Und dann kam es wieder anders: Zwar hat Anholt großes Bleibe- und Genusspotenzial, aber die Wettervorhersage für die kommenden Tage ist zwischen 'komisch' und 'heftig', so dass wir wieder einen Ort suchen, der zum Abwettern taugt. Das ist, wenn man andere Möglichkeiten hat, Anholt eben nicht. Deshalb entscheiden wir uns schon nach einer Nacht für die Weiterfahrt. Allerdings starten wir nicht gleich am Morgen, sondern verbringen immerhin einen guten Teil des Tages auf der Insel, gehen an den Strand und baden in der noch immer ziemlich frischen Ostsee.
Erst gegen drei Uhr am Nachmittag legen wir ab und haben bei perfekten Bedingungen eine großartige Überfahrt an die schwedische Westküste, nach Anholt quasi ein zweiter Meilenstein auf unserer Reise. Sehr alleine sind wir unterwegs, ohne Land in Sicht, lediglich beim Queren eines Verkehrstrennungsgebietes begegnen wir einem Tanker, mit dem wir uns über UKW Seefunk über die Passage einigen. Der Große darf vor, indem wir die Fahrt ein bisschen verzögern. Danach herrscht wieder vollkommene Einsamkeit. Erst nachdem wir Land in Sicht haben, sind auch einige Sportboote unterwegs. Das war eine großartige Überfahrt, sehr zügig und ohne jegliche Aufregung.
Die Bordfrau hatte als Ziel die Stadt Varberg ausgesucht. In mehreren Gesprächen mit anderen Seglern wurde dieses Ziel als eher unattraktiv beschrieben, aber wir halten daran fest. Es ist ja immer eine Frage der Erwartung, die eine Bewertung ausmacht, und wenn das einsame Idyll einer Schärenbucht gesucht wird, ist eine touristisch belebte Hafenstadt sicherlich nicht der richtige Ort.
Deutlich vor Sonnenuntergang machen wir im Stadthafen fest an den weiß gestrichenen LKW-Reifen, die an der Kaimauer des Hafenbeckens die Gastliegeplätze kennzeichnen. Während des Ganges zum Hafenbüro versinkt der feuerrote Ball am Horizont. Im Hafen sind die schwedischen Boote nicht in der Überzahl. Norweger, Dänen, ein Schiff mit der Nationalflagge Australiens, eines aus Frankreich, eines aus der Schweiz und Deutsche haben teils in Päckchen festgemacht - eine hübsch internationale Mischung. In einem Hafenkiosk informieren wir uns, wo es am nächsten Morgen Brötchen geben wird. Weil es schon spät ist, kehrt bald Ruhe ein und auch wir ziehen uns nach einem Absackerchen zurück.
Am Mittwochmorgen feiern wir unsere Schwedenankunft mit einem ausgiebigen Frühstück. Wir lernen, dass die an der Mauer angebrachten LKW-Reifen von innen von Schwalben bewohnt sind, die dadurch ganz nah bei uns sind und wohl am liebsten an unseren Brötchen teilhaben würden.
Kurz danach kommt der erste Regen. Wir freuen uns, dass wir nicht auf See sind. Als es wieder aufklart, besuchen wir die Stadt. Varberg ist gut auf uns vorbereitet und zeigt sich - ganz anders als die Segelkameraden es beschrieben haben - angenehm belebt und freundlich. Am frühen Abend beginnt in einer offenen Bar in der Nähe unseres Liegeplatzes eine sechsköpfige Truppe etwas Rhythm'n Blues zu spielen, während in der Innenstadt offensichtlich eine Pop-Coverband musiziert. Die Überlagerung entschärfen wir, indem wir die Band in unserer Nähe direkt besuchen. Die Herrschaften rocken gepflegt ab, einer der Gitarristen outet sich durch seine Features als Billy Gibbons Fan - das macht Spaß! Beim zweiten Bier beginnt es leider zu regnen und sowohl Musiker als auch Publikum ergreifen die Flucht. Schade....