extra dafür bestellt, trafen sich neben dem niedergehenden, roten Ball am Horizont die 'Mein Schiff 7' und die 'Color Fantasy' - ein spektakuläres Bild, das wir gleich x-fach im digitalen Bildspeicher ablegten.
Ballen
Auch die Überfahrt nach Ballen auf Samsö wurde nicht langweilig. Wir wollten an dem schwachen Westwind aufkreuzen, aber nach drei oder vier Schlägen war auch der wenige Wind weg, und der eingebaute Volvo-Diesel musste mal wieder ran.
Die Fahrt ging durch ein auf der Seekarte rot schraffiertes Gebiet, das uns als Schießgebiet ausgezeichnet war und für das wir uns auf einer Internetseite vorher über Aktivitäten informiert hatten. Das Gebiet sollte zur Zeit unserer Durchfahrt nicht für Übungen genutzt werden, und so hielten wir einfach drauf. Beim Verlassen dieses Gebietes fuhren wir auf eine Gabelung mehrerer Verkehrstrennungsgebiete zu. Vor uns war 'plötzlich' massiver Schiffsverkehr - kein Schiff unter hundert Metern Länge. Die dicken Dinger sind teils mit enormer Geschwindigkeit unterwegs (Zeit ist Geld), und in deren Fahrgebieten sind sie naheliegenderweise priorisiert. Diese Situation war 'dichter' als alle vorherigen, und so schalteten wir wieder unseren UKW Seefunk ein. Es dauerte nicht lange, bis wir von der Verkehrsleitstelle angerufen wurden und auf die Besonderheit der Umstände und unseres Vorhabens hingewiesen wurden. Der professionelle Verkehrs-Seefunk benutzt dabei einen eigenen, spezifischen Wortschatz, natürlich gebrochen englisch, den wir nur zu Teilen und durch Nachfragen entschlüsseln konnten. Wir sollten uns von Gebieten freihalten und hätten ohnehin bereits irgendetwas getan. Wir könnten Kurs halten und Ballen weiter ansteuern. Mit dieser etwas irritierenden Information beschlossen wir, unseren Kurs beizubehalten und durch Regulierung der Geschwindigkeit eine Gelegenheit für die Querung beider See-Autobahnen zu finden. Die Sicht war uneingeschränkt, der Verkehr dicht, aber übersichtlich, und so taten wir es wie beschlossen. Die Passage verlief problemlos und ohne weitere Vorkommnisse. Nach der Durchfahrt konnten wir Segel setzen und die letzten eineinhalb Stunden bis Ballen noch schön segeln. Trotzdem blieb die endgültige Klärung offen, ob wir irgendetwas falsch gemacht hätten. Als wir den Hafen erreichten, fiel dem Skipper ein graues Schiff mit einer militärischen Kennzeichnung auf, das in der Nähe der Einfahrt ankerte. Sofort ergriff uns die Unsicherheit - hatten wir verbotenerweise ein Sperrgebiet durchfahren? In den Törnführern, die die Bordfrau gewissenhaft durchgearbeitet hat, steht, es gäbe 'empfindliche Geldstrafen' für derlei Vergehen. Wir schauten nicht hin und näherten uns der Hafeneinfahrt. Ein Schlag nach Lee, um die Genua zu bergen, ein Schlag in den Wind für das Großsegel. Aus dem Augenwinkel beobachtete der Skipper, dass das Patrouillenboot den Anker lichtete. Wir tuchten das Groß auf, verschlossen den Lazy-Bag und machten uns bereit für den Anleger: Fender und Leinen aus der Backskiste, Anschlagen der Festmacher. Das graue Boot nahm Fahrt auf - - - und fuhr an uns vorbei auf die offene See. Alle Sorge fiel von uns ab. Wir tuckerten in den Hafen, suchten einen Liegeplatz und machten fest - keine Strafgeldforderung, keine Peinlichkeit, alles OK!
Am Abend sortierten wir unsere Angelegenheiten, darunter auch das Kartenmaterial. Die Seekarten sind unterteilt in verschiedene Fahrtengebiete, und mit den südlichen Teil der Insel Samsö sind wir wieder im Gebiet "Kieler Bucht, rund Fünen" angelangt, unserem Heimatgebiet. Das erzeugt zwei verschiedene Gefühle: "Bald sind wir wieder zuhause." und "Bald sind wir wieder zuhause." Einerseits ist also ein Ende unserer besonderen Zeit in Sicht, andererseits können wir auch nicht leugnen, dass unsere Freunde, unsere Wohnung, unser Lebensmittelpunkt uns inzwischen auch ein bisschen fehlen. Außerdem gibt es eklatante Verschleißerscheinungen, z.B. an Skipper's Schuhwerk. Ob die Latschen noch zwei Wochen durchhalten?
Auch der Reißverschluss am Lazy-Bag hängt am seidenen Faden.
Ballen gefiel uns gut. Vermutlich ist es in der Hauptsaison dort unerträglich, aber nun, da die meisten Dänen keinen Urlaub mehr haben, Schweden schon gar nicht und für Norweger es vermutlich auch ein bisschen zu weit ist, ist die Liegeplatzverfügbarkeit und die allgemeine Frequenz von Menschen entspannt. Ein wenig touristisches Angebot, Restaurants, ein toller Strand, wir hätten länger bleiben können, ohne uns zu langweilen.
Bogense
Die Bordfrau hat die Törnplanung fast vollständig übernommen, der Skipper findet das gut. So trägt er nicht die Gesamtverantwortung für den Verlauf der Reise. Entsprechend sollte es an diesem Donnerstag nach Bogense gehen. Das frühe Ablegen hatten wir angesetzt, um am Nachmittag einem Regen zu entgehen, der dann aber gar nicht kam. Kurz nach dem Auslaufen war es noch sehr flautig.
Erst nach Umrundung der Südspitze von Samsö kam vernünftiger Wind auf, und wir konnten prima segeln - sehr entspannt, aber doch mit der Gewissheit guten Vorankommens. Um uns herum wurde motort und es wurden verschiedene Segelkonfigurationen ausprobiert. Unsere Santanita kam mit den Bedingungen gut zurecht, und so haben wir alle Vergleiche 'gewonnen'. Ein Skipper, der irgendwann entnervt den Spi einpackte und uns motorend überholte, rief uns zu 'Ich gebe auf!', was uns zeigte, dass nicht nur wir die Wettfahrt als solche empfunden haben. Nach dem Südschwenk hinter Aebelö wurde es sogar noch richtig sportlich. Wir näherten uns der Sieben-Knoten-Marke und nahmen es mit einem deutlich größeren Schiff auf, ohne dabei gedemütigt zu werden. Am frühen Nachmittag waren wir fest, und das Boot war klar. Wir erstatteten unsere Hafengebühren und waren zufrieden. Gegen Abend machten wir uns auf zu einem kleinen Einkauf zwecks Ernährung, schafften es aber nur bis zur Hafenkneipe 'Castor'. Dort begann genau mit unserem Eintreffen ein junger Sänger und Gitarrist mit seinem Unterhaltungsprogramm, dazu gab es etwas Warmes aus der dortigen Küche und gekühlte Getränke. Das gesamte Angebot nahmen wir freudig und dankbar an. Etwas Musik zur Hafenatmosphäre gehört auch dazu. Neben der Hafenbar ist der namensgebende Kutter als Museumsschiff aufgestellt und war an diesem Abend frei zu besichtigen. Den angesagten Regen gab es spät in der Nacht auf Freitag als ordentliches Gewitter. Das haben wir noch ein bisschen aus der Koje durchs Vorluk beobachtet und haben es dann verschlafen.
Bogense überzeugte in ganzer Linie. Der große Hafen ist komplett renoviert. Besonders die Feuchträume beeindrucken. Der Skipper mag sich täuschen, aber möglicherweise ist dort sogar eine Fußbodenheizung verlegt, wirklich luxuriös. Der ganze Ort ist ziemlich aufgeräumt und modernisiert, an dem kleinen Kanal neben dem Hafen ist fast ein bisschen Nizza-Feeling. An der Einfahrt des kleinen Kanals ist eine tolle Badestelle geschaffen und ein lustiges Gebäude errichtet worden, das einerseits als Leseraum mit Aussicht dient, andererseits als Plattform für die Besichtigung des Sonnenuntergangs - toll!
Sogar einen Friseurtermin konnten wir endlich machen. Das wurde auch allerhöchste Zeit!
Und schon war auch diese elfte Woche rum. Die mittelfristigen Windprognosen schienen die Botschaft zu enthalten, dass wir nicht nachhause sollten. Es gäbe hauptsächlich Südwind....
VingaAm Montag packte uns der Hafenkoller. Speziell die Bordfrau war betroffen - ein Ortswechsel musste geschehen, denn obwohl wir inzwischen fast Freundschaften mit einzelnen Inselbewohnern geschlossen hatten, ist mehr als eine Woche Aufenthalt an einem Ort einfach schlecht erträglich. Der Wind stand weiter stramm aus Südwest, aber wir wollten nicht mehr nach Norden. Also planten wir eine Route, bei der wir zunächst ein Stück gegen den Wind motoren würden, um danach hoch am Wind südwärts segeln zu können. Für den Fall, dass das nicht klappen würde, planten wir ein nicht allzu fernes Ziel. Und so kam es auch: Der Segelversuch scheiterte an der Windrichtung, und zwischen den Schären zu kreuzen wollten wir uns nicht antun. Also sind wir vier der sechs Meilen motort und nur zum Schluss noch eine halbe Stunde gesegelt. Weil wir den Ortswechsel recht spontan angesetzt hatten, sind wir erst am frühen Nachmittag ausgelaufen und entsprechend spät angekommen. Einen Liegeplatz zu finden, war trotzdem kein Problem. Hönö-Klava ist ein großer Hafen, wir gingen längsseits an die Promenaden-Pier, einen Pfeiler mit Wasser und Strom direkt zwei Meter hinter der Santanita. Der Skipper nutzte diese Gelegenheit, um das gesamte Deck und Cockpit einmal abzubürsten und zu waschen. Es hatte sich eine Menge Sand und Salz gesammelt. Nach einer Dreiviertelstunde war das Boot sauber.
Der Ortswechsel hatte sich gelohnt. Allein die Veränderung schaffte es, uns aus einer gewissen Lethargie zu reißen, die sich eingeschlichen hatte. Hier musste wir alles neu erkunden und bekamen neue Eindrücke. Wir fanden eine Bäckerei, einige Restaurants, einen Supermarkt und - zunehmend interessant - einen Frisör! Lange würden wir nicht bleiben, denn am Mittwoch war ein Wetterfenster prognostiziert, dass die Überfahrt nach Laesö ermöglichen sollte. Am Abend machten wir ein langes Videotelefonat mit der Heimat und danach verbrachten wir eine mittelruhige Nacht. Der Hafen wird als Fischereihafen genutzt und die Flotte lief lebhaft ein und aus, aber nicht diese kleinen romantischen Kutter, die ein Dutzend Reusen auf nahegelegenen Flachs verteilen, sondern industrielle Trawler.
Als sollten wir für die Unruhe entschädigt werden, machte der Mond einen großen Auftritt.
An dem einen Aufenthaltstag besuchten wir den Frisör. "Nur mit Termin" war der Grund für das Scheitern der Idee. Der Skipper wird es nie verstehen. Schon das Gespräch darüber dauert fast genauso lange wie eine schnelle Behandlung mit einer Haarschneidemaschine. Naja, dann eben nicht. Mit dem Bus machten wir einen Ausflug in den nahegelegenen Hafen Fotö. Der hätte sich als Alternative angeboten aber wir hatten ihn aus verschiedenen Gründen nicht gewählt. Der Hafen präsentierte sich uns schnuckelig-sympathisch, aber fast ohne jegliche Versorgung. Wir kraxelten ein bisschen auf den säumenden Schären herum und fuhren zurück, in der Gewissheit, den für uns passenderen Ort gewählt zu haben. Plötzlich wurde uns klar, dass dies unser letzter Hafen und unser letzter Abend in Schweden sein würde. Die Wetterprognose für Mittwoch blieb stabil, und eine so gute Gelegenheit für den Schlag nach Westen wollten wir unbedingt nutzen. Den Abschied begingen wir in dem hübschen Hafenrestaurant mit einem leckeren Essen und etwas Rotwein.
Für den Morgen stellten wir uns den Wecker und schafften es, um 8:00 Uhr die Leinen loszuwerfen. Noch im Vorhafen setzten wir die Segel. Hoch an dem schwachen Wind legten wir Kurs zum Verlassen des Schärengartens. Eine deutlich größere Yacht fuhr auf dem gleichen Kurs mit der Kraft ihres Dieselaggregats an uns vorbei. Später setzte auch sie die Segel, war uns aber dennoch erheblich voraus, als wir die westlichste Schäreninsel 'Vinga' fotografierten und somit Schweden gefühlt verließen.
Die Yacht nahm ebenfalls Kurs auf Laesö - der Ehrgeiz war geweckt. Es war, als würde ein Knoten platzen: Endlich konnten wir einmal wieder richtig segeln, ohne Enge und Bedrohung durch Untiefen, mit angenehm moderatem Wind und freiem Blick auf die offene See. Der Wind drehte leicht, und wir mussten nicht länger einen so spitzen Winkel fahren. Die Santanita nahm das gerne an, und nach einigen Meilen war die große Yacht eingeholt. Als wollte sie sich nicht länger mit uns vergleichen, drehte sie relativ abrupt nach Süden, wahrscheinlich eine Umentscheidung bezüglich des Ziels, weil dies durch den drehenden Wind möglich wurde. Wir blieben auf unserem Südwestkurs, trafen auf hoher See die Stena, die zwischen Frederikshavn und Göteborg verkehrt und erreichten nach knapp zehn Stunden Fahrt den Westhafen von Laesö, erschöpft, aber glücklich, diesen Sprung so komfortabel geschafft zu haben. Die groben Westwinde der vergangenen Tage und Wochen hatten so eine einfache Überfahrt ziemlich infrage gestellt.
Auf Laesö erwarten wir nun beste Freunde, die mit der Fähre vom Festland kommen werden und mit denen wir eine schöne Zeit verbringen wollen. Aus diesem Grund wird der Reisebericht hier vorerst unterbrochen.